Schutzhundeausbildung privat - "ein gefährlicher Unsinn"
Nicht die Rasse, sondern die bei Schäferhunden oft obligatorische Schutzhundesausbildung ist für Fachleute das Grundproblem.
Siegen. (ng) Nach der massiven Beiss-Attacke eines Schäferhundes auf eine 72-jährige Frau am Montag in der Hessischen Straße (die RUNDSCHAU berichtete) stellt nun die Siegenerin Silke Groos in einem offenen Brief sehr kritische Fragen an NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn. Sie wirft deren Ministerium Gesetzesverstöße vor.
Für Groos, die seit drei Jahren ehrenamtlich als Geschäftsführerin des Olper Tierschutzvereins arbeitet, trifft das Ministerium zumindest eine mittelbare Schuld an dem Überfall des Tieres auf die alte Dame, denn der Hund hätte als gefährlich eingestuft sein müssen. "Dieser Schäferhund hatte eine Schutzhundeausbildung, das heißt, er hat systematisch aggressive Verhal- tensweisen gegenüber Menschen erlernt", sagte Groos gestern im Gespräch mit der RUNDSCHAU. "Warum musste er also keinen Maulkorb tragen?" Diese Schutzhundeausbildung in privater Hand sei "ein Unsinn, und ein sehr gefährlicher dazu, wie auch dieser traurige Fall wieder belegt".
Für die Fachfrau ist es "ein unglaublicher Skandal", dass Paragraph zwei der NRW-Hundeverordnung bislang keinerlei Auswirkungen für Schäferhunde oder andere Tiere mit Schutzhundeausbildung hat.
In diesem Paragraphen heißt es zwar ausdrücklich: "Als gefährliche Hunde im Sinne dieser Verordnung gelten: Hunde, die auf Angriffslust oder Kampfbereitschaft oder Schärfe oder andere in der Wirkung gleichstehende Zuchtmerkmale gezüchtet werden oder die eine Ausbildung zum Nachteil des Menschen, zum Schutzhund oder eine Abrichtung auf Zivilschärfe begonnen oder abgeschlossen haben." Aber, so Groos: "Auf Landes- und auf kommunaler Ebene wird so getan, als gäbe es diesen Paragraphen hinsichtlich der Schutzhundeausbildung gar nicht."
"Die meisten Beißangriffe gehen nachweislich von Schäferhunden aus", sagt sie. "Allein 26 der 58 Angriffe durch Hunde auf Menschen mit Todesfolgen seit dem Jahr 1968 erfolgten durch Schäferhunde." Nicht die Rasse, sondern das systematische Aggressivmachen durch die Schutzhundeausbildung sei der Grund für diese Häufung. Aber bei Schäferhunden sei "diese meistens total unsinnige Ausbildung, die den Hund oft erst zur Waffe macht", quasi obligatorisch. "Mit einem Schäferhund, der diese Prüfung nicht hat, darf gar nicht erst gezüchtet werden." Und Zucht ist wichtig, denn: "Mit dem deutschen Schäferhund, der weltweit exportiert wird, wird ein ungeheures Geld verdient." Groos meint, die Tatsache, dass der Schäferhund trotz allem nicht auf den Rasselisten der Hundeverordnung steht, sei "das Resultat einer blanken Lobbyarbeit".
Wobei Groos diesen Rasselisten durchaus nicht das Wort reden will. Aber: "Wenn schon eine Hundeverordnung erlassen wird, dann müsste sie zumindest auch konsequent umgesetzt werden."
22.08.2002
Westfalenpost 23.08.2002
"Ministerium trifft Mitschuld"
Siegen. (wp) Die Siegenerin Silke Groos wirft dem NRW-Umweltministerium eine Mitschuld an der Attacke eines Schäferhundes vor, der eine 72-Jährige gebissen hatte (wir berichteten). Das Ministerium habe Gesetzesverstöße begangen, so die ehrenamtliche Geschäftsführerin des Olper Tierschutzvereines in einem offenen Brief an das Ministerium. Silke Groos: "Laut Landeshundeverordnung sind Hunde, die eine Ausbildung zum Schutzhund abgeschlossen haben, gefährliche Hunde. Entsprechend gelten für diese Hunde Maulkorb- und Leinenpflicht.
Als ich am 11. Juli 2000 an einer Telefonaktion der Westfalenpost teilnahm, erhielt ich seitens des Ordnungsamtsleiters der Stadt Hagen die Auskunft, jeder Hund, der eine Schutzhundeausbildung absolviere oder absolviert habe, müsse einen Maulkorb tragen." Gleichlautend wurde bei der damaligen Telefonaktion die Anfrage einer Hundehalterin, deren Boxer zurzeit in Schutzhundeausbildung war, beantwortet."
Silke Groos fordert vom Minsterium Auskünfte, warum dieser Paragraph bezüglich der Schutzhundeausbildung nicht umgesetzt wurde.
23.08.2002
Anmerkung:
Wer jetzt meint, zur Verteidigung der Schutzhundausbildung aus den Verwaltungsvorschriften der LHV NRW (VV LHV NRW) zitieren zu müssen, der sei darauf hingewiesen, dass es sich bei diesen um sogenannte "norminterpretierende Vorschriften" handelt, die "keine rechtliche Aussenwirkung entfalten".
Oder, für SchHler etwas simpler formuliert: Die VV sind rechtlich inexistent und damit wertlos. Sie gehören dahin, wo auch der Mannarbeitsteil der SchH, Mondioring und die LHV NRW hingehören: in Ablage P der Geschichte.