Ich halte es für sehr wichtig, gerade bei diesem Thema die Objektivität zu bewahren! Rütter kenne ich kaum, wenn man auch nicht umhin kommt, von ihm zu hören.
1Millan's Wortschatz (und ich beziehe mich sogar auf die aktuellen Folgen der letzten Staffel) sollte wahrlich jedem bereits beweisen, dass seine Bücher in der Tat nicht von ihm geschrieben wurden.
Er hat sie nicht selbst verfasst, weil er dazu gar nicht in der Lage ist, und sie sind tatsächlich teilweise konträr zu dem, was man in seiner abgesetzten Sendung alltäglich sehen kann.
Ob dies daran liegt, dass er seine Bücher vor den Veröffentlichungsterminen selbst nicht einmal (in Gänze) gelesen hat, vermag ich allerdings nicht zu beurteilen. Bei dem Zeitmangel wäre das aber kein Wunder.
Richtet man sich nach seinen Büchern und lässt die Sendung unberücksichtigt, dürften die meisten berechtigten Kritikpunkte daneben wirken.
Allerdings findet man darin auch Ausführungen zu remote collars, prong collars etc.
Nichtsdestotrotz spielt das keine so große Rolle, schließlich gibt es Ghost Writer für alles Erdenkliche, und kein Mensch kann abstreiten, dass Millan ganz gewisse Hunde sogar sehr schätzt und sich für sie stark macht.
Millan ist kein schlechter 'Handwerker', ihm fehlt jedoch eine erhebliche Menge des wichtigen Hintergrundwissens, und dies beweist er in der Tat immer wieder, jedoch nicht ausschließlich. Es wäre vermessen, mehr zum Verhältnis von richtig und falsch zu sagen, da ich lediglich 40% seiner Folgen gesehen habe.
Sein Timing ist in der Regel gut bis exzellent, seine Ruhe dient vielen als Vorbild, und das hat seine Berechtigung. Wer heult und/oder schreit, wenn er gebissen wird, beweist wirklich nicht, souverän zu sein.
Er ist auch kein Tierquäler, da er gar nicht wahrnimmt, was übertrieben, wirkungslos oder gar gänzlich kontraproduktiv ist. Er fährt gut mit dem, was er tut, und wenn ihm mal etwas um die Ohren fliegt, lässt sich das ganz schlicht erklären, ohne Selbstzweifel anzuregen.
Menschlich, allzu menschlich. Ich bin überzeugt, dass er macht, was er für richtig hält; leider schlägt da sein Hang zur Simplifizierung entsprechend zu.
Er glaubt, was er sagt, selbst die gelegentlich fadenscheinig wirkenden Rechtfertigungen und obsoleten Ansichten. Er ist nicht in der Lage, diese wirklich unsägliche Simplifizierung zu lassen; er sieht es so, und seine Erfahrungen geben ihm Recht (seiner Ansicht nach).
Da er mit Abstand der erfolgreichste und bekannteste Hundemensch ist, den es jemals gab, halte ich es sogar für nachvollziehbar, dass er in vehementen Kritikern eher Neider vermutet und sich gewisse Schuhe nicht anzieht. Richtig finde ich es nicht, nachvollziehbar indes schon.
Er betrachtet sein Tun also anders, als es jeder wahrnehmen muss, der differenziert herangeht.
Und er hält das Bild eines unterwürfigen Hundes, der keine Wünsche hat, die nicht mit unseren kongruent sind, für den Zenit - nur solch ein Hund wird richtig geführt und respektiert seinen Hundeführer. Auch wenn das nicht richtig ist, bedeutet es nicht, dass er ein Tierquäler ist! Er hat halt ein veraltete Vorstellung von Mensch-Hund-Gespannen, von Dominanztheorie und Rudeltheorie ganz zu schweigen - kein Einzelfall!
Selbst unter seinen Befürwortern finden sich im Übrigen enorm viele Menschen, die Kritik üben. In der Regel ist Gegenstand dieser Kritik das sich seit Jahren andauernd wiederholende Deckeln, das Ausweichen auf Laufbänder, mancher Fehltritt und gelegentlich auch die gnadenlose Simplifizierung des Hundes an sich.
Millan startete als Hundefriseur, der jedoch auch Hunde seiner Kunden ausführte, wenn diese Hunde erhebliche Probleme verursachten. Als Hundefriseur lernte er vor allem eins, dass amerikanische Hunde keinen Grenzen kennen und vehement dagegen sind, sich von ihm frisieren zu lassen.
