die Schilderung von Beißvorfällen ist immer subjektiv und kann völlig falsch sein....
Ganz genau. Und selbst ein "erfahrener Hundetrainer" ist davor absolut nicht gefeit. Die "Gründe" die ein Hund zum Zubeissen hat wiederum hängen davon ab, ob man etwas gesehen oder wahrgenommen hat. Auch davon wie gut man den Hund kennt. Ein Hund wie Cara, mit der ich seit über 11 Jahren 24 Std. am Tag zusammen bin - da wäre ich mir
relativ sicher, jede Form von Beissen einigermaßen einschätzen zu können. Bei einem Pflegehund X könnte ich das natürlich nicht bzw. nicht mit der gleichen Sicherheit.
Obwohl ich sicher nicht allzuviel Erfahrungen mit Beissvorfällen habe, reichen sie dennoch aus, um eines ganz sicher zu wissen: diese Frage kann ich für mich nicht pauschal beantworten. Zu viele wenns und abers.
Theoretisch kann ich mir alles vorstellen: einen Hund einschläfern zu lassen, weil er einen anderen Hund schwer gebissen hat oder auch das andere Extrem, ihn zu behalten, obwohl er mich oer Dritte schwer gebissen hat:
Mir blieb das schale Gefühl von "unfair", als ein Hund eingeschläfert wurde, der ein Kind totgebissen hatte - weil hinlänglich bekannt war, dass er für Kinder brandgefährlich ist und jede Art von näherer Begegnung zu eben diesem traurigen Ende führen würde. Die neuen Halter haben es wohl nicht sooo ernst genommen, weil sie keine Kinder hatten. Allerdings liessen sie das Gartentor offenstehen und den Hund im Garten unbeaufsichtigt. Als dann ein Kind am Grundstück vorbeikam, ist es passiert. Ich hätte es dagegen verstanden, wenn man ihn nicht mehr vermittelt hätte, sondern gleich "erlöst" hätte.
Ein Mann, der von seinem eigenen Schäferhund - scheinbar unvermittelt - wirklich sehr schwer gebissen worden war, behielt ihn trotzdem. Der Mann hatte sich auf dem Oktoberfest wirklich bös zulaufen lassen - und der Hund hat den torkelnden und lallenden, am Türschloß herumfummelnden Mann nicht mehr erkannt.
Ob ich einen Hund nach einem Beissvorfall behalten würde oder nicht: Ja, wenn ich keine oder eine gut beherrschbare Form von Angst vor ihm hätte und es mir zutrauen würde, mit der Situation umgehen zu können (mit oder ohne Hilfe). Und nein - wenn er mir Angst machen würde, unabhängig von irgendwelchen Situationen.
Ich hatte einen Beisser hier als Pflegehund - er hat mir trotz allem niemals Angst gemacht, obwohl ich einige Attacken (blitzschnell und ohne jegliche Vorwarnung) miterlebt habe. Und hab einen anderen gar nicht erst mit nach Hause genommen, weil er mir eine *******-Angst gemacht hat, obwohl ich ihn nie zubeissen sah.
Einen solchen Hund würde ich selbst mit Maulkorb nicht bei mir haben wollen. Zum einen müsste ich den ja umlegen (und auch wieder abnehmen) können. Zum anderen hab ich schon mal erlebt, wie ein Hund die Lederriemen des Maulkorbs gesprengt hat.
Tötungsabsichten kann meiner Meinung nach ein Hund nur dann haben, wenn er auch eine entsprechend große TodesANGST hat. Was wiederum dann erstmal gegen eine Einschläferung sprechen würde, weil sich -prinzipiell gesehen- ein kompetenter Therapieversuch anbieten würde.
Allerdings frage ich mich, ob eine Tötungsabsicht nicht nur eine Annnahme sein kann. Woran erkenne ich die Absicht eines Hundes? Sicher nicht am "in den Nacken springen" - das tun ziemlich viele Hunde, auch ohne überhaupt nur irgendeine Art von Verletzung zu hinterlassen. Eine tatsächliche Tötung wiederum hat nicht zwingend etwas mit Absicht zu tun. In Rumänien wurde ein Passant von einem Kleinhund in den Knöchel gebissen (kaum als Tötungsabsicht zu verstehen), der Mann verblutete noch am Unfallort und verstarb.
Selbst bei wirklich schweren Beissvorfällen mit tödlichem Ausgang für das Opfer spielen häufig so viele Faktoren mit eine Rolle, dass man zwar im Nachhinein schon eine Absicht unterstellen könnten - aber eine Gewissheit kann und will ich da auch nicht hineininterpretieren. Schon alleine, weil "Tötungs-Absicht" als solche für mich eine eher menschliche Art des Denkens bzw. ein "Kalkül" voraussetzt.
Einem Hund, der Cara mal ziemlich böse gebissen hat, hätte ich durchaus Tötungsabsicht unterstellt. Er hat sie zwar "nur" in den Po gebissen, was aber daran lag, dass Cara ihm nicht rechtzeitig genug ausgekommen ist, so dass er sie nur noch hinten erwischt hat. Ganz ehrlich: mir tat der Hund durchaus auch leid und mir wäre es lieber gewesen, wenn er einer kompetenten Begutachtung unterzogen worden wäre. Dass die Eigentümer ihn gleich nach dem Vorfall zum TA schleppten und einschläfern liessen, hinterlies kein gutes Gefühl bei mir. Ich fand es etwas arg "spontan" und eben - subjektiv. Aber auch das ist subjektiv, ich hab zB keine Ahnung, wie ich es sehen würde, wenn er Cara getötet oder das 12jährige Mädchen das dabei war, schwer verletzt hätte.
Um einen Hund "erlösen" zu lassen, dafür bräuchte ich eine tiefe und sichere Gewissheit,
dass ich ihn erlöse. Und nicht mich selbst - aus meiner Verantwortung. Die
Gründe dafür können so vielfältig sein, wie das Leben selbst. An Natalie's Stelle zB hätte ich diese Gewissheit wohl auch... einer der wenigen Fälle, wo ich mir