Nochmal eine Beitrag zu Sprache und Integration:
Da meine beiden Jungs extrem gern mit türkischen Kindern (vor allem türkischen Mädchen) spielten, kenne ich auf Bekanntenbasis verschiedenste davon.
(Woher diese Vorliebe dafür kommt, von kleinen, dunkelhaarigen, pummeligen und extrem energischen weiblichen Wesen herumgescheucht zu werden, ist mir ein Rätsel, keiner von uns hier sieht so aus. Jemand hat schonmal gemeint, das sei vielleicht genetisch...
)
Und ich kann daher vermelden:
Abgesehen von der akademisch gebildeten Oberschicht, die sozusagen komplett integriert in der polyglotten, weltläufigen, akademisch geprägten Gesellschaft hier am Ort mitschwimmt, ist die Gemeinde tief gespalten in Pro- und contra-Erdogan. (Letztere sind sich untereinander aber uneins, warum sie ihn nicht mögen). Das geht so weit, dass die Kinder außerhalb der Schule oder Kindergärten nicht miteinander spielen dürfen.
Unabhängig davon sind die Milleus dort aber sehr ähnlich, und denen ist schon gemeinsam, dass sie viel miteinander (also ihrer jeweiligen Bezugsgruppe) und wenig mit anderen Leuten unternehmen. Wobei die türkische ähnlich wie die griechische Grundeinstellung und auch der jeweilige Staat es den Leuten auch nicht leicht macht, sich anders zu orientieren (etwa durch massvie Nachteile bei Aufgabe der Staatsbürgerschaft).
Aber: Diese Leute haben alle einen Beruf. Die Männer sind meistens Handwerker, die Frauen Arzthelferinnen, Buchhalterinnen, Sekretärinnen, Erzieherinnen etc. Die Kinder sind gut erzogen und machen jeweils Ausbildungen oder gehen auf's Berufskolleg oder auf's Gymnasium. Manche konnten anfangs im Kindergarten noch kein Deutsch, aber haben es alle in Rekordzeit gelernt. Herumgegammelt wird da nicht. Miteinander wird je nach Thema Türkisch oder Deutsch gesprochen, manchmal auch mitten im Satz gewechselt. Alle zahlen Steuern und sind in Sachen Gesetze teils pingeliger als jeder Deutsche. Du kannst bei allen vom Fußboden essen. Die Frauen sind so gut organisiert, dass sie mir etwas Angst machen und es mir teils echt unangenehm war, die bei mir ins Haus zu bitten. Hier ist es ja eher flodderig, leider. (Das lag nicht daran, dass es Türken waren, es wäre mir bei einer Super-Hausfrau aus D ebenfalls extrem unangenehm.)
Ach ja: Und die Kinder wurden zu 90% auf der (ehemalig rein) katholischen Grundschule angemeldet, weil da noch Zucht und Ordnung herrscht und nicht so ein modernes, pädagogisches Wischiwaschi-Larifari.
Und wenigstens haben die Leute da schonmal von "Religion" gehört und respektieren diese (!).
(Katholiken wie Muslime sind übrigens regelmäßg sehr überrascht, wenn sie hören, dass eigener katholischer bzw. evangelischer Religionsunterricht und Kirchenbesuch auch in der städtischen Gemeinschaftsgrundschule (auf die meine Kinder gehen bzw. gingen) Pflicht sind, die bilden sich beide ein, die Schule sei "atheistisch"...
)
Die sind so semi-integriert, natürlich. Die haben einen türkischen Bekanntenkreis, können nicht nachvollziehen, warum mein Mann seinen türkischen Wurzeln nicht mehr nachspüren will, haben sich teils persönlich bei mir entschuldigt, als ich ihnen erzählt habe, dass mein verstorbener Ex-Schwiegervater wohl ein ziemlicher Hallodri war... (Waren dann fast erleichtert, als ich sagte, dass er vermutlich gar kein Türke, sondern Kurde gewesen sei, der auch
das verschwiegen hatte, um die Dinge nicht zu verkomplizieren... ) Gucken auch türkische Nachrichten eher als deutsche.
