Lana schrieb:
Das ist völlig normal - in Juristenkreisen. Und derjenige, der den Stalkingparagraphen teilweise für verfassungswidrig hält, ist deshalb nicht gleich der Böse oder will die Opfer nicht schützen etc. Solche Diskussionen sind absolut normal, ich weiß nur nicht, ob sie auch in Nichtjuristen- Zeitungen so gut ankommen ... wahrscheinlich eher nicht, wie man hier sieht.
Ich denke, dass diese Art von Diskussionen eine bestimmte Art von Denken erfordert - nämlich eine sehr abstrakte, am
Wortlaut orientierte, weniger am Inhalt (der wird sozusagen nur unter dem Aspekt betrachtet, wie er am besten wiedergegeben wird) - die den allermeisten Leuten eher fremd ist.
Die Art und Weise, wie du die Argumentation des Mannes erklärst, leuchtet mir ein. Es geht ihm nicht darum, einen bestimmten Tatbestand straflos zu lassen, sondern er will ihn durch einen anderen Ansatz abdecken, der ihm umfassender vorkommt.
Das versteht aber nur, wer die entsprechenden Gesetze und ihren Bezug zueinander kennt. Oder die Art und Weise, wie Gesetze aufgebaut sind - und wie Juristen argumentieren.
Ich könnte mir übrigens vorstellen, dass diese, da das Strafrecht ja eben das meiste abdeckt, was so unter die Rubrik "menschliche Abgründe" fällt, dort insgesamt öfter abstrakt und eigentlich "inhaltsneutral" über die Formulierungen zu ähnlich heiklen Themen diskutieren. Weil bei einem Gesetz nicht nur der Inhalt wichtig ist, sondern eben auch die Form, in der er da steht.
Auf Außenstehende wirkt das sicher befremdlich.
Ich kam vor einiger Zeit dazu, unter anderem auch regelmäßig Texte von Juristen zu bearbeiten. Und deren Art zu denken und zu argumentieren unterscheidet sich
deutlich von der ihrer medizinischen Mitautoren (sonst eher mein Metier). Ich musste mich da erst einlesen, und oft auch im Jura versierte Kollegen/-innen um Hilfe bitten. Mittlerweile geht's, von der merkwürdigen Art, zu zitieren mal abgesehen schätze ich diese Autoren eigentlich sehr: Juristen formulieren besser, denken jeden Gedankengang vermutlich vor dem Niederschreiben mindestens zweimal von vorn nach hinten und wieder zurück und fast alle können Zeichensetzung (oder haben eine fähige Sekretärin).
Nur wie gesagt: Die Fähigkeit, staubtrocken über Dinge zu argumentieren, die anderen Leuten das Blut in den Adern gefrieren lassen, kann schon befremdlich wirken... wenn man sich eben nicht vor Augen hält, dass die wasserdichte, unmissverständliche und eben für alle Betroffenen optimale
Formulierung des Inhalts mit zu ihrer Aufgabe gehört. Und dann ist es eben plötzlich wichtig, ob einie Einstellung grundsätzlich als moralisch verwerflich strafrechtlich relevant wird, oder dann, wenn sie sich in schädlichen Aktionen tatsächlich äußert.
Oder ab welchem Grad der Verschleierung ein Verhalten "heimtückisch" ist, oder ein Tötungsdelikt "grausam", und welches Strafmaß mit diesem dann juristisch definierten Etikett wohl verknüpft ist...