Ich habe diesen Thread zwar überflogen, um mich einzulesen. Sorry, falls ich hier trotzdem irgendwas schreibe, das schon gesagt wurde.
Ich habe vor sehr langer Zeit mal irgendwo gelesen, dass Hunde die Annäherung von vorn und gleichzeitig von oben von Natur aus als eine bedrohliche Geste empfinden, weil sich so Hunde einander nähern, die andere dominieren wollen.
Entsprechend können Hunde, die das nicht gewohnt sind oder - ganz wichtig - die Intention ihres Gegenübers bei dieser Geste nicht einschätzen können, mehr oder weniger stark reagieren, wenn sich eine Hand (und auch leider manchmal ein Gesicht) auf diese Weise nähert. Mit Ausweichen, Kopf senken bis hin zum Schnappen.
Das Schnappen ist nichts anderes als die Flucht nach vorn, wenn sie sich zu sehr in die Enge getrieben fühlen. Die Zeichen können wir Menschen leider gelegentlich nur spärlich lesen, obwohl sie immer da sind, und so kommt es zu Unfällen. Selbst mit Hund und Herrchen, die einander eigentlich vertraut sein sollten. Es bleibt halt einfach zu viel Raum für Missverständnisse. Das muss man immer mit einkalkulieren.
Es ist generell gut und auch fair, abzuchecken, ob der Hund überhaupt gestreichelt werden möchte. Er ist derjenige, der das entscheidet, nicht der Mensch. Der Tipp, den Hund auf die Menschen, an denen er interessiert ist, zugehen zu lassen, ist in meinen Augen sehr richtig.
Das gilt vor allem auch im Kontakt mit Kindern. Denn erstens sind die kleiner - im Zweifelsfall schlimmerer Schaden, schneller leider auch mal im Gesicht - und zweitens machen sie manchmal noch komischere Gesten als Erwachsene, was den Hund weiter verunsichern und so auch unbewusst Aggression auslösen kann.
Einen Hund, der schonmal geschnappt hat, würde ich nicht nochmal der Situation, von Fremden gestreichelt zu werden, aussetzen.
Und bei einem Hund, dessen Vorgeschichte man nicht kennt, ist eben extra Vorsicht bei vielen solcher bekannt provozierenden Gesten geboten. Man weiss nicht, was der Hund erlebt hat und was man damit auslöst.
Die Leute verstehen das, wenn man erklärt, dass der Hund es einfach nicht so mag, angefasst zu werden. Da kann man ruhig ehrlich sein. Das macht noch lange keine Bestie aus ihm.
Ich selbst streichele meinen Hund unwahrscheinlich gerne an Kopf und Schnauze und küsse ihren Kopf und Stirn - shame on me, ich bin so ein Knutscher
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Mein Hund ist das aber dementsprechend auch von mir gewohnt und weiss, dass es eine positive Geste von mir ist.
Ich rede auch sehr viel mit ihr, auch beim Streicheln. Sie versteht mich zwar nicht, aber meine Stimmlage hilft ihr, meine Intentionen und meine Stimmung einzuschätzen.
Eigentlich versuche ich darauf zu achten, mich meinem Hund nicht lautlos von hinten (Erschrecken) oder beim Kopf streicheln direkt von vorn und dabei von oben zu nähern, weder mit Gesicht noch Hand. Trotzdem ertappe ich mich immer mal wieder dabei, dass Mila ihren Kopf ein bisschen einzieht, wenn ich sie anfasse, während sie mir ein anderes Mal ihr Köpfchen sogar regelrecht in die Hand drückt wie zur Bestätigung.
In solchen Momenten (wenn der Kopf runtergeht) weiss ich, dass ich sie überrascht habe und dass ihr das eben nicht 100% geheuer war. Gebe mir danach wieder verstärkt Mühe, ein bisschen darauf zu achten, um sie einfach weniger zu stressen.
Wenn man als Besitzer seinen Hund viel anfasst, lernt der sehr gut, was bedrohlich ist und was nicht, selbst bei Gesten, die sich von seinem Instinkt-Gefühl unterscheiden. Aber der Hund wägt ab und entscheidet bei jeder Person, der er begegnet, neu.
Daher ist das auch immer ein bisschen was anderes, wenn man sich gut kennt - wie unter Menschen eben.
Fremde können sehr gut - wenn schon unbedingt gestreichelt werden muss - freundlich leicht die Schulter oder die Flanke klopfen. Das mögen viele Hunde sowieso viel lieber.