Kann man machen, muss man aber nicht. Vielen ist es nicht möglich auszuwählen.
Was eine annehmbare Fahrtstrecke angeht war für uns ganz früh Bremen und später dann Oldenburg erreichbar.
Bremen ist konservativ, aber nicht orthodox oder chassidisch. Die Ausrichtung ist strenger als bei einer liberalen Synagoge, Männer und Frauen sitzen getrennt, sittsame Kleidung ist Pflicht, Frauen tragen lange Röcke. Zu der Zeit war Chabad noch unbekannt, alles wurde unter dem Sammelbegriff Orthodox abgelegt und war in einer konservativen Synagoge sehr Willkommen.
Als dann Oldenburg eröffnet wurde, war das für uns leichter zu erreichen, aber dort habe ich zum ersten Mal Spannungen gespürt und spüre sie noch immer.
Es gibt viele Kleinigkeiten mit denen man seine Zugehörig zu einer bestimmten Ausrichtung zeigt.
Man erlebt dort natürlich keine Anfeindungen, aber es wird dir gezeigt, dass man dich erkennt. Vom aktuellen Rabbi bekam ich einen langen Blick und eine hochgezogene Augenbraue.
Nämlich dann als beim Einlass die Besucher eintraten, sich setzten und ihre Hüte, so sie welche trugen, ablegten. Ich mich setzte und meinen Hut aufließ. Der Rabbi fing an zu sprechen, sah durch die Reihen, blickte mich an stockte kurz. Dann zog er eine Braue hoch und gefühlt verging eine Ewigkeit, bis er weitersprach.
Es gilt, wohl durch den Einfluss der westlichen Gesellschaft, als unhöflich einen Hut in einer solchen Situation zu tragen. Man stelle sich vor jemand würde bei Gericht oder im Restaurant seinen Hut auflassen. Das tut man einfach nicht. In bestimmten orthodoxen Gruppierungen ist es aber Pflicht seinen Hut in der Synagoge zu tragen. Vor allem in der Synagoge!
Wenn dann also so ein junger Bursche der Rabbi ist und liberaler kaum sein könnte durch die Reihen blickt und einen Hut sieht, dann ist das wie ein Outing. Und umso liberaler er ist, umso mehr Vorbehalte hat er vermutlich.