Datum: 09.03.2000
Ressort: Lokales
Autor: Gilbert Schomaker
Präsident mit 41 Jahren
Helge Sodan, Jura-Professor an der FU, soll heute zum höchsten
Verfassungsrichter in Berlin gewählt werden
Seine Vorlesung im vergangenen Wintersemester war eine
Pflichtveranstaltung für Jura-Studenten. Helge Sodan, Professor an der
Freien Universität (FU), dozierte über die Grundrechte. Damals, genau
gesagt seit Januar, befasste er sich schon mit dem Gedanken, sich bald
sehr viel konkreter mit den Grundrechten zu beschäftigen. Was damals nur
ein kleiner Kreis von Eingeweihten wusste, soll am Donnerstag beschlossen
werden: Der 41-jährige Professor wird vom Abgeordnetenhaus zum neuen
Präsidenten des Berliner Verfassungsgerichts gewählt werden.
Seine juristische Karriere begann der geborene Berliner bei seinem
Vorgänger im Amt des Verfassungsgerichtspräsidenten. Bei dem angesehenen
Rechts-Professor Klaus Finkelnburg promovierte Sodan. Aber als
Finkelnburgs Ziehkind will der Vater zweier Töchter nicht gelten. Denn
nach seinem Doktortitel verließ er Berlin und die FU für zehn Jahre. An
den Universitäten von Hannover und Erlangen-Nürnberg sammelte er
juristische Erfahrungen und so viel Annerkennung in den Bereichen des
Staats- und Verwaltungsrechts sowie des Sozial- und öffentlichen
Wirtschaftsrechts, dass er sich im Wettbewerb um einen Lehrstuhl an der FU
durchsetzen konnte.
Michael Braun, selbst Rechtsanwalt und CDU-Abgeordneter, sprach von "einem
der großen deutschen Talente im Bereich des Verfassungsrechts". Sodan sei
menschlich ein ausgleichender, umgänglicher Typ, fügte Uwe Lehmann-Brauns,
auch Anwalt und CDU-Politiker hinzu. Das offene Lob spenden jene, die
Sodan vorgeschlagen haben für das höchste Richteramt in Berlin. Sodans
Kritiker kommen aus dem linken politischen Spektrum und wollen ungenannt
bleiben. Weil es sich nicht schickt, nach einem Jahr des Parteiengezänks
um die Besetzung des Verfassungsgerichts und der nun möglichen Einigung
den neuen Präsidenten gleich zu zerreden, fiel die Kritik auch eher
wortkarg aus. Konservativ sei er und ein Hardliner, hieß es.
Derartiger Kritik begegnet Sodan mit dem Hinweis auf sein
Grundrechtsverständnis einer liberalen Rechtsordnung. Die Grundrechte
sollten den Bürger vor zu starken Eingriffen des Staates schützen. Nach
Sodans Verständnis soll sich auch die Wirtschaft im Wesentlichen frei
entfalten können.
Der Professor versteht sich nicht als Wissenschaftler im Elfenbeinturm.
Wiederholt äußerte er sich in Artikeln zu verfassungsrechtlichen
Problemen, wie der ersten Fassung des 620-Mark-Gesetzes oder der
beabsichtigten politischen Eingriffe des Bundesfinanzministers in die
Politik der Bundesbank.
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Aber als Verfassungsgerichtspräsident wird er kaum das Parteibuch über den
juristischen Kommentar stellen. "Mit 41 Jahren hat er seine Karriere noch
vor sich", sagte Michael Braun, "durch parteipolitische Entscheidungen
wird er seinen Ruf nicht leichtfertig ruinieren."
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Wahl der Verfassungsrichter
Blockaden ohne "Gesichtsverlust" aufgelöst
Parteien einigen sich auf Neuwahl von fünf Verfassungsrichtern - Helge
Sodan neuer Gerichtspräsident
Brigitte Grunert
Der Neuwahl von fünf der neun Mitglieder des Berliner
Verfassungsgerichtshofes steht in der Parlamentssitzung am Donnerstag
nichts mehr entgegen. Nach einjährigem erbittertem Proporzstreit kommen
nunmehr alle vier Fraktionen mit Kandidaten zum Zuge. Die Kuh wurde erst
gestern vom Eis gezogen. Die CDU verzichtete auf einen ihrer drei
Kandidaten zu Gunsten der Grünen, stellt aber wieder den
Verfassungsgerichtspräsidenten. Die Grünen ihrerseits präsentieren einen
neuen Kandidaten. Damit wurden die Blockaden ohne "Gesichtsverluste"
gelöst.
Neuer Präsident des Verfassungsgerichts wird Helge Sodan (CDU,
FU-Professor für Staats- und Verwaltungsrecht). Ferner nominierte die CDU
den Rechtsanwalt Dietrich Mahlo, der früher dem Abgeordnetenhaus und dem
Bundestag angehört hatte. SPD-Kandidat ist Andreas Knuth (SPD,
Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder). Die PDS hat
die parteilose Rechtsanwältin Martina Zünkler benannt. Neuer Kandidat der
Grünen ist Rechtsanwalt Klaus Martin Groth (Grüne); er war 1989/90
Staatssekretär der damaligen Umweltsenatorin Michaele Schreyer (Grüne) und
von 1977 bis 1986 Verwaltungsrichter.
