Danke Dir - das meine ich ja -
beim Menschen sehe ich nicht die Gefahr, dass er "böse" geboren wird.
Aber warum ist es dann beim Tier so ?
"Böse" ist natürlich ein unpassendes Wort.
Aber ich kenne Zuchtlinien, bei Pferden und Hunden,
wo die Tiere trotz guter Behandlung schneller nervös werden und
schon zu Temperamentsausbrüchen neigen.
Diese "Veranlagung" zum Ausflippen (nennen wir sie ruhig "mangelnde Stressfestigkeit") gibt es beim Menschen definitiv genauso. (Ich spreche da aus leidvoller Erfahrung...
) Das hat u.a. was mit irgendwelchen Neurotransmittern (also den Botenstoffe, die die Nervensignale weiterleiten) bzw. den zugehörigen Rezeptoren (den Kontaktstellen im Gehirn) zu tun.
Und dann auch mit dem ausgeschütteten Adrenalin, dem Schilddrüsenstatus usw.
Und es gibt auch definitiv die
Veranlagung zu mangelnder "Empathie" (hallo, Pixel... - da isses wieder, das böse Wort...
), also der Fähigkeit, sich in andere einzufühlen oder deren Gefühle nach- bzw. mitzuempfinden, wenn die Zahl der dafür zuständigen Nervenzellen im Gehirn zu niedrig ist oder sie nicht richtig funktionieren. (Wobei das aber mWn nicht angeboren sein muss, sondern auch zB im Rahmen der Embryonalentwicklung, zB durch Schädigung des Babys im Mutterleib oder während der frühkindlichen Entwicklung eintreten kann.
marismena schrieb:
Ist es beim Menschen deswegen grundlegend anders, weil er
sein angeborenes Temperament natürlich kontrollieren wird,
wenn er in einem vernünftigen Umfeld lebt ?
Ich würde nicht sagen: Es ist beim Menschen anders, weil er sein Temperament kontrollieren
wird... - das ist ja sehr häufig leider nicht der Fall.
Es ist aber insofern anders, als er sein Temperament grundsätzlich kontrollieren
kann.
Damit meine ich: Nicht jeder Mensch kann das gleich gut. Ob und wie gut es klappt, hängt neben der genetischen Veranlagung (nenne wir sie ruhig das "Nervenkostüm"
) von den Verhaltensstrategien ab, die man im Laufe seines Lebens so zur Krisenbewältigung erlernt hat. Und die hängen u.a. davon ab, was man vorgelebt bekommt, aber auch, womit man selbst in seiner weiteren Umgebung Erfolg hat, womit man also durchkommt, und womit man bei seinen Mitmenschen gar nicht gut ankommt ("soziale Kontrolle").
Aber rein grundsätzlich bringt der Mensch durchaus (mit wenigen Ausnahmen) die Fähigkeit mit, mit dem Kopf gegen den Bauch zu entscheiden - sich also bewusst für eine Verhaltensweise zu entscheiden, wo er intuitiv eine andere wählen würde.
Das können manche Tiere zwar tatsächlich auch - aber in deutlich geringerem Umfang als Menschen. Ich vermute (das ist aber nur meine Meinung, nix wiss. belegtes), weil Tiere keine Sprache haben und eine Situation nicht verbal analysieren können (Etwas nicht als Bild zu erleben, sondern in Worte umzusetzen, setzt ja ein gewisses Abstraktionsvermögen voraus und schafft automatisch etwas Abstand zum Geschehen).
marismena schrieb:
Beim Pferd / Hund erreiche ich natürlich auch viel,
aber ich fürchte ich kann ein Restrisiko nicht ausschliessen.
Beim Menschen ist es offenbar anders.
Nein, da ist es nicht
anders. Das Restrisiko ist nur - mit etwas Glück - kleiner.
by the way : vielleicht ist der Begriff "böse" an sich falsch ?
vielleicht geht es nur um die Reizschwelle, wie schnell aggrsssiv
reagiert wird ?
Aggression ist ja in der Natur auch überlebenswichtig...!
Sehr viele Verhaltensforscher argumentieren genauso, und ich finde diesen Gedanken an sich auch vernünftig.
Aggressionen sind auch heute noch (in einem gewissen Rahmen) überlebenswichtig.
