Die wahren Beißer sind nicht erfasst
Bundesverfassungsgericht fällt Entscheidung über das Kampfhunde-Gesetz
erstellt 14.03.04, 20:37h
Ein Pitbull-Terrier-Mischling bellt. (Foto: ddp)
Halle/MZ. Ist die Gefährlichkeit eines Hundes von seiner Rasse abhängig? Das ist die zentrale Frage, die das Bundesverfassungsgericht am Dienstag zu beantworten hat. Mit der Entscheidung steht oder fällt das Kampfhunde-Gesetz des Bundes ebenso wie das vieler Bundesländer.
Danach sind Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier als besonders gefährliche Hunde eingestuft und ihr Import, Zucht, Handel unter Strafe gestellt.
Ich glaube, dass diese Regelung nicht länger haltbar ist. Nicht nur, weil zum Beispiel in Sachsen-Anhalt die landeseigene "Kampfhunde-Verordnung" schon vom Landesverfassungsgericht gekippt wurde. Alle Fachleute von Wissenschaftlern bis Polizeihundeführern betonen gebetsmühlenartig, dass das Problem am anderen Ende der Leine zu finden ist, beim Halter. Der müsse seinen Hund, egal welcher Rasse, kompetent und konsequent erziehen.
Vor allem aber meine ich, dass der Öffentlichkeit mit der bestehenden Kampfhunde-Regelung eine falsche Sicherheit vorgegaukelt wird. Die Ruhe an der Beißfront ist trügerisch. Denn laut Statistik sind nicht die als "Kampfhunde" eingestuften Tiere die wahren Beißer. An der Spitze steht der Liebling der Deutschen, der Schäferhund. Selbst Dackel beißen viel öfter als Pitbull und Co. Die letzten dramatischen Beiß-Attacken in Sachsen-Anhalt und in Mecklenburg-Vorpommern gingen von Rottweilern aus. Ein Baby wurde getötet, ein kleiner Junge schwer verletzt. Beide Opfer gehörten zur Familie der Hundehalter. Weder Schäferhund noch Rottweiler sind aber als "Kampfhunde" eingestuft. "Die Gefährlichkeit eines Hundes kann nur individuell festgestellt werden", haben deshalb auch die 52 Beschwerdeführer bei einer Anhörung im Bundesverfassungsgericht vorgetragen.
Sollten die höchsten Richter dieser Argumentation folgen, bleibt die Frage nach den Alternativen für den Gesetzgeber. Ein effektiver Schutz vor gefährlichen Hunden könne nur durch eine Kombination von "Wesenstest" für die Tiere verbunden mit einem Sachkundenachweis des Halters gewährleistet werden, sagen Fachleute. Bedeutet: Alle Hundehalter, von Dackel bis zum Kampfhunde-Besitzer, müssten eine Art Hunde-Führerschein ablegen. Egal wie: Die Politik muss neu nachdenken und schnell handeln.