Ja, es war ein anderer Kontext, aber ich finde, er hat nachher sehr gut erklärt, wie es eben oftmals
ist...
Dass Leute mit einem wie auch immer gearteten Verhaltensproblem in einem anderen Kontext ganz nett und sympathisch daherkommen können. Bzw. sogar nett und sympathisch
sein.
Eine Kollegin von mir hat mir mal von einem eigentlich recht guten Bekannten erzählt, mit dem sie selbst über mehrere Jahre irgendein Projekt, entweder ehrenamtlich oder lokalpolitisch - betreut hat. Sie ist ne unheimlich fitte, engagierte, an allem möglichen interessierte Frau, die wahnsinnig viele Leute aus allen möglichen Bereichen kennt - also nicht jemand völlig ohne Menschenkenntnis.
Sie kannte also ihn, kannte auch seine Frau oder Lebensgefährtin, wusste, dass die Beziehung nicht immer so ganz gut lief und die oftmal Zoff hatten - hatte er ihr selbst erzählt, wirkte dabei auch immer sehr reflektiert. Er war auch bei ihrer gemeinsamen Arbeit manchmal aufbrausend, aber halt jemand, der sich schnell aufregt, dann wieder beruhigt, und dabei letztlich konstruktiv bleibt. Also, niemand, wo man sofort "ganz typischer Choleriker" gedacht hätte. Sie haben gut zusammengearbeitet, und er hat gute Arbeit gemacht, war gebildet, freundlich, sozial engagiert...
Was sie
nicht wusste, dass er im Laufe der Jahre seine Frau mehrmals geschlagen und (mindestens) einmal richtig heftig verprügelt hat.
Ich denke, als das rauskam, war sie ebenso perplex wie Lana gestern. Und brauchte auch erstmal Zeit,
das auf die Reihe zu kriegen. Weil sie sich immer viel auf ihre Menschenkenntnis eingebildet hat, aber das tatsächlich absolut nicht auf dem Schirm hatte.
Und das ginge mir in so einem Moment tatsächlich nicht anders.
Und ich müsste, schon allein für mich, diese zwei Seiten einander gegenüberstellen, um zu versuchen, das irgendwie übereinzubringen. Nicht unbedingt, um die Tat zu verharmlosen, sondern einfach, um sie zu
erfassen.
Als sie mir das in irgendeinem anderen Zusammenhang erzählt hat, meinte sie, sie sei mittlerweile überzeugt, dass der diese Ausfälle immer ganz schnell rationalisiert und dann verdrängt hat. "Ja, da hab ich das und das gemacht. Das war schon Sch.eiße, aber wenn die mir so kommt, oder das und das Thema zur Spache kommt, oder ich einen so anstrengenden Tag hatte, oder... (...) kann ich eben nicht anders. Tut mir ja anschließend auch leid, aber war jetzt eben so, weiter im Text."
Jede einzelne Tat war für ihn ein einmaliger, nur aus den Umständen entstandener Ausrutscher. Aus dem man daher nicht zu lernen brauchte, war ja nur das eine Mal...
Da sie in ihrem Leben ungefähr 200 Prozent mehr soziologische, psychologische und feministische Fachliteratur gelesen hat als ich, konnte sie das auch noch irgendwie begründen oder erläutern, aber das hab ich mir nicht mehr gemerkt... Es ging aber auch dort darum, dass auch für solche Täter, wenn nicht das Opfer, dann irgendwie die Umstände Schuld an allem sind, was passiert. - Weswegen die das u.U. völlig von sich abkoppeln können, und dann im restlichen Leben total normal wirken.
(Wobei ich den vorliegenden Fall aus den spärlichen vorhandenen Informationen heraus noch anders einschätzen würde - ich würde wetten, dieser Täter empfand sein Verhalten nicht mal als "Ausrutscher", für den war das insgesamt
ganz normal... - schlimm genug, und für mich eben, wie gestern schon geschrieben, definitiv ein Grund, nicht nochmal Bewährung zu geben.
)