Und wenn's nur ist, weil man mit genügend Energie "Nein!" sagt und sich nicht von jedem anderen alles gefallen lässt, sondern Grenzen setzt und Übergriffe abwehrt.
Allerdings muss man auch unterscheiden zwischen Gewalt, die bei einem "aggressiven Ausbruch" (sagen wir, einem cholerischen Anfall, quasi im Affekt bzw. aus einer Stresssituation heraus) ausgeübt wird, und der
kontrollierten Ausübung von Gewalt Schwächeren oder Wehrlosen gegenüber (wie in diesem Fall).
DIE hat ja an sich überhaupt keinen (biologischen) Sinn und Zweck.
Für den Ausübenden ist sie möglicherweise ein Ventil zum Stress- und Frustabbau (ohne Risiko für sich selbst). Und ein Mittel zur "Selbst-Erhöhung".
Unter Umständen auch Äußerung einer tiefgreifenden Persönlichkeitsstörung, die sich plötzlich Bahn bricht, oder auch von Wahnvorstellungen...
Wenn man den vorliegenden Fall nimmt, könnte man sich folgendes Vorstellen:
1) Jemand hat Langeweile, Hunde bedeuten ihm nichts, also macht er sowas einfach. Diese Vorstellung finde ich realistisch, aber im Grunde sogar am schlimmsten.
2) Jemand hat einen Hass auf gebärende Frauen. Da er sich nicht "traut", den an Menschen auszuleben ("soziale Kontrolle"), vergreift er oder sie sich stellvertretend an einem Hund.
3) Jemand hat Wahnvorstellungen und die Zwangsvorstellung, so etwas tun zu müssen, weil er Schizophren ist oder unter Drogen steht - da ist dann eigentlich klar, dass ohne Therapie/Entzug dieser Person nicht zu helfen ist und "Einsicht" vorher von ihr nicht zu erwarten ist.
Beispiele 2 und 3 zeigen "gestörte" Personen, die ohne diese Störung anders handeln würden.
Beispiel 1, wo wir von einem ansonsten normal denkenden Menschen ausgehen, lässt die Frage offen, wozu eine solche Handlung "gut" sein soll. In diesem Fall würden wir die Tat am ehesten als "böse" klassifizieren.
Allerdings bleibt die Frage offen, was denn nun "böse" ist...
Antwort: Alles, was nicht gut ist.
Frage: Und was ist gut?
Antwort: Das kommt ganz drauf an...
Womit das vorherrschende Dilemma im Grunde recht gut beschrieben ist: Es definiert eben nicht jede Gesellschaft dieselben Dinge als "gut", und vermutlich könnte man sich weltweit nur auf sehr wenige gemeinsame Grundwerte einigen.
Den allermeisten Gesellschaften gemeinsam ist es allerdings, dass sich ihre Verhaltensregeld in erster Linie auf die eigene Gruppe beziehen und weniger auf andere. "Du sollst nicht töten" gilt dann eben nur für die eigenen Nachbarn und Verwandten, aber nicht die Leute von der anderen Seite des Flusses, denn die gehören nicht dazu.
Und in dem Moment, wo Tiere (oder Menschen!) in einer Gesellschaft nicht dazu gehören - bedeutet das leider für manche, dass man dann alles darf, und keine Regeln mehr gelten. Weil bestimmte Sachen nur "böse" sind, wenn sie bestimmte Leute/Lebewesen treffen, aber nicht andere.
Und ich denke, da wären wir dann beim Lernprozess, den Natalie beschrieben hat.
Letzte Frage : ist dann von Geburt an jedes Lebewesen "gut" ?
Oder hat es Veranlagungen, die einst das Überleben sicherten,
die nun, in unserer Gesellschaft natürlich fehl am Platze sind ?
Ich würde sagen: Klares Ja!
Aber was bringt der Mensch genetisch an Überlebensverhalten mit ?
( Du, ich frage das jetzt nicht, um zu provozieren
es interessiert mich ehrlich, ich mache mir Gedanken und merke, dass
Du da sehr kompetent bist )
Du hast es ja selbst schon beschrieben:
Aggression nach Adrenalinausstoß in Streßsituationen bzw. wenn man sich "angegriffen" fühlt (auch im übertragenen Sinne) wäre so ein Beispiel.
"Revierverhalten".
"Gruppendruck" - "Gemeinsam sind wir stärker, wer ausschert, gefährdet nicht nur sich selbst, sondern auch das Überleben der Gruppe".
