Wenn man die Geschichte genau betrachtet, müßte es dann ja doch ein Aggressionsgen geben, dass sich schnell weitergeben läßt!? Oder sehe ich das jetzt falsch?
Das siehts du falsch. Oder vielmehr, du siehst es zu vereinfacht.
Es gibt ein paar Krankheiten oder sonstige Merkmale, die durch ein einziges Gen festgelegt bzw. verursacht werden. Beispiel: Der Merle-Faktor. Manche Krebsarten. Beim Menschen: zB Mukoviszidose.
Dann gibt es aber auch Krankheiten oder Merkmale, wo mehrere Gene eine Rolle spielen, und Störungen in mehreren Genen ein ähnliches Krankheitsbild auslösen können.
Taubheit wäre zB so ein Fall: Es gibt mehrere Gene, die gestört sein können und dafür sorgen, das sich zB das Innenohr nicht richtig ausbildet. Dann gibt es vielleicht eins, das dafür sorgt, dass die Flimmerhärchen im Ohr nicht vorhanden sind, oder eines, das für ein verknöchertes Trommelfell sorgt, oder... - und immer ist das Ergebnis Taubheit, die genetische Ursache - und damit der Erbgang, können aber komplett unterschiedlich sein.
Etwas ähnliches könnte ich mir für die "idiopathische " Aggression auch vorstellen. (idiopathisch heißt übrigens genau das: Die genaue Ursache ist nicht bekannt
Ich meine, Dodman hätte beschrieben, dass er in einigen Fällen mit Anti-Epileptika Erfolg hatte, in anderen aber nicht. Also wäre es durchaus möglich, dass ein neurologisches Problem(Epilepsie-artige Ausfälle)
oder ein Stoffwechselproblem die Ursache sind. Man wird dem Hund nicht ansehen, warum er plötzlich austickt, er tut es halt einfach.
Es gibt aber auch sehr viele Krankheiten oder Merkmale, die "multifaktoriell" sind: Es muss eine bestimmte Menge an auslösenden Faktoren bei einem Betroffenen vorkommen (ich sag mal: Es gibt vielleicht 40 verschiedene, und 15 davon müssen vorhanden sein, nur als Beispiel), damit er Symptome zeigt.
Diese auslösenden Faktoren sind oft nicht nur genetisch, sondern die Umwelt spielt auch noch eine Rolle. Es ist also sehr schwierig, da von einem Erbgang oder "dem Gen", dass diese Krankheit auslöst, zu sprechen, weil es "das Gen" nicht gibt.
In diesem Zusammenhang wird aber auch deutlich, warum bei extremer Inzucht, wie bei den vermehrten Modehunden, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass so etwas auftritt.
Wenn es einmal im Genpool drin ist, kann es passieren, dass sich diese Faktoren in einer Inzuchtlinie quasi aufkonzentrieren - kämen andere Erbanlagen von außen dazu, wäre die Wahrscheinlichkeit nicht so groß, dass die Nachkommen mehrere Auslöser geerbt hätten.
Ist das verständlich, oder verwirre ich euch?