Allianz aus Klimaklebern und AfD
Heute wird geschlichen. In München sogar mitten auf der Straße. Die Klimakleber der
"Letzten Generation"
. Sollten Sie in München wohnen und nicht gerade in sicherer Distanz Ihre Sommerferien verbringen, sondern sich im Auto zur Arbeit und wieder nach Hause quälen, werden Sie auf der Strecke wahrscheinlich genug Zeit haben, sich über die Aktivisten schwarz zu ärgern. Oder Sie staunen. Denn die "Letzte Generation" hat einen ersten Erfolg schon erzielt, wenn auch auf einem Nebenschauplatz:
Sie hat eine in Deutschland bedrohte Art gerettet.
Der "Klimaskeptiker" hat sich im heimischen Biotop nämlich wieder prächtig erholt. Lange war er kaum anzutreffen, verdrängt durch die flächendeckende Erkenntnis, dass das Klima in erschreckendem Tempo den Bach runtergeht und man besser heute als morgen etwas zu dessen Rettung unternehmen muss. (Der des Klimas, nicht des Skeptikers.) Mittlerweile hat das Geschwurbel von der
"Klimalüge" aber wieder kräftig Auftrieb bekommen. Demzufolge ist alles dufte und die Krise nur eine Erfindung/Übertreibung/Lüge der Regierung/"Lügenpresse"/"denen da oben". Selbst wenn man diese Verschwörungsspinnereien ignoriert, ist die Einigkeit, die man angesichts der globalen Erhitzung dringend bräuchte, nun der
Zornesröte gewichen. Das Klima hat es geschafft, wieder kontrovers zu sein. Das ist schon ein Kunststück bei so viel vorangegangenem Konsens.
Wie das kommt? Die "Letzte Generation" hat mit ihren Aktionen den
Kulturkampf angefacht, den am anderen Ende des politischen Spektrums auch die
AfD befeuert. Den Ablauf kennen wir: Es ist die immergleiche Polarisierungsmühle, bei der Geschrei oder Aufreger-Aktionen von den Rändern die eigentlich viel mächtigere gesellschaftliche Mitte übertönen und aus der Debatte verdrängen. Das Spiel wiederholt sich, weil es funktioniert. Sollten die Aktivisten mit ihrem Klebstoff den Münchner Verkehr erfolgreich lahmlegen, beschert ihnen das Aufmerksamkeit und Zulauf. Und denen, die sich besonders lautstark dagegen positionieren, ebenfalls. Wären die "Letzte Generation" und die AfD Unternehmen, müsste man ihnen eine
gelungene Wachstumsstrategie und Erfolg bei der Eroberung von Marktanteilen attestieren. Der bisherige Platzhirsch, die "Normalo GmbH", muss hingegen herbe Einbußen hinnehmen und verweist auf ein schwieriges Geschäftsumfeld.
Die "Letzte Generation" zeigt, wie man erfolgreich sein kann, ohne in der Sache auch nur einen einzigen Schritt voranzukommen. Wir sehen den Siegeszug einer Strategie, nicht eines Anliegens. Wenn man heute in München Menschen trifft, die mit hochrotem Kopf über die Aktionen debattieren, hat das wenig mit dem Klima, aber eine Menge mit dem Kleber zu tun. Die Aktivisten könnten genauso gut für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Parkplätze, niedrigere Steuern oder eine neue Straßenbahnfarbe eintreten – würden sie das mit ein paar Straßenständen und Plakaten tun, nähme man wohl kaum Notiz. Aber festgeklebt auf dem Mittleren Ring? Zack, wäre die Straßenbahnfarbe in den Abendnachrichten!
Womit wir bei der Gretchenfrage angekommen sind. Die Uhr tickt, die Hitzerekorde purzeln, die Rekorde bei den Passagierzahlen der Airlines aber auch. Es ist nicht nur die Bundesregierung, die sich zu ihren Klimazielen schleppt, anstatt zu spurten. Mehrheitlich schleichen auch wir Bürger dabei so langsam voran wie die Autos im Münchner Berufsverkehr. Sorgen die nervigen Aktivisten für den Tritt in den Hintern, den wir alle brauchen? Die Antwort lautet: leider nein.
Denn polarisierende Aktionen nützen nur denen, die sie veranstalten, sowie ihren radikalsten Gegnern. Gesellschaftlich führen sie in die Sackgasse. Wie es sich in dieser Sackgasse anfühlt, haben die Amis mithilfe von Polarisierungspräsident
Donald Trump eindrucksvoll demonstriert – und sich von der Spaltung ihres Landes bis heute nicht erholt.