"Und die Weisen sagen, beurteile niemanden bis du an seiner Stelle gestanden hast!"
[Johann Wolfgang von Goethe]
Hallo, mein Name ist Verena Jahnke, ich bin 30 Jahre alt und bin Schäfermeisterin.
Ich arbeite zusammen mit meinem Vater und drei Angestellten in der Glockenbergsschäferei in Eimke, Niedersachsen.
Wir bewirtschaften mit unseren Heidschnucken unter anderem die Ellerndorfer Wachholderheide, welche oftmals als touristisches Ausflugsziel genutzt wird. Zusätzlich pflegen wir mit unseren Fleischschafrassen den Elbdeich im Kreis Winsen/Luhe.
Wie einige von euch bereits mitbekommen haben, stellten wir uns insbesondere im Frühling 2020 einem Wettrüsten mit den Wölfen - welches wir haushoch verloren haben.
Ich habe mich damals bewusst für diesen Lebensweg entschieden, weil ich die Arbeit an der frischen Luft, in der Natur und mit meinen Schafen und Hunden liebe.
Unter Schäfern sagt man: "Schäfersein kann man nicht lernen, man wird als solcher geboren". Ich wusste, dass der Lohn ein hartverdienter ist; ich wusste, dass eine 70 Stunden Woche meistens nicht ausreicht und ich wusste, dass es weder Krankenscheine noch Urlaub geben wird! Schäfer zu sein bedeutet nicht einen Beruf zu erlernen, es ist eine Lebensart!
Ich wusste damals jedoch nicht, dass ich irgendwann so gut wie keinen Schlaf mehr finden werde, dass ich Alpträume haben werde und dass ich noch dazu - von blinden Menschen, welche keine Ahnung von meinem Handeln haben - an den Pranger gestellt werde!
Diese Bilder, welche ich seit dem Frühjahr regelmäßig sehen muss, ertrage ich nicht mehr!
Ich blicke zurück auf 91 tote Schafe, Lämmer und Ziegen - manche davon fehlen mir bis zum heutigen Tag. Mutterschafe, mit aufgerissenen Bäuchen, neben denen die qualvoll getöteten Lämmer liegen. Rausgerissene Gedärme, noch lebende, angefressene Schafe, verwaiste Lämmer, gebrochene Beine, Blut, auf Kilometer verteilte tote Tiere!
Für diejenigen, welche mich nicht kennen und auch nicht zu den selbsternannten Freizeit-Kommissaren gehören, welche nachts um meine Zäune schleichen, um festzustellen, ob irgendwo eine Reifenspur von mir übersehen wurde und der Abstand zum Boden dadurch vielleicht einen Zentimeter höher ist, als gewünscht:
Wir schützen unsere Herden! Wir schützen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln! Wir stellen Netze, welche höher sind als normal! Wir spannen stromführende Litzen, damit wir noch mehr Höhe erreichen! Wir stellen doppelte Zaunsysteme, um ein Überspringen zu verhindern! Wir setzen auf Herdenschutzhunde! All diese Wege und Möglichkeiten haben versagt!
Die Frage, die ich mir stelle:
Soll das meine Zukunft sein?
Noch höhere Netze, noch mehr Herdenschutzhunde, noch weniger Schlaf, noch mehr tote Schafe, noch mehr Hetze???
Die ganz klare Antwort: Nein! Nein - denn das ertrage ich nicht mehr!
Ich bin mit meinen 30 Jahren nicht mehr ganz so jung, in Schäferkreisen dennoch eine der Jüngsten. Der Altersdurchschnitt liegt bei 58 Jahren und in den meisten Betrieben sind Nachfolge-Anwärter Fehlanzeige. Die nächsten Jahre werden verdeutlichen, was wir Schäfer ahnen: Unser Beruf wird aussterben!
Meine Frage an euch, Bürger auf dem Land und in den Städten, liebe Politiker und ja, liebe Wolfsbefürworter:
Wollt ihr das?
Wollt ihr, dass wir Schäfer und Schafhalter aufhören?
Wollt ihr, dass Kulturlandschaften wie die Heide der Vergangenheit angehören?
Wollt ihr, dass Deiche brechen, weil keiner den Küstenschutz besser kann, als unsere Herden?
Wollt ihr ausschließlich Importwaren? Egal ob Rohstoffe wie Wolle oder Nahrungsmittel wie Fleisch und Milch?
(An alle, die gleich losschreien wollen, dass die Tiere "eh getötet werden"! Ruhig bleiben, zu euch komme ich noch!)
