Meinst Du nicht, dass es denen recht egal ist, zu wissen, wieviel Bundesländer Deutschland hat und wann die Weimarer Republik endete?
O.K., Du kannst natürlich nun auch sagen: "Was wollen die hier überhaupt? Die hätten doch im Busch bleiben können!"
Schon richtig, doch wenn wir in Deutschland grundsätzlich eine Einwanderung ermöglichen, dann bitte auch keine Differenzierungen und kleinliche Bürokratenhindernisse.
Sonst sollten wir von vornherein sagen: Wir wollen keine Einwanderer.
Aber ist das nicht eigentlich der springende Punkt bei der ganzen Angelegenheit? Dass die Deutschen in gewisser Weise unehrlich sind?
Ich denke, die wenigsten Deutschen hätten ein Problem mit Einwanderern - und in dem Zuge noch weniger Probleme, dass diese Einwanderer die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen -, wenn die "richtigen" kommen würden. Was "die Richtigen" sind, schimmert in Politikeraussagen ja immer wieder durch: hochqualifizierte Fachleute. Darüber hinaus hätte das "Volksempfinden" gerne noch Menschen aus christlich geprägten Gesellschaften und dem Westeuropäer optisch so ähnlich wie möglich.
Nun haben Politik und Wirtschaft in den 60er Jahren aber dummerweise keine hochqualifizierten Fachkräfte aus Westeuropa geholt, sondern wollten unqualifizierte, billige Arbeitskräfte, die sie in Spanien, Italien, der Türkei gefunden haben. Die kamen denn auch.
Aber - oh Wunder - die wollten nicht im jahrzehntelangen Zölibat leben und ihre Familien (um derentwillen sie nach D gekommen waren) nur einmal in Jahr für zwei Wochen sehen. Was liegt da näher, als die Familien nachzuholen?
Und da beginnt der Sündenfall an dem wir heute so böse rumknabbern: Statt die Realitäten zu erkennen und entsprechend zu handeln, wurde über viele Jahre hinweg - in Politik
und Gesellschaft - an dem Märchen festgehalten, dass all die Familien ja nur Gäste auf Zeit seien und in ihre Ursprungsländer zurück gehen würden. Deutschland sei ja schließlich kein Einwanderungsland. An dieser absurden These haben manche noch bis in die 90er festgehalten...
Statt an einem Trugbild festzuhalten, das - mit gesundem Menschenverstand betrachtet - vom ersten "Gastarbeiter" an völlig realitätsfremd war, hätte man frühzeitig die Integration fördern sollen. Auf beiden Seiten.
Dass "Ausländer" hierzulande noch immer als Fremdkörper empfunden werden, hat ja auch damit zu tun, dass man den Deutschen jahrzehntelang erzählt hat, das seien "Gastarbeiter", die wieder gehen würden, wenn man sie nicht mehr braucht. Was impliziert, dass man sich mit diesen "fremden Menschen" und ihrem kulturellen Hintergrund nicht auseinanderzusetzen braucht, das sogar eher schädlich wäre, weil sie ja sowieso wieder gehen.
Auf der anderen Seite hätte man bei den "Gastarbeitern" einen guten Hebel gehabt, um Integrationswilligkeit zu fördern: Ihr habt hier die Möglichkeit zu arbeiten und gutes Geld zu verdienen. Unter der Bedingung, dass Ihr Euch die deutsche Sprache aneignet und Euch zumindest in grundlegenden Dingen mit der Gesellschaft auseinandersetzt, in der Ihr hier lebt.
Hätte man sich frühzeitig um einen Ausgleich gekümmert, hätten sich die Fronten nie dermassen verhärtet. Wäre die Gesellschaft offener auf die angeblichen Gäste zugegangen, dann hätten diese auch nicht diesen Drang verspürt, sich abzugrenzen, Parallelgesellschaften zu entwickeln und an ihrem Herkunftsland so sehr festzuhalten. Das heutige Problem wäre wesentlich geringer, aus der "Migranten-Population" kämen wesentlich mehr hochqualifizierte Menschen, man müsste nicht händeringend im Ausland nach Fachleuten suchen, und diejenigen, die aus echter Lebensbedrohung zu uns fliehen und um Asyl bitten, würden nicht dermassen scheel angeguckt sondern eher als das wahrgenommen werden, was sie sind: Menschen in Lebensgefahr, die ein verfassungsrechtlich verbrieftes Recht auf unsere Hilfe und Solidarität haben.
Das Drama geht ja noch weiter: Da kamen Ende der 80er, Anfang der 90er sehr viele "Russland-Deutsche" zu uns. Über die dahinter steckende Politik kann man streiten, aber sie kamen eben. Nicht zuletzt, weil Deutschland die Tore für sie weit aufgemacht haben. Und da kamen einige hoch qualifizierte Leute: ausgebildete Krankenschwestern, Akademiker. Und was macht man hier? Man erkennt ihre Abschlüsse nicht an, und statt noch ein, zwei Jahre Zeit und Geld zu investieren, um ihre Kenntnisse mit dem hiesigen System kompatibel zu machen, schickt man sie in einfachste Jobs, lässt sie putzen oder sich als Hilfsarbeiter verdingen.
Ergebnis: Der Volksmund schimpft über die Russlanddeutschen und die Wirtschaft sucht im Ausland nach Fachkräften. Prima. Richtig gut gelöst...
Die Wirtschaft sucht im Ausland nach Fachkräften... Die man dann sicher gerne einbürgern würde, um sie auch hier zu halten. Das Dumme ist nur, sie findet kaum welche. Woran mag das liegen? Vielleicht an einer Atmosphäre in diesem Land - für die RiSchäBoCo ein Beispiel abgeliefert hat - die Deutschland für "gute" Einwanderer unbequem und unattraktiv macht. Weil die eine Alternative haben. Die gehen dorthin, wo man sie auch wirklich "will", nicht nur wegen ihrer Kenntisse. Wo sie willkommen sind.
Vorgestern abend kam eine Reportage über Mügeln, wo letzten August Inder vom Mob gehetzt wurden und nur knapp Schlimmerem entgangen sind.
Mügeln hat rd. 5.000 Einwohner. Der Bürgermeister stellte sich ein Jahr später vor die Kamera und erzählte allen Ernstes, man habe in Mügeln nunmal einiges an Ausländern.
Wieviele?
27. Österreicher, Schweizer, die Türken und eben die Inder.
Das ist nicht einmal ein Prozent!
Aber trotzdem...
Solange so etwas keinen Proteststurm auslöst, brauchen wir uns nicht zu wundern. Wird sich nix ändern. Und wir sind selber schuld dran.
Viele Grüße
Petra
P.S.: Das "Oberhaupt" der Mügelner Inder ist keinesfalls vom Sozialstaat abhängig. Er betreibt eine Pizzeria und gibt zwei Deutschen einen Arbeitsplatz...