@Koks
Du steckst im Teufelskreis. Da ist ein junger Hund, der ist ein bisschen anstrengender, als Du vielleicht erwartet hast und das Training fruchtet nicht so schnell, wie Du es Dir erhofft hattest. Und nun ist so langsam Deine Toleranzschwelle erreicht und auf einmal ist alles Stress, Chaos, Versagen ...
Dabei ist das alles normal. Wenn Du es schaffst, Dich selber aus dieser Stimmung wieder rauszuholen und einfach mit Geduld weitermachst, werden sich die Dinge finden.
Was mit Training nicht im Wunschtempo funktioniert, muss eben erstmal gemanagt werden. Es gibt für alles Lösungen, bis der Hund gelernt hat und "funktioniert", egal wie lange das eben dauert, das ist eben ganz individuell und unterschiedlich.
Mein Bulli (ein Englischer Bullterrier) fängt jetzt mit DREI JAHREN so langsam an, beim Spazierengehen kooperativer zu werden. Aber bis heute haben wir "Verhandlungen" auf der Straße, weil sie oft nicht laufen möchte. Sie kann dem, wie viele Bullies, nicht viel abgewinnen.
Inzwischen habe ich ihre Motivation mit einer Modifikation unserer Route und einem Zwischenstop mit Ball werfen heben können. Aber wir haben immer noch unsere "Momente". Ich habe mich daran gewöhnt.
Wenn ich selbst ein großer Läufer/Jogger wäre, hätte ich mir eine ganz andere Rasse zugelegt, nix mit Bull-Dickschädel. Frenchies scheinen ja nicht nur in dieser Hinsicht die Bullterrier-Verwandtschaft ein bisschen zu teilen.
Diese Rassen fordern oftmals vor allem in jungen Jahren Geduld, da beisst die Maus keinen Faden ab.
Und sehr viel läuft über Fun und Motivation - das kann gerade in der Öffentlichkeit auch mal mit der eigenen Komfortgrenze kollidieren.
Als Jungspunde haben viele dann noch die Eigenart, sich für ALLES mehr zu interessieren, als den Besitzer.
Weshalb man sich in irrationalen Momenten schonmal trotz aller Bemühungen "ignoriert und in die Ecke gestellt" vorkommen kann. Alles ganz normale Gefühle.
Mila habe ich beigebracht, wenn sie raus muss, eine Klingel an der Haustür zu bedienen. Das ist ziemlich einfach zu trainieren.
Aber ich habe den Eindruck, dass Dir zumindest im Augenblick mit Management auch in dieser Situation noch etwas mehr geholfen wäre, als dem Hund das komplett selbst "in die Hand" zu geben..
Zwischen den Zeilen liest man heraus, dass Du Dich von den Versuchen Deines Hundes, seine Bedürfnisse und Wünsche deutlich zu machen, teilweise etwas genervt oder überfordert zu fühlen scheinst.
Ein Kommunikationsmittel zum Anzeigen, wann er raus will, birgt die Gefahr, dass er das auch benutzt, wenn der nicht MUSS, sondern einfach nur raus zum Spielen oder wenn er einfach nur Aufmerksamkeit will.
Damit würde dieses sonst sehr praktische Tool schnell zur zusätzlichen Nerverei werden. So wie Du den Kleinen beschreibst, sind diese Versuche wahrscheinlich - und abgesehen davon auch normal.
Vielleicht solltest Du mit sowas lieber noch ein bisschen warten bis Du selbst innerlich wieder etwas gefasster bist und bis dahin das Gassi gehen einfach auf feste Zeiten legen. Du hast ja sicherlich inzwischen auch ein bisschen ein Gefühl dafür entwickelt, wann und wie oft Dein Hund muss.
Falls nicht, dann bieten sich die typisch kritischen Zeitpunkte an: Nach dem Essen, Schlafen, Toben ...
Wenn Du Dich innerlich wieder etwas beruhigt hast, dann könnt Ihr das selbst Anzeigen auch üben - das muss nicht die Leine sein, es geht wie Du siehst auch eine Klingel oder irgendetwas, das Du durch einfach Wiederholung mit dem Gassi gehen verbindest, bis der Hund des begriffen hat. Sollte der Hund das dann auch benutzen, um andere Wünsche anzuzeigen, kannst Du damit auch richtig umgehen und wirst es (hoffentlich) nicht als zusätzlichen Stress empfinden.
Wenn Du das Leine bringen zum Gassi gehen konditionieren willst, wirst Du sicherlich erstmal nur das Bringen selbst (ohne den Bezug zum Gassi) trainieren müssen, um es anschließend mit dem Gassi gehen verbinden zu können. Es sei denn der Hund trägt seine Leine sowieso schon dauernd rum. Dann geht das sicherlich ratz fatz.
Was das Thema Aggression in Bezug auf Futter, Besitzergreifendes Verhalten bei Spielzeug etc. angeht: Ich lese oft von Leuten, die versuchen, das mit ihren Hunden zu trainieren, indem sie Dinge wegnehmen.
Aber dem Hund sendet das leider oft nur die Botschaft: "Bin ich nicht schneller, halte es nicht fest oder passe ich nicht auf, bin ich es los."
So wird Aggression also sogar ungewollt noch gefördert. Und Rumfuhrwerken mit der Hand im Napf, Napf wegnehmen usw. versetzt einen derart unsicheren Hund nur zusätzlich in Stress, weil er die Situation nicht einschätzen kann.
Futteraggression am Napf lässt sich in vielen Fällen gut mit einer kurzen Zeit der Handfütterung beheben.
Den richtigen Umgang mit Besitz und Abgeben lernt man gut durch das Training mit dem Hund eher weniger wichtigen Gegenständen und im TAUSCH. Der Hund bekommt also etwas im Tausch oder er bekommt, was er abgegeben hat, mit viel Lob gleich wieder.
Trainingsspiele mit Bringen und Abgeben mit Belohnung helfen auf dem Weg dort hin auch sehr.
Es dauert bei manchen Hunden sehr lange, bis sie genug Vertrauen entwickelt haben und oft genug erlebt haben, dass Abgeben nicht gleich Verlust ist.
Das muss man aber eben auch konsequent so handhaben.
Mit Mila bin ich durch Training und faires Verhalten von übel Anknurren, wenn ich ihr Spielzeug abnehmen wollte bis zum freiwilligen Ablegen gelangt.
Sie ist bis heute nervös beim Abgeben von Spielzeug, weil es ihr sehr wichtig ist. Aber sie hat gelernt, sich darauf zu verlassen, dass ich fair bin. Das dauert bei manchen Hunden.
Notfalls musst Du da auch an Deinem Timing arbeiten. Wenn der Hund den Knochen gerade bekommen hat und Du willst 5 Minuten später, dass er ihn liegen lässt, um mit ihm rauszugehen, ist das einfach schräges Timing.
Wenn es trotzdem unumgänglich ist, dass er den Knochen abgibt, dann am besten im Tausch gegen eine andere für ihn interessante Aktivität oder Sache.
Dein Hund äussert mit Knurren über den Knochen seine Verlustangst. Arbeite daran, diese Angst überflüssig zu machen und das Knurren wird ziemlich sicher nicht mehr vorkommen.
Das lässt sich in wenigen Sätzen nicht so beschreiben, dass es in der Praxis auch gleich gut umsetzbar ist.
Aber genau für sowas gibt es ja auch Trainer, die gerne zeigen, wie man das langsam aufbauen kann.