Ich muss immer wieder über Kalle grinsen, wenn er clever versucht, mich auszutricksen
Dadurch, dass wir hier sehr viel Natur um uns herum haben, haben die Hunde auch viele Freiheiten. Leine kennen sie meistens nur auf dem Weg vom Garten zum Auto. Sie befolgen ein paar Kommandos und kennen ein paar Tricks. Ansonsten leben sie gemütlich vor sich hin.
Kalle bekommt, je älter er wird, einen immer größeren Dickkopf. Das mag nicht nur am Alter liegen, sondern auch an der Verantwortung, die er nach Pacos Tod für die damals anderen und dann die neuen Hunde übernommen hat. Auf jeden Fall sind Kommandos gelegentlich richtig doof. Unter anderem, wenn wir auf unserer großen Runde an einer Abzweigung vorbei kommen. Die Abzweigung führt kurz darauf wieder auf unseren Weg und Kalle liebt es, dort rum zu laufen. Je nach Zeit, die wir haben, darf er das oder auch nicht.
Anfangs habe ich ihn einfach zurückgerufen, wenn er ein paar Schritte in die Abzweigung hineingelaufen ist. Das Ergebnis war, dass er stehen blieb, unschlüssig sehnsüchtig in den Abzweigungsweg schaute, zu mir schaute, dann wieder sehnsüchtig in die Abzweigung, um sich langsam und leidend in Bewegung zu setzen. Nichts mit "pronto". Da ich keine Lust mehr hatte, mit ihm an der Abzweigung zu diskutieren, erinnerte ich ihn also vor der Abzweigung daran, dass wir auf dem normalen Weg weitergehen. Seine Miene zeigte keine Begeisterung, aber was blieb ihm übrig?
Heute nun wieder das quasi Ritual: Wir näherten uns der Abzweigung, ich signalisierte ihm, dass wir links weitergehen und wie üblich ging er mit mir. Als ich dachte, dass wir weit genug von der Versuchung weg waren und Kalle sowieso unglaublich interessiert am Wegrand schnupperte, schaute ich nach Lotta, die auf mich zustürmte und eine Streicheleinheit wollte, mit schaumigen Bart und schaute auch, ob Krümel nicht irgendwo drohte, verloren zu gehen. Dann drehte ich mich zu Kalle um, den ich immer noch am Wegrand vermutete. Da war er aber nicht. Er tappte fröhlich zurück in Richtung Abzweigung. Ne nä?
Krümelchen ist munter dabei und tippelt fröhlich mit. Ich kann mich aber wie früher nicht mehr darauf verlassen, dass er, wenn er irgendwo etwas Spannendes entdeckt hat und sich entfernt, er auf Rufen zurück findet. Sein Gehör hat nachgelassen und das ist bei Blindheit richtig doof. Es ist uns schon passiert, dass er etwas zurück geblieben war und auf unser Rufen eiligst in die andere Richtung galoppierte. (Für ihn sind die Felder natürlich besonders klasse, weil es keine Hindernisse gibt, die er nicht sehen würde). Der Kleine ist durchaus noch hurtig. Dann müssen wir hinterher sprinten und ihn wieder in die richtige Spur bringen. Deswegen achten wir darauf, wie weit er weg ist und warten entweder oder rufen ihn zu uns. Beim nahen Rufen kann es trotzdem passieren, dass er wie üblich sofort die Ohren spitzt, aber nicht ganz ortet, wohin er soll. Dreht er sich in die falsche Richtung oder kommt vom "Weg" ab, rufen wir noch mal seinen Namen. Ist er auf der richtigen Spur, lotsen wir ihn mit "Jawoll" und "prima", bis er bei uns ist. Er ist so anrührend, wenn er begeistert angetippelt kommt und sich auf das Lecker freut.
Lotta ist zumindest extrem kurzsichtig, abgesehen davon, dass sie schielt. Wenn ich ihr ein Leckerli zuwerfe und sie verfehlt es, hat sie keine Ahnung, wo es gelandet sein könnte und findet es erst nach intensivem Schnüffeln, während die anderen (außer Krümel natürlich, der das Lecker aus der Hand bekommt) zumindest wissen, wo sie suchen sollen. Den Motorradfahrer in 400 Metern Entfernung hat sie allerdings sofort registriert und ist aufs Feld gestürmt, bis sie meinen Pfiff hörte, stehenblieb und dem Motorrad nachsah. Natürlich war das Motorrad in Bewegung, aber sie konnte es immerhin auf die Distanz sehen. Auf die Weite scheint ihr Sehvermögen also besser zu funktionieren. Sie ist so eine liebe, zärtliche Hündin und ich bedaure jeden und jede, der oder sie damals weggeklickt hat, als er/sie einen Hund suchte. Sie würde überall klarkommen, wo ein verträglicher, kinderfreundlicher, katzenfreundlicher Hund ohne Macken gesucht wird. Sie ist dem Menschen gegenüber bescheiden und sehr zärtlich und benimmt sich sehr hündisch im Umgang mit den anderen Hunden. Sprich, sie hat das Sagen. Kalle hat dann die Verantwortung, aufzupassen, während sie wie ein Derwisch über die Felder fliegt und zur albernen, witzigen Hündin mit einem Bart aus weißem Schaum wird
Witzigerweise kam sie grade in Italien so gut an, wo sie eigentlich herkommt. Sie war meistens mit im Restaurant, weil der Hund, der nicht mit Kalle am Strand war, abends mit ins Restaurant durfte. Durch drei Tage Regen war unser wohlüberlegter Plan hinfällig, dass Tano und Lotta sich im Restaurant abwechseln.
Alle liebten Lotta und alle lachten über ihr Gesicht. Jede(r), der sie streicheln dufte, strich zärtlich die Gesichtsfalten glatt. Das mache ich auch gerne und sie liebt es.
Tano hat einen Zusatznahmen, der ein bisschen an einen Züchternamen erinnert: Er heißt ausgeschrieben "Tano von der Schlepp". Das wird wohl auch nichts mehr mit dem Freilauf auf den Feldern. Er hört den Abruf nur dann, wenn nichts wichtiges zu beschnüffeln ist. Dann aber eilends. Der erste Hund, den wir tatsächlich wohl niemals ableinen können. So was wollten wir übrigens nie, aber man/frau wächst an ihren Aufgaben. Wir sind so froh, dass der Kleine bei uns ist und freuen uns, dass das Schicksal oder was auch immer ihn uns quasi vor die Füße geworfen hat. Hätten wir nach einem Hund gesucht, hätten wir ihn bedauernd weggeklickt. Nun sind wir froh, denn er ist ein süßer, lieber, witziger Hund, über den wir so viel lachen und der so lieb ist zu allen anderen Hunden. Anrührend zu sehen, wie Kalle ihn heute nach dem langen Spaziergang trocken leckte und der Kleine vertrauensvoll zwischen seinen Pfoten lag und sich gelegentlich auch auf den Rücken drehte, um in Kalles Gesicht herum zu pföteln.
Ach, sie sind schon alle klasse.