Ich hatte hier glaube ich schon mal geschrieben, wie erstaunt ich bin, was selbst das "Robustpferd" Isländer mittlerweile alles so hat. Lahmheit, Rehe, Koliken, jetzt die Sache mit der Atmung.
In meinem ersten Reiterleben, das bis zur Mitte der neunziger Jahre gedauert hat, war mein Isländer der einzige, der chronisch krank war - er hatte eine Heuallergie, schon als ich ihn übernommen habe. Die Ekzemer jetzt mal außen vorgelassen, wobei ich mich da tatsächlich auch nur an einen erinnere.
Und das an einem Hof, auf dem immerhin mindestens 70 Isländer standen. So etwas wie Anweiden gab es auch nicht. Nicht mal eine Kolik habe ich je miterlebt. Am jetzigen Hof hat dagegen gefühlt ständig ein Pferd eine mehr oder weniger schwere Kolik. Oder auch Hufrehe. Früher Fehlanzeige.
Ich frage mich wirklich, woran das liegt. Früher standen unsere Isis 24/7 auf großen Koppeln. Reingeholt wurden sie nur kurz im Winter bzw. Frühjahr, damit das Gras auf den Koppeln wachsen konnte. Gefüttert wurde dann mit Heu, Heu- oder Silage waren unbekannt. Heute stehen sie üblicherweise tagsüber im Offenstall und nachts draußen. Zugefüttert bekamen sie nur im Training vor Turnieren etwas Kraftfutter. Und heute? Nach jeder Mini-Bewegungseinheit wird irgendein Futter reingeschoben. Niemand wäre früher auf die Idee gekommen, dem Pony eine Abschwitzdecke überzulegen. Auch scheren war unbekannt. Osteopath oder Physiotherapie? Gab's vielleicht für Menschen, aber nicht für die Isis.
Natürlich haben wir auf die Pferde achtgegeben. Oberste Priorität war ein gemäßigtes Reiten an warmen Frühjahrstagen, wenn sie noch einiges an Winterfell drauf hatten und noch wenig Kondition. Und ein trockenes Zurückstellen bzw. Heimkommen von Ausritt.
Alles in allem ist es mir ein Rätsel. Waren die Pferde früher robuster? War die Haltung besser? Werden die Pferde heute zu wenig gefordert?
Dass man heute mehr Krankheiten erkennt, glaube ich nicht. Hufrehe, Lahmheit und Co. waren ja selbstverständlich bekannt. Und dass ich eine verzerrte Wahrnehmung der Situation früher habe, könnte natürlich sein, kann ich mir aber nicht vorstellen. Es waren immerhin zwanzig Jahre, in denen ich geritten bin.
Das ist m.E in der Tat ein Haltungsproblem. Es werden viel zu viele Pferde auf viel zu kleinen Flächen gehalten und dieser Mangel an natürlicher Bewegung wird leider keineswegs durch Arbeit auch nur ansatzweise ausgeglichen. Pferdehaltung darf möglichst wenig kosten, also wird an Fläche gespart. Ein Pferd ist nicht dafür gemacht, auf 3 x 4 m mit kleiner "Terrasse" und stundenweisem "Auslauf" auf kleinen "Weiden" gemacht. Bewegungs- und Verdauungsapparat, auch das Atmungssystem sind auf ständige, langsame Fortbewegung und dabei ständiger, langsamer Futteraufnahme draußen "konstruiert". Das sind Steppentiere, keine Höhlenbewohner.
Weniger ist in der Pferdehaltung mehr. Große Weideflächen, 24/7 die Möglichkeit, sich auf großen Flächen frei zu bewegen und Futter zu "suchen", puristische Fütterung, Kraftfutter, wenn nötig, also nur für wirklich arbeitende Tiere, nicht, weil das Herzchen so nett guckt und immer "Hunger" hat. Es ist schier unglaublich, was besorgte Waldorf-Pferdemuttis in ihre Lieblinge so an Müslis, Zusatzfutter & Co. hineinstopfen.
Meine Pferde können sich 24/7 frei bewegen. Heu gibt es im Winter aus Raufen, sonst Gras und etwas Futterstroh und das war's. Wer wirklich gearbeitet hat, bekommt zur "Belohnung" etwas frisch gequetschten Hafer und aus die Maus. Keine Melasse, kein sündhaft teures Müsli, keine drolfzig Pülverchen. Übrigens kenne ich nicht ein einziges Pferd, welches mit kleinen Mengen Hafer in guter Qualität ein Problem hatte, auch wenn das von vielen Pferdehalterinnen häufig vermutet wird.
Ich hatte hier in den letzten 20 Jahren bei bis zu 35 Pferden weder jemals eine Kolik noch irgendwelche Sehnenschäden. Sehnenschäden und Arthrose sind wohl häufig Aufzuchtschäden bzw. Zuchtschäden. Die Stute ist schon mit 8 Jahren dauerlahm. Macht nicht, wenigstens Fohlen kann sie ja noch bekommen... Die Fohlen werden möglichst früh im Jahr geboren und stehen dann mit Mutter erst mal von Januar bis Mai in der kuscheligen Box mit schöner weicher Einstreu. Kolik ist nach meiner Erfahrung fast ausschließlich auf Fütterungsfehler bei mangelnder Bewegung zurückzuführen. Ausnahmen bedeuten natürlich Tumore etc.,
Würde ein Pferd bei 15° und Nieselregen eine Regendecke benötigen, würde es wohl damit geboren werden .Pferde sind extreme Klimawiderständler. Die Offenställe nutzen meine fast ausschließlich bei Sonne und Hitze.
Problem dabei, halbwegs artgerechte Pferdehaltung kostet richtig viel Geld. Zumindest rund um die Offenställe müssen große Flächen befestigt werden, damit die Pferde im Winter nicht im Schlamm versinken und man kann nur vergleichsweise wenige Pferde auf den Flächen halten...
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