Ich muss MW mal in Schutz nehmen: Ich kann ihn schon verstehen - so, wie ich ihn mir vorstelle, möchte er einfach ein "normales" Leben führen. So wie die meisten von uns. Er möchte nicht, dass die Leute denken, dass Schwule ständig so rumlaufen, wie im TV auf dem CSD gezeigt wird. Daher stört es ihn, wenn der CSD so im TV gezeigt wird, dass sie (logischerweise) die schrill angezogenen Menschen zeigen. Ich verstehe es so, dass ihn die Verknüpfung schwul=schrill stört. Weil er sich dann mit "denen" identifiziert fühlt, was er aber nicht will, was viele oder einige, die vor'm Fernseher sitzen, aber machen werden.
Und nicht wenige in unserer Gesellschaft haben nach wie vor Vorurteile gegen Schwule. Mein ehemals mit Abstand bester Freund war auch schwul, wie sich nach Jahren rausgestellt hat. Ich habe mir tatsächlich keine Gedanken gemacht, auf wen oder was er steht. Erst als er irgendwann endlich einen Freund hatte, ist er "damit rausgerückt". Er war sehr lange in Therapie, eigentlich wegen Depressionen, aber ich denke, dass da auch das Schwulsein oder speziell das "Zugeben" (vor sich selbst und/oder anderen), schwul zu sein, eine große Rolle gespielt hat, wenn nicht sogar der Verursacher der Depression war. Seit er "offen" mit seinem Freund zusammenlebt, hatte er jedenfalls keine Depression mehr.
Nicht für jeden ist es einfach, zu sagen, ich bin schwul (oder welcher Orientierung auch immer). Und ich finde, das sollte man auch akzeptieren. Es kann mir keiner sagen, dass es dasselbe ist, ob auf einem Dorf ein Mann/Frau-Ehepaar in ein Haus einzieht oder ein gleichgeschlechtliches Paar. Letzeres wird immer ein Anlass zu Gerede sein. Nicht von allen negativ, natürlich, aber von einigen schon. Es ist eben, und wird es vermutlich immer bleiben, eine Ausnahme von der Regel. Und Ausnahmen werden beäugt, egal ob kritisch oder tolerant, aber fast jeder bildet sich seine Meinung dazu. Man ist also sozusagen auf dem Präsentierteller, ob man will oder nicht.
Und eine persönliche Erfahrung: Freunde von mir haben eine Putzhilfe gesucht. Nun, es hat sich jemand gemeldet, der sich als Crossdresser bezeichnet hat. Wir Landeier haben erst mal geschaut, was das ist
. Dann ging die Diskussion los: Kreuzt er dann im Rock auf zum Putzen? Oder ist er nur geschminkt? Oder hat er einfach nur lange Haare? Oder wird er später mal eine Frau sein? Und dann kam die nächste Frage: Wollen meine Freunde da nachhaken? Antwort: Nein. Wollen sie, dass ggf. ein Mann im Rock bei ihnen putzt. Antwort: Nein. Und die allgemeine Frage: Warum erwähnt man das, wenn man sich auf eine Putzstelle bewirbt? Was ich sagen will: Manchmal muss man im Alltag vlt. auch einfach die Kirche im Dorf lassen und sich anpassen und nicht gleich jeden mit seiner Geschichte konfrontieren...
Was wieder den Kreis zu MW schließt, wobei es natürlich auf Dauer bei einer festen Arbeitsstelle schwierig zu vermeiden ist, dass die Kollegen mitbekommen, dass er schwul ist, da er mit seinem Mann zusammen lebt.