Wollt ihr, dass alle Schafe in einen Stall gesperrt werden? Artgerechte Haltung adé!
Wollt ihr, dass ein großer Teil Lebensraum für Flora und Fauna verschwindet?
Wo sollen die Lerchen brüten?
Wo sollen die Fasane leben?
...
Schafe sind so vieles mehr als "nur Tiere"! Sie erhalten die Landschaft, die wir alle lieben, sie tragen Unglaubliches zum Artenerhalt und zur Vielfalt bei und vor allem sind sie für mich eines: mein Leben!
Wir wollen den Wolf nicht ausrotten; sicherlich nicht! Aber er soll auch unsere Schäfereien und die Weidetierhaltung nicht zerstören! Der günstige Erhaltungszustand ist längst erreicht, er muss nur endlich ausgerufen werden!
Wir brauchen eine Bestandsregulierung der Wölfe und einen echten Managementplan!
Wir brauchen eine Politik mit Rückgrat und keine vorgegaukelte Demokratie.
Ein Rudel oder Einzeltier, welches sich auf das Reißen von Schafen spezialisiert hat, muss entnommen werden! Artenschutz funktioniert nicht einseitig! Wir brauchen keine Beschlüsse, welche den Abschuss genehmigen, damit dieser von Seiten der blinden Befürworter direkt beklagt und vorerst außer Kraft gesetzt werden kann!
Ja - wir sind auch nur Menschen! Aber wir sind Menschen, welche aus Liebe zu dem was sie tun ihre Grenzen erreichen!
Vergleichen wir also nun, aus gegebenem Anlass, eine Schlachtung mit einem Riss:
Es fällt mir wirklich schwer dieses Denkspiel!
Ja, ein Teil meiner Tiere wird geschlachtet. Und ich esse gerne Lammfleisch, ich esse gerne Fleisch von Tieren, wenn ich weiß, wie sie aufgewachsen sind … Wenn ich weiß, dass Medikamenteneinsatz absolut kompetent und möglichst sparsam geschah … Wenn ich weiß, dass die Haltungsbedingungen so artgerecht wie nur irgendwie möglich sind. Jedem sollte es ein Anliegen sein, dass keine Importwaren ohne all diese Grundsätze mehr verzehrt werden. Eine Schlachtung in Deutschland ist mit unfassbar vielen Bedingungen verbunden. Es geht schnell, die Tiere werden betäubt, sie leiden nicht. Ob ein Schaf, welches bei lebendigem Leibe angefressen wird, selbiges behaupten kann?
Und nein, wir schlachten nicht auf irgendwelchen Hinterhöfen, wir ziehen keine rostige Klinge durch die Kehle unserer Tiere und sie ringen nicht blutüberströmt nach Luft – all das passiert bei uns nicht!
Ob Schlachten moralisch nun vertretbar ist oder nicht, ist eine Grundsatzdebatte, welche nicht auf dem Rücken meiner und anderer Schafe ausgetragen werden darf!
Die Argumentation, welche der Aussage "tot ist tot, ist ja egal wie" gleich kommt, lässt darauf schließen, wie wenig Empathie solche Menschen besitzen, die sich so äußern!
Ca. 10 % der Deutschen sind Vegetarier, alle anderen haben nicht im Ansatz das Recht in der Form darüber zu sprechen oder gar zu urteilen.
Mal ganz davon abgesehen, dass mein Flaschenlamm mein Freund war, mein Wegbegleiter und sicherlich niemals geschlachtet worden wäre... niemals !
Ich liebe meine Tiere, jedes Einzelne! Jeder Mensch muss das Recht haben, seine Tiere und seine Existenz vor Raubtieren zu beschützen! Meine Schafe sind nicht herrenlos, sie gehören jemandem! Sie werden jeden Tag betreut, ich kenne sie alle! Sie sind kein Wolfsfutter!!
Unsere weißen Kreuze sollen an unsere gerissenen Tiere erinnern, welche Unmengen an Leid und Schmerz ertragen mussten! Wer es wagt, diese Aktion der BI als christlich verwerflich zu bezeichnen, sollte die Bibel noch mal ganz genau lesen! Nicht nur Kreuze sind ein Zeichen für unser Christentum, sondern auch die Schafe!
Und nun zerfleischt mich, mit all euren Gaben, Erfolg werdet ihr damit keinen haben! Wir sind es leid zu schweigen!
Verena Jahnke
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