Nicht die schlechteste Schule, möchte ich anmerken, und gewiss kein Grund, ihn zu degradieren!
Er war also wirklich beides, bevor er zu neuen, großen Taten aufbrach. Wie fast jeder weiß, begann es mit Will und Jada Pinkett Smiths Hunden und nicht zuletzt Oprah Winfrey, welche jedoch bald Abstand von Millan nahm und den Trainer wechselte. Ihre Trainerin heißt Tama Geller.
Millan's Sendung ist Reality TV. Die Hunde, welche aggressiv anmuten sollen, werden vor der Sendung bewusst entweder mit einem Hund oder mit einem Mann, der sie 'ausrasten' lässt, konfrontiert, damit sie heftig auf die Zuschauer wirken.
Hunde, die bei Angst vor Menschen nach vorne gehen, bekommen den Crew Mitarbeiter ab, die anderen Hunde den dazugehörigen Hund vor die Nase gesetzt. Dies wissen die meisten Zuschauer leider nicht.
Misserfolge in Gestalt von Bissen, Hunde, welche so ausflippen dürfen, dass an Lernen nicht mehr zu denken ist, die großen Kämpfe zwischen CM und manchen Hunden - all das gehört zur Show, so bedauerlich dies auch ist, wenn man sich bewusst ist, das er Vorbild für so viele ist.
Es ist gleichwohl nicht alles geplant; der Biss aus der Holly Folge bspw. kam überraschend und war nicht Teil des Konzepts dieser Folge, denn Millan ginge niemals so weit, sich selbst als offensichtlich inkompetent hinzustellen, nur um sagenhafte Quoten aufweisen zu können.
Red zone dogs - darauf basiert ja im Grunde maßgeblich das Konzept dieser Sendung, welches Millan zu Ruhm und Massen von Geld verhalf. Nur selbst Holly ist weit davon entfernt, einer zu sein.
Da diese Hunde, welche man in seiner Sendung ja immer wieder zu sehen bekommt, jedoch nahezu ausnahmslos mit ausgesprochen guter bis zumindest vorhandener Beißhemmung (in Bezug auf Menschen!) daherkommen, dürfte auch hier rasch klar sein, dass es einmal mehr nur um die Show und Quoten geht.
Ein Fremder bedrängt 'aggressive' Hunde, provoziert sie, schüchtert sie ein - noch nie hat er einen Biss davon getragen, den ich für schlimm hielt,
und der heftigste Biss laut NatGeo und damit Millan ist ja in der Holly Folge zu sehen.
Also genau der Biss, vor dem er sagte, der Hund sei jetzt entspannt. Nun, das war dilettantisch und, um aufrichtig zu sein, auch ziemlich lächerlich, aber Millan hat zumindest Haltung bewahrt und ist 'ehrlich' geblieben: "I didn't see that coming.".
Es gibt diverse Beispiele für Fehlinterpretationen, Widersprüche und Überforderung auf seiner Seite. Einfach mal Google anwerfen und durchgucken. Wer sich dafür tatsächlich interessiert, wird in vielen Fällen nicht einmal das gesamte Video sehen müssen, wobei ich von Zusammenschnitten nur abraten kann, da diese meines Erachtens wirklich bloß reißerisch sind.
Wenn die Hundegruppe umkippt und wider Erwarten alle aufeinander los wollen, sieht man durchaus, dass Millan manchmal nicht der Hundeexperte ist, der er zu sein glaubt. Man sieht auch, dass diese Hunde mitnichten resozialisiert wurden, sondern lediglich gedeckelt. Jeder Funke nennenswerter Aufregung oder Anspannung bewirkt hier eine Gruppendynamik, welche nicht mehr feierlich ist.
Spielraum für Individuen, wenn es um Aggression oder vermeintliche Aggression geht, gibt es nicht oder nur ausgesprochen selten, obgleich er in seinen Büchern durchaus darauf eingeht. Individualdistanz existiert nicht, wodurch weitere Missstände im Training und innerhalb der Gruppe entstehen.
Entgegen den aufgebrachten Rufen seiner vehementen Gegner, bestreitet er nicht (mehr), auch mit Strom zu arbeiten. Früher fand dies allerdings versteckt statt, sodass es solche Rufe natürlich begünstigte.