Aber umgekehrt auch: Das Ausgrenzen unerwünschter, Kranker oder nicht anpassungsfähiger Leute aus demselben Grund: Schwächt die Gruppe.
Fremdenfeindlichkeit oder zumindest eine latente Abneigung gegen "welche von Außerhalb".
Diverse Phobien wie Spinnenangst, Angst vor Schlangen, Feuer usw... braucht man heute alle doch eher wenig, hat man aber noch.
Mehrn fällt mir grade nicht ein.
Ich kann aber auch Leute verstehen, die bspw. getötete Familiemitglieder rächen, weil der Therapeut mit dem Täter gerade Monopoly spielt, um rauszufinden warum er den Bruder/Schwester/Vater/Mutter/Sohn/Tochter getötet hat.
Hmmh - und das kann ich nicht. Also, nachvollziehen schon, verstehen - nicht. Weil es nichts ändert!
Außerdem würde ich denken, entweder ich räche mich am Täter, oder eben nicht. Aber ich räche mich bestimmt nicht nur
weil der Therapeut mit ihm Monopoly spielt... Ich denke, ich verstehe, was du meinst, aber das ist ein Gedankengang, der ist mir völlig fremd. Entweder, die Tat an sich ist rächenswert - dann aber auf jeden Fall, egal ob der Typ lebenslang im dunklen Kerker sitzt oder lebenslang Monopoly spielen muss - oder - naja, eben nicht...
Oder wird tatsächlich (das ist jetzt keine rhetorische Frage, sondern eine interessierte) das Verlangen nach Rache kleiner, wenn man den Eindruck hat, der Täter würde härter bestraft?
Ich könnte mir vorstellen, dass ein Kind, welches in der Kindheit ein Tier mal gequält hat, später ein schlechtes Gewissen hat und sagt: Gott, was habe ich damals nur getan?
Ja, das kann ich so bestätigen.
Ich war zB ein im Grunde sehr tierliebes Kind - und habe glaub ich so manches arme Viech zu Tode gespielt bzw. "gepflegt"... dass das völlig ohne böse Absicht passiert ist, ändert ja am Ergebnis nichts.
Pixel schrieb:
Mir selbst wurde (nicht das ich wüsste) in der Kindheit nie gesagt: Du darfst keine Tiere quälen. Ich für mich habe eher das Gefühl, das war halt einfach so als man älter wurde. Zumindestens kann ich mich nicht daran erinnern, das ich mal was schlimmes gemacht habe und meine Eltern mir gesagt haben: Nein, das darfst Du nicht. Man quält keine Tiere.
Oder kann sich jemand von euch expliziet daran erinnern sowas mal mitgeteilt bekommen zu haben?
Ja, öfters. Allerdings eher so im Stil von: "Das darfst du nicht, das ist Tierquälerei!" (im Grundschulalter) (womit schon klar war, Tierquälerei ist was Schlimmes... das muss also schon vorher irgendwann etabliert worden sein).
Mir sind jetzt spontan 3 Gelegenheiten eingefallen, und es waren, bis auf einmal, glaub ich jedesmal wildfremde Leute (und sie hatten Recht!) - also kam auch noch der Aspekt der sozialen Kontrolle zum Tragen. Nicht nur meine Eltern haben ein Auge drauf gehabt, sondern auch andere Leute.
Und im Moment erlebe ich es von der anderen Seite, und bin mehr oder weniger ständig dabei, gewisse Dinge gebetsmühlenartig zu wiederholen:
Mein Sohn hat seit einem halben Jahr eine massive Insektenphobie, und seitdem muss ich ihn permanent aktiv daran hindern, jeden Käfer und jede Ameise totzutreten, die seine Pfad kreuzt.
Es nervt mich nicht unerheblich. Aber ich gebe nicht auf.
Andererseits klatsche ich ja gelegentlich auch Fliegen oder Mücken (ne Mückenstichallergie hat er auch, und zwar heftigst), was das Ganze ein bisschen schwierig macht. (Wespen und Spinnen setze ich in der Regel raus. Bei den Fliegen schaffe ich es nicht, es sind einfach zu viele.)
