Ich glaube, ein Fehler, den viele Leute gedanklich machen, ist, dass sie "Angst" und "Unsicherheit" gleichsetzen.
Und bei einem "unsicheren" Hund dann an einen denken, der nach vorn geht, "obwohl er eigentlich zurück will". - Und wenn er das nicht tut, kann er ihrer Meinung nach nicht unsicher sein.
- Dabei kann er das durchaus, nur "Angst" hat er in dem Moment nicht mehr unbedingt.
Womit ich meine: Ein "unsicherer" Hund kann einfach nur unsouverän reagieren, und damit dann gefühlt "zu heftig" auf eine von ihm gemutmaßte Gefahr - der will dann aber nach vorn und geht auch nach vorn, und wirkt in
dieser Situation dann kein bisschen mehr "unsicher" - im Gegensatz zu
vorher.
Frust als Motivation für Leinenaggression ist in der Tat ein häufiges Problem (oder zumindest galt es als solches, als ich noch mit Hund zum Training gegangen bin) - ist aber vielleicht nicht jedem Trainer tatsächlich so geläufig. "Rotzfrech" ist das von dem besagten Hund aber nicht. Um rotzfrech zu sein, müsste er erstmal wissen, dass er in so einer Situation nicht frustriert zu sein hat... und so viel Selbstdisziplin oder einen so gut führende Besitzer haben, das es tatsächlich nicht dazu kommt.
Frust/Wut kommt dann auf, wenn der Hund eine Einschränkung hinnehmen muss, die er vorher so nie hatte, und die er nie gelernt hat, zu ertragen. Da fehlt es dann klar an einer vernünftig aufgebauten Erziehung, aber frech wäre der Hund nur, wenn er bereits erzogen wäre und diese Erziehung bewusst und aktiv infrage stellt.
(EIn immer wieder zitiertes Problem ist, dass viele Hundebesitzer ihre Welpen zu jedem hinlaufen lassen, ihn streicheln, begrüßen und bewundern lassen - und wenn der Hund größer ist, und das plötzlich nicht mehr darf, weil ihn niemand mehr streicheln will, kommt Frust auf.
Hund, die an der Leine pöbeln, "weil sie es können" oder Artgenossen als Eindringlinge in ihre Sphäre betrachten etc., habe ich über die Jahre zwar einige erlebt - aber gemessen an der Masse der Hunde, die hier herumlaufen, waren das wirklich wenige. (Wenn man eher selbstbewusste Rüden in einem gewissen Alter - quasi als Heranwachsende - mal abzieht, die phasenweise massiv ihre Grenzen austesten.)
Damit meine ich nicht, dass der Rest der pöbelnden Hunde durch die Bank unsicher war - nur, dass sie ganz sicher nicht selbstsicher waren.