Aber die leben so ihr Leben, treten niemandem auf die Füße, machen ganz normale Dinge, unternehmen viel miteinander - nur eben meist miteinander, weniger mit anderen.
Aber die haben einen Platz hier in der Gellschaft und füllen den auch aus. Die erlernen Berufe, die den Deutschen zunehmend zu mühsam sind oder für die gar nicht genug Leute da sind und machen diese gut. Ich fühle mich durch deren Dasein nicht bedroht und sehe da wenig "Übernahmeambitionen", auch wenn die ihre eigene Untergruppe in unserem Städtchen bilden.
Krasses anderes Beispiel, wenn man Spracherwerb als Basis für gelungene Integration ansieht:
Bekannte von mir, er irgendwas Führendes in einer großen Firma, sie VWLerin, mittlerweile auch wieder mit einem sehr gut dotierten Job.
Er ist Franzose, spricht extrem gut Englisch und rudimentär Spanisch. Sie ist Südamerikanerin und spricht fließend Spanisch, Portugiesisch, Französisch, Englisch. Drei Kinder. Sprachen im Haushalt: Französisch und Spanisch.
Eigentlich wollten sie in England bleiben, wo die ältesten Kinder auch eingeschult wurden - dann kam der Brexit und die Alternative beim AG des Mannes war Deutschland.
Ok... sagen wir es so: Die Kinder konnten anfangs in drei bis vier Sprachen fließend schweigen.
(Und brauchten alle je ein Jahr länger für die Grundschule, bis sie das aufgeholt hatten). Werden aber jetzt wohl alle drei das Gymnasium gut schaffen.
Der Vater kann jetzt, nach 4 Jahren in D, das allernötigste, um auch mal auf Deutsch zu antworten. Die Mutter spricht besser, aber weit von "fließend" entfernt. Im Zweifel gibt es aber ja genug Sprachen, auf die man ausweichen kann, um Missverständnisse oder offene Fragen zu klären.
Die Eltern sind in ihrer - Bildungsbürger-geprägten - Nachbarschaft, Sportvereinen und so weiter, voll integriert. Es stört keinen, dass ihre fremdsprachlichen Kapzitäten anscheinend beim Erlernen von Sprache No. 3 und No. 5 erschöpft waren und "mangelnden Integrationswillen" hat ihnen auch noch keiner vorgeworfen. Ich sehe den da auch nicht. Hätten die als Arbeitssprache oder Sprache im Haushalt Deutsch, könnten sie es sicher auch besser. Haben sie aber nicht und mit den Kindern sprechen sie eben jeder ihre Muttersprache, damit die sie nicht verlernen. Dann ist es halt so.
An der Sprache allein kann man das also nicht festmachen.
Da sind die Begabungen einfach auch unterschiedlich verteilt.
Mein Opa mütterlicherseits hat Zeit seines Lebens nur mit sehr starken Akzent Deutsch gesprochen und musste - je älter er wurde, desto länger - nach Worten suchen. Und als er richtig alt war und im Alltag nur noch mit seiner slowenischen zweiten Frau und deren Familie zu tun hatte, wurde es richtig schwierig. Wir konnten am Ende fast gar nicht mehr kommunizieren, weil er so viel Alltagsdeutsch vergessen hatte.
Ich muss dazu sagen, dass er Mathematik studiert hat, mal einer der besten Schachspieler Jugoslawiens und unter den ersten Programmierern seiner Zeit gewesen ist. Ein sehr begabter Mann also. Nur für Sprache hatte er kein Ohr. Und anscheinend auch keinen Kopf.
Gibt es alles. Trotzdem ist er nie zurückgegangen, und fühlte sich in Deutschland zuhause.
Es ist nicht immer schwarz oder weiß. Egal bei was.