Man könnte gerade derzeit vom "ganz normalen Bürger" sehr viel lernen und vielleicht sind wir in Deutschland ja endlich mal an einem Punkt angekommen, wo sich "die Politik" heraus bewegen muss aus ihrer Welt, damit in Zukunft nicht die gleichen Probleme gemacht werden wie in der Vergangenheit.
Genau das meinte ich. Und ich habe durchaus das Gefühl, als könnte da gerade mal - und sei es für kurze Zeit - etwas in Bewegung geraten sein.
Empfände ich als Gewinn, aber vielleicht bleibt es wieder einmal ein frommer Wunsch. Müssen wir abwarten.
Mein Gefühl ist (natürlich bin ich "hier im Lande" immer noch ein Neuankömmling und größtenteils bisher stiller Beobachter gewesen), dass sich hier gerade viel zum Positiven verschoben hat.
Ich komme aus einer Gegend, wo Nachbarschaftshilfe und ehrenamtliches Engagement ohne großes Gedöns relativ groß geschrieben wird und Integration relativ gut funktioniert, weil in der ganzen Region jeder um ein paar Ecken irgendwie jeden kennt oder zumindest gemeinsame Bekannte hat. Angst vor dem so richtig Fremden ist dann die Angst vor dem Unvorstellbaren Unbekannte, die sich bei Erstkontakt oft erfreulich schnell in Luft auflöst oder zumindest auf Normalmaß schrumpft. Damit das funktioniert, ist aber ganz wichtig,
dass im Wesentlichen jeder jeden kennt.
Ich habe neulich mal eine Sendung gesehen, da ging es unter anderem um die Loveparade in Duisburg, und darum, dass das Unglück auch passiert ist, weil niemand sich für alles zuständig fühlte, jeder immer nur sagte: "Ich war das aber nicht", jeder der Helfer sich irgendwie alleingelassen fühlte, die Opfer, aber auch Teile der Angeklagten sowieso.
Und als Gegenbeispiel dafür wurde das Zugunglück in Eschede 1998 genannt, wo die Selbstorganisation der Helfer hervorragend geklappt habe etc pp.
Mein erster Gedanke war tatsächlich: Das war aber
ländliches Niedersachsen. Die Leute da sind gewohnt, selbst zu helfen (vieles läuft eben auch und teilweise
nur über Ehrenamt - freiwillige Feuerwehr, Rettungsdienste, DLRG), man kennt sich, jeder weiß, wen er wann anrufen muss... da würde das auch heute noch funktionieren.
(Da war es zB auch so, dass meine Kollegen und ich, die alle an der Uniklinik arbeiteten, uns sofort als registrierte Blutspender auf Abruf in der Blutbank der Klinik meldeten, weil völlig klar war, dass sehr viele Schwerverletzte dort landen würden - so viele so große Kliniken mit Spezialisten gibt es im ganzen Land ja nicht. Wir waren alle erfasste Blutspender dort im Haus, hatten beruflich dort in der Blutbank sowieso regelmäßig zu tun, wussten also, wen es anzurufen galt und wussten, dass es nötig sein könnte, also wurde das gemacht. Fertig.)
Während mein Eindruck vom Rheinland und Ruhrgebiet war: Das ist hier so groß, es gibt so viele Menschen, Einrichtungen, Institutionen auf so engem Raum, dass niemand sie alle kennen kann und immer nur das Gefühl hat,
jetzt gerade aber nicht zuständig zu sein und dann mal lieber erstmal nix zu machen. Nicht, weil die Menschen "schlechter" sind. Sondern weil sie gar nicht wissen (können), wann sie dran wären. Und es dann evtl. auch gar nicht erst versuchen.
Jetzt gerade weiß man es aber. Und jeder, der helfen möchte, kann das tun und wird gebraucht. So viel ist klar. Also
tun die Leute das ganz einfach.
Und die Politiker stehen daneben, wundern sich und... denken um. Oder überhaupt mal ganz neue Dinge. Nämlich unter anderem, dass Bürgerbeteiligung nicht immer was Schlechtes sein muss...
Im Moment würde ich - wie gesagt, sozusagen als halb-externer Beobachter - denken, das hat dem Land gut getan.