Langer Text von Guido Meyer (IG naturdigital), gepostet auf FB
Erneute Abschussgenehmigung
Als EU-Mitgliedstaat verpflichtet sich Deutschland, die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) umzusetzen und das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 zu etablieren. Der Wolf ist über den Anhang IV der FFH-RL besonders geschützt. Des Weiteren sind Wölfe auch im gesamten Bundesgebiet über § 44 BNatschG streng geschützt. Immer wieder aber werden Sondergenehmigungen zur "Entnahme", also zur Tötung freigegeben, in einschlägigen Kreisen spricht man dann vom "Problemwolf".
Durchaus gibt es auch Wölfe, die Probleme machen. Da war "Kurti", ein Wolf der den Menschen stets sehr nah kam, die natürliche Scheu abgelegt hatte, weil Soldaten ihn auf dem Truppenübungsplatz gefüttert hatten. Ein Wolf also, der zum Fehlverhalten angelernt wurde!
Nun gibt es erneut eine Tötungsgenehmigung, der Rüde GW950m ist, wie schon im letzten Jahr, zum Abschuss freigegeben, dieses Mal bis Ende Februar 2024. Beim ersten Mal weigerten sich tatsächlich einige Jäger, sagten aus, ihn nicht zweifelsfrei erkennen zu können, befürchteten Repressalien, wenn sie den falschen Wolf erschießen würden. Das wird nun entgegenkommend erleichtert durch die Nebenbestimmung 2, die sukzessive Entnahmemöglichkeit auch einzelner Rudelmitglieder erlaubt. Das kommt einer Kollektivstrafe für das ganze Rudel gleich, obgleich als Schadensverursacher nur GW950m, also der Rüde ermittelt wurde. Man möchte es der Jägerschaft im Vollzug eben einfacher machen.
Erstmals konnte der Rüde am 26.02.2018 in Prabstorf (LK Lüchow-Dannenberg) bei einem Nutztierriss als Verursacher DNA-technisch festgestellt werden, bevor er sich auf den Weg ins Burgdorfer Holz machte und dort sesshaft wurde. Schon dort war der Mindestschutz der Weide beeinträchtigt. In den darauf folgenden 2 1/2 Jahren trat er noch siebenmal in Erscheinung, u.a. in Altmerdingsen, Burgdorf und Immensen. Dort sind 17 Schafe, 2 Pferde, ein Rind und ein Gatterwild zum Opfer gefallen - ein Mindestschutz war auch dort nicht vorhanden bzw. im Falle der Pferde und des Rindes nicht vorgeschrieben, obgleich auch schon viele Pferdehalter mit der Unterstützung vom NABU ihre Pferde per wolfsabweisenden Zäunen sichern. Anders in Beinhorn, hier wäre durch den Riss des Ponnys Dolly eine 100%ige Kostenübernahme für einen echten und funktionierenden wolfsabweisenden Zaun durch das Land gegeben, offensichtlich wird dieser aber nicht beantragt, denn verändert hat sich nichts, es ist auch dort bei dem „einladenden“ Zaun geblieben. Erstmalig am 20.09.2020 konnte im Bereich Edemissen eine Weide mit einem Mindestschutz überwunden werden, dabei wurden vier Schafe getötet. Seit Aufzeichnung der Daten gab es insgesamt 31 Übergriffe, bei denen GW950m im Zuge der DNA-Analyse als Verursacher oder Mitverursacher identifiziert werden konnte. 72 Schafe, 4 Pferde, 2 Rinder und ein Gatterwild sind getötet worden. In nur gerade mal 10 Fällen war ein Mindestschutz (!) vorhanden. 3 von 4 Weiden waren in einem seit Jahren bekannten Wolfsterritorium völlig ungeschützt.
Übrigens, Wölfe, die in eine eingezäunte Weide eingedrungen sind, töten häufig mehr Tiere als sie fressen können, weil die wiederholte Auslösung des Beutereflexes durch die Anwesenheit von sich bewegenden Tieren vorhanden ist, die anders als in freier Wildbahn nicht fliehen können. Auch bei Tieren, die wegen ihrer Langsamkeit fluchtunfähig sind, kann es zum "Surplus Killing Effekt" kommen. Das Verhalten gibt es auch bei allen anderen Beutegreifern, ist von daher nicht unnatürlich und hat überhaupt nichts mit „Blutrausch“ oder ähnlichen Meinungen zu tun. Bei Übergriffen auf Nutztiere kommt dann der Wolf kaum dazu, zu fressen, weil er durch die anderen rennenden Tiere immer wieder unterbrochen bzw. sein Jagdtrieb getriggert wird. In frei Wildbahn würde sich der Wolf eher auf ein Opfer konzentrieren und es verfolgen, wodurch die anderen flüchten könnten. Solch eine "Einladung" hat also immer schwere Konsequenzen. Der letzte nachgewiesene Übergriff stammt vom 14.01.2023, bei dem im Bereich Burgdorf ein Schaf (geschützt) getötet wurde. Daher die berechtigte Frage, warum man genau jetzt eine Abschussgenehmigung ausruft, obwohl aktuell (Stand 26.09.2023) für den besagten Rüden keine neuen Rissnachweise existieren?