Quintessenz
Diese und manch andere Folge belegen zweifelsohne, dass Millan Hunde zumindest gelegentlich sogar so falsch versteht, dass er das Gegenteil von dem sieht, was gerade abgeht.
Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch nicht, dass er gar keine Ahnung vom Ausdrucksverhalten des Hundes hat! Solche Behauptungen entbehren jeglicher Grundlage.
Da Millan's Sicht der Dinge nicht nur einfach ist, sondern ungenügend, erklärt sich vieles von selbst. Vermenschlichung und grenzenlose Erziehung auf einer Seite, Millan's Simplifizierung auf der anderen - beide Lager werden dem Hund an sich nicht gerecht und bergen Gefahren in sich, welche oft erst zu spät an die Oberfläche gelangen.
Ich habe in den vergangenen 7 Jahren während des Genusses seiner Sdg nicht einen Hund gesehen, den ich im Hinblick auf Menschen für wirklich gefährlich halte, und keine einzige Wunde bei Millan, welche ich nicht in dem aufgebauschten Kontext als fast lächerlich angesehen hätte.
Dass er relativ häufig gebissen wird, liegt wie bereits erwähnt nicht alleine daran, dass er Hunde nicht immer richtig versteht, sondern meines Erachtens vornehmlich am Ziel der Show.
Das gehört dazu, denn beißende Hunde sind ein Publikumsmagnet und Garant für Bewunderer und Wieder-Einschalter!
Millan selbst hat exakt 6 Hunde. Das exorbitante 'Rudel' von bis zu 50 Hunden, welches gerne für die Glorifikation Millan's ins Feld geführt wird, lebt nicht bei ihm und besteht aus Hunden, die - soweit ich weiß - vornehmlich durch unterdrückende Techniken in den Griff bekommen wurden und nicht zurück zu ihren Haltern sollen bzw. können.
Des Weiteren befinden sich Gasthunde dort, also solche die im Auftrag ihrer Halter "resozialisiert" werden sollen, und Notfälle, was ja immer Sympathiepunkte bringt. Nicht unberechtigt, finde ich.
Die Gruppengröße variiert stark; manchmal sind es bloß 16, dann wieder fast 50, aber es bleibt immer dabei, dass diese Hunde nicht mit ihm zusammen leben.
Abschließend zu beurteilen, was da wirklich los ist, bleibt denjenigen überlassen, die sich das Ganze gerne anschauen möchten. Immer, wenn ich in Cali weile, arbeite ich und/oder bilde mich weiter, daher ziehe ich einen Besuch schlicht nicht in Betracht.
Millan kommt ausschließlich mit solchen Hundetypen gut zurecht, die obrigkeitshörig sind und seine harte Tour nicht mit dem großen Aufbegehren erwidern. Hunde, die einknicken, anstatt dafür zu sorgen, dass Mensch ihnen auch ein bisschen Respekt entgegenbringt, salopp ausgedrückt. Seine eigenen Hunde sind genau solche Hundetypen. Er fühlt sich überfordert mit vielen verschiedenen Hundetypen, was er nicht einmal verschweigt. Ein öffentliches Beispiel:
"Lieber hab ich es mit 50 aggressiven Pit Bulls zu tun als noch einmal mit zwei ungestümen Golden Retrievern zu arbeiten!"
Ich lehne Millan menschlich nicht ab, fachlich halte ich ihn nicht für das Gelbe vom Ei,
weil er eben allzu häufig nicht resozialisiert, sondern lediglich unterdrückt; Unterdrückung hilft temporär, meistens muss man jedoch weiterhin unterdrücken und dafür vor allem anwesend sein. Lösung der Probleme halte ich in all den Fällen, die keiner mission impossible gleichkommen, für besser.
Er lehnt ab, sich weiterzubilden und weiterzuentwickeln, hält nichts davon, sich selbst zu hinterfragen, und davon halte ich wiederum nicht wirklich etwas. Dafür vermag ich mich schlicht nicht zu begeistern. Und immer wieder regelrecht mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, ja, das ist, was ich am meisten ablehne.
Und als - zu allem Überfluss auch noch kleine, zierliche - Frau, die erfolgreich große, starke Hunde mit etwaigen schwer in den Griff zu bekommenden massiven Problemen nicht nur therapierte, sondern auch sicher führte, lehne ich seinen Chauvinismus natürlich auch grundsätzlich ab. Wie er Frauen beurteilt, durfte ich durch DVD-Extras und ein Buch genießen, und ich finde das nicht nur unangemessen.