Dafür zogen die Grünen den Anwalt Matthias Zieger (Grüne) zurück, den die
CDU zuletzt nicht akzeptierte. Nach Angaben von CDU-Fraktionschef Klaus
Landowsky verzichtete sein parteiloser Kandidat Herbert Bültmann
(Präsident des Finanzgerichts) gestern von sich aus. Landowsky hatte
kürzlich den Verzicht auf Bültmann zu Gunsten eines anderen "Unabhängigen"
angedeutet.
Verfassungsrichter werden für einmalig sieben Jahre bestellt und brauchen
für ihre Wahl die zweidrittelmehrheit. Sie amtieren ehrenamtlich und
erhalten eine Entschädigung. Die reguläre Amtszeit der fünf
Verfassungsrichter, die mit der Wahl ihrer Nachfolger ausscheiden, ist
bereits am 26. März 1999 abgelaufen. Es handelt sich um Präsident Klaus
Finkelnburg (CDU, Rechtsanwalt), Hans-Joachim Driehaus (CDU, Vorsitzender
Richter am Bundesverwaltungsgericht), Klaus Eschen (SPD, Notar), Veronika
Arendt-Rojahn (Grüne, Rechtsanwältin), Philipp Kunig (FDP,
Staatsrechtsprofessor). Bis 2004/2005 amtieren weiter: Vizepräsident
Storost (Richter am Bundesverwaltungsgericht), Renate Möcke (SPD,
Vorsitzende Richterin am Landgericht), Albrecht Randelzhofer (CDU,
FU-Professor für Staatsrecht, Angelika Bellinger (CDU, Anwältin).
Der Streit drehte sich in den letzten Monaten um den CDU-Anspruch,
insgesamt fünf der neun Verfassungsrichter zu stellen; dann wären die
Grünen leer ausgegangen. Dagegen machten die Opposition und die SPD
konsequent Front. Im vergangenen Jahr hatten CDU und SPD wahlkampfträchtig
um den Gerichtspräsidenten gestritten. Die SPD versuchte diesmal
vergeblich, den Präsidenten stellen. Sie hatte den amtierenden
Vizepräsidenten Ulrich Storost (SPD) vorgeschlagen. Das lehnte die CDU ab.
CDU-Kandidat war damals der parteilose Dieter Wilke, der kürzlich als
Präsident des Oberverwaltungsgerichts in Pension ging. Schließlich zog die
CDU Wilke, die SPD Storost zurück.
www2.tagesspiegel.de/archiv/2000/03/07/ak-be-po-14067.html
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Neue Mitglieder für das Verfassungsgericht
Mit der Wahl ging ein ewiger Parteienstreit zu Ende
Gutes Ergebnis für alle Kandidaten, die für die einmalige Amtszeit von
sieben Jahren bestellt wurden
Brgitte Grunert
Der Staatsrechtler Helge Sodan (CDU) ist neuer Präsident des Berliner
Verfassungsgerichtshofes. Das Abgeordnetenhaus wählte ihn gestern zum
Nachfolger Klaus Finkelnburgs (CDU) und vier weitere Juristen zu
Verfassungsrichtern. Alle wurden für die einmalige Amtszeit von sieben
Jahren bestellt. Sie traten sofort ihre Ehrenämter an.
Die fünf erhielten in geheimer Wahl deutlich mehr als die erforderliche
Zweidrittelmehrheit von 113 Stimmen der 169 Abgeordneten. Sodann bekam 150
Ja-Stimmen bei sechs Nein und sechs Enthaltungen. Eine der 163 abgegebenen
Stimmen war ungültig. Die neuen Richter sind: Dietrich Mahlo (CDU, 130 Ja,
11 Nein, 19 Enthaltungen, 4 Ungültig); Andreas Knuth (SPD, 151 Ja, 5 Nein,
6 Enthaltungen, 2 Ungültig); Martina Zünkler (Parteilos für die PDS, 143
Ja, 13 Nein, 7 Enthaltungen, 1 Ungültig). Und Klaus-Martin Groth (Grüne,
141 Ja, 10 Nein, 10 Enthaltungen, 2 Ungültig).
Die siebenjährige Amtszeit von Finkelnburg, Hans-Joachim Diehsaus (CDU),
Klaus Eschen (SPD), Veronika Arendt-Rojahn (Grüne) und Philipp Kunig (FDP)
war am 26. März 1999 abgelaufen. Die Fraktionen blockierten die Wahl der
Nachfolger jedoch ein Jahr lang mit ihrem erbitterten Proporzstreit. Im
Amt bleiben, bis 2004/2005 gewählt, Vizepräsident Ulrich Storost (SPD),
Renate Möcke (SPD), Albrecht Randelszhofer (CDU) und Angelika Bellinger
(CDU).
Helge Sodan (41, CDU), Präsident des Verfassungsgerichtshofes, ist in
Berlin geboren und hat an der Freien Universität Jura studiert. Der
bisherige Verfassungsgerichtspräsident Klaus Finkelnburg (CDU) war 1987
sein Doktorvater. Professor Sodan ist ein ausgewiesener Staats- und
Verfassungsrechtler, Mitautor einschlägiger Kommentare. Seine
wissenschaftliche Karriere führte ihn von der FU über die Universitäten
Hannover, Erlangen-Nürnberg und Regensburg zurück nach Berlin, wo er seit
1997 Professor an der FU ist. Er ist Geschäftsführender Direktor des
Instituts für Staatslehre, Staats- und Verwaltungsrecht, ferner
Vorsitzender der Gemeinsamen Kommission der Rechts- und
Wirtschaftswissenschaft der FU. In der CDU war er bis vor kurzem
Vorsitzender des Landesparteigerichts.
Martina Zünkler (45, parteilos) wurde auf Vorschlag der PDS als
Beisitzerin in den Verfassungsgerichtshof gewählt. Sie stammt aus
Rheda/Westfalen und studierte ebenfalls an der Freien Universität.
Zunächst machte sie dort ihr Staatsexamen in Politologie und Germanistik.
Danach studierte sie Rechtswissenschaften an der FU. 1991 ließ sich Frau
Zünkler als Rechtsanwältin in Friedenau nieder. Seit 1998 ist sie
Fachanwältin für Verwaltungsrecht in Prenzlauer Berg. Ihr
gesellschaftliches Engagement gilt der "Internationalen Liga für
Menschenrechte im Geiste von Carl von Ossietzky", deren Vizepräsidentin
sie ist.
Klaus-Martin Groth (52, Grüne) ist als früherer Staatssekretär in der
Berliner Politik ein bekanntes Gesicht. Er studierte Rechts-, Wirtschafts-
und Politikwissenschaften an der Freien Universität und promovierte dort
mit "summa cum laude" zum Dr. rer. pol. 1977 bis 1987 war er Richter am
Berliner Verwaltungsgericht. Dann ging er ins Hessische Umweltministerium.
1988 wurde er Umweltdezernent in Hannover. Dem rot-grünen Senat diente er
1989/90 als Staatssekretärin der Umweltsenatorin Michaele Schreyer. Seit
1991 ist Groth Rechtsanwalt in Berlin. Auch er machte sich mit
juristischen Publikationen einen Namen.
Andreas Knuth (SPD), der vor seinem 44. Geburtstag steht, ist seit Februar
1999 Vizepräsident des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder). Der gebürtige
Berliner studierte an der FU, machte als Verwaltungsrichter Karriere und
kennt sich besonders im Asyl-, Bau-, Umwelt- und Rundfunkrecht aus. Er war
seit 1987 Richter am Berliner Verwaltungsgericht, wechselte 1995 als
wissenschaftlicher Mitarbeiter zum Bundesverwaltungsgericht und wurde ein
Jahr später Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Potsdam. 1999 ging
er nach Frankfurt (Oder). Mit juristischen Veröffentlichungen trat er im
Bau- und Planungsrecht hervor. Knuth war in der SPD Neukölln engagiert.
Dietrich Mahlo (65, CDU) ist ebenfalls Berliner und in der Stadtpolitik
gut bekannt. Mahlo ging nach dem Jurastudium in Bonn, Berlin, Lausanne und
Hamburg und der Promotion im Völkerrecht 1964 zunächst in den
Diplomatischen Dienst, ließ sich aber 1972 als Rechtsanwalt in Berlin
nieder. Seither spielte er eine Rolle in der CDU, zunächst in Wilmersdorf.
Er gehörte von 1979 bis 1987 dem Abgeordnetenhaus an. Dann wechselte er in
den Bundestag, für den er zur Wahl 1998 nicht mehr kandidierte. Mahlo
zählt zum Freundeskreis der CDU-Politiker Uwe Lehmann-Brauns und Volker
Hassemer.
www2.tagesspiegel.de/archiv/2000/03/09/ak-be-st-14077.html
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Wörter und Papier sind geduldig ...
Helge Sodan
Das Prinzip der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (S. 864)
Hypertrophie und Zersplitterung der Normgebung fuehren zu kompententiellen
und materiellen Widerspruechen. Der Rechtsstaat als Ordnung des Rechts
verliert zunehmend an Wirklichkeit. Kaum mehr ueberschaubares Recht buesst
seine befriedende und ordnende Funktion ein. Das BVerfG leitet aus dem
Rechtsstaats- und Bundesstaatsrpinzip das Prinzip der Widerspruchsfreiht
der Rechtsordnung her. Dieses fundamentale Prinzip folgt jedoch auch aus
anderen Strukturprinzipien des Grundgesetzes. Darueber hinaus erfordern
bereits wissenschaftstheoretische Grundsaetze das Prinzip der
Rechtseinheit als vorpositives Prinzip jeder Verfassung. Auf der Grundlage
von Methodenlehre sowie Verfassung sind die vertikalen und horizontalen
Dimensionen der Einheit der Rechtsordnung zu entfalten. Gerade die Idee
Europaeischer Rechtseinheit erzwingt die Restauration des Prinzips
systematischer, universaler Einheit des Rechts.
la loca