Hat sich das nicht eher einfach so entwickelt und wenn man doch mal was gemacht hat (siehe Natalies Beispiel: Frösche aufgepustet, Spinnen die Beine ausgerissen etc) wusste man das es falsch ist, hat es aber trotzdem gemacht. Man weiss als Kind, das ist falsch, tut es aber trotzdem. Egal in welcher Hinsicht.
Bei mir definitiv nicht. Mir wurde gesagt, ob mein Verhalten in den Augen meiner Eltern richtig oder falsch war, und die haben es da an Deutlichkeit nicht fehlen lassen. Das betraf nicht nur den Umgang mit Tieren, sondern auch alles andere (den Umgang mit Süßigkeiten, Fernsehen, kleineren Geschwistern oder anderen Kindern) - und da ich ein relativ gutes Gedächtnis hatte, weiß ich das auch noch.
Manchmal habe ich natürlich trotzdem Sachen gemacht, die "falsch" waren (wenn auch als Kind eher selten), und tue das auch heute noch (vielleicht sogar mehr als früher). Aber ich denke, in meinem Fall war's tatsächlich so, dass ich die allerschlimmsten Katastrophen dann angerichtet habe, wenn ich mir
überhaupt nichts dabei gedacht habe und gar nicht auf die
Idee gekommen bin, das, was ich tue könnte
falsch sein.
[Anmerkung: Und dann, wenn ich anderen in dieser Beziehung mehr vertraut habe als mir selbst. Z.B. beim Spacko am Anfang. Da war die "Kopfentscheidung" genau die falsche.
]
Es geht ja auch nicht nur darum, sowas explizit gesagt zu bekommen, sondern auch es vorgelebt zu bekommen. Also wie verhalten sich denn die Eltern (sonstige Bezugspersonen) ggü. Tieren oder auch gegenüber Menschen. Ein Kind, welches mitbekommen, dass Papa der Mutti ständig einen vor die Glocke haut, lernt Gewalt einfach als probates Mittel und setzt das zunächst gegen schwächere ein.
Gegen Stärkere wär ja auch schön blöd.
Und ein Kind, dass von seinen Eltern immer, wenn es haut, zu hören kriegt: "Er
wehrt sich ja nur..." - das lernt dann auch: "Es ist okay, wenn ich haue. Papa und Mama mögen mich dann immer noch und es sind eh immer die Anderen Schuld."
Ansonsten kann man sich vielleicht nicht immer erinnern, dass es einem selbst gesagt wurde, weil man noch zu klein war. Aber ich erinnere mich gut, wie meinem jüngeren Bruder das gesagt wurde, als er mal mit den Nachbarsjungen Enteneier zerschmissen hat.
Ja, das war eine von den drei Gelegenheiten. Wobei wir die Eier nicht zerschmissen haben, sondern aus dem Nest geholt haben, um sie selbst auszubrüten. Leider hat das mit dem Draufsetzen nicht so gut funktioniert...
(Weiß auch nicht mehr, wer auf die glorreiche Idee gekommen ist), und die anderen haben wir zurückgebracht, aber die Enten hatten das Gelege schon aufgegeben. Das gab
Ärger... und es tut mir auch heute noch leid.
Kinder machen sowas, ohne es böse zu meinen
Unsere ersten Katzen waren erschreckend duldsam. Bisschen wie Djinanna schicki, auch wenn es keine Perser waren. Eine ist allerdings irgendwann zu den Nachbarn umgezogen und kam nur noch manchmal vorbei, wenn ihr der Sinn nach etwas Aufregung stand. Aber meine Eltern haben da durchaus steuernd eingegriffen: Ballons an den Schwanz binden oder den Katzen Kleider anziehen, sie an die Leine nehmen oder sowas war absolut nicht drin, und das wurde auch wieder aktiv
gesagt. Bei allem anderen hatte die Katze ja eine faire Chance, wegzugehen bzw. sich zur Wehr zu setzen (auch das war allen völlig klar: Katzen kratzen oder beißen, wenn es ihnen zu viel wird), und in dem Fall wären wir zwar verarztet, aber nicht bedauert worden.
Und die höchste Stufe der Moralentwicklung wird übrigens nur von einem recht geringen Teil der Menschheit überhaupt erreicht. Wobei man diese auch nicht erreichen muss, um Tiere nicht zu quälen).
Was ist denn die höchste Stufe der Moralentwicklung? Gibt es da tatsächlich sowas wie allgemein gültige Kriterien? (*Reine Neugier*)