Auch dieses Jahr konnte mit 7 gemeldeten Welpen eine erneute Reproduktion nachgewiesen werden. Warum trotz unseres Videomaterials zur Meldung und des anerkannten C1-Nachweises im Wolfsmonotoring keine Anpassung durch die Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) erfolgt, bleibt auch fraglich, hier werden weiter 4 Welpen geführt. Vielleicht erleichtert es die "Entnahme", wenn es 3 Welpen einfach eh nicht gegeben hat?
Wirft man einen erneuten Blick auf die beigefügte Nutztierschadenstabelle, stellt man fest, dass sich seit dem Rudelstatus die Häufigkeit der Risse erhöht, was darauf zurückzuführen ist, dass der Wolf sich ganz natürlich um den Fortbestand seiner Art kümmert und die jungen Welpen ernähren muss. Was wird also passieren, wenn man nun den erfahrenen Leitrüden, im Zuge der ausgestellten Abschussgenehmigung, erschießt oder sogar noch die Fähe bzw. einen der vermutlich noch verbliebenden zwei Jährlinge? Es bleiben die Welpen und damit durchweg unerfahrene Wölfe übrig, die auf die Jagd gehen und auf nicht geschütze Weiden treffen. Dabei werden Sie lernen, dass es einfacher ist, sich eine ungeschütze Weide zu suchen als irgendwo im Wald nach Rehen, Rothirschen oder Wildschweinen zu jagen. Ein kapitaler Fehler in der gesamten Wolfspolitik, denn dieses fehlgeprägte Wissen könnte auf andere Generationen übertragen werden. Daher ist es wichtig, die Leitwölfe am Leben zu lassen und den Herdenschutz endlich auszubauen. Nur negative Erfahrungen in Form von Stromschlägen werden einen Lerneffekt mit sich ziehen, der auch an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden kann. Ein Wolf, der tot auf dem Tisch des IZW liegt, kann seinem Rudel nichts mehr vermitteln.
Dazu sollten die bereitgestellten EU-Fördermittel dann auch wie in anderen Ländern endlich mal abgerufen werden, weitergereicht werden an Weidetierhalter, die gewissenhaft einer solchen Lösung nachgehen möchten.
Ein Abschuss ist der völlig falsche Weg, eine rein emotionale temporäre Zwischenlösung bestenfalls, denn selbst wenn alle Wölfe geschossen werden
im Burgdorfer Holz, es wird auf Grund der vorhandenen idealen Umweltkapazitäten immer ein mögliches Wolfsterritorium bleiben, also werden immer wieder Wölfe von außen nachrücken und erfolgreich wie GW950m ein Rudel bilden, ein Rudel mit ca 5-12 Tieren, natürlich schwankend in der Kopfzahl, aber niemals mehr werdend oder im gleichen Areal sich weitere Rudel bilden, wie oft behauptet. Das wird von der Natur völlig ausgeschlossen, einzig der Jägerschaft konsultierten Sachverständige, wie die Geb. Grimm, versuchen ein anderes Bild zu vermitteln, weit ab von Messungen und Wissenschaft, schlichtweg aufgrund von Emotionen, Ängsten.
Wenn Wölfe tatsächlich Problemwölfe sind, wie einst Kurti, sollte dann auch eine Tötung möglich sein, wenn Wölfe aber zu Problemwölfen gemacht werden, sollten Weidetierhalter belangt werden, bzw nach den vielen Jahren der bekannten Präsenz von Wölfen auch keine Ausgleichszahlung mehr erfolgen. Im gleichen Zeitraum seines Daseins im Burgdorfer Holz von GW950m, sind in Deutschland auch ca 270.000 Weidetiere verhungert oder durch andere Vernachlässigung des Menschen umgekommen, mit welchen Recht töten wir nun erneut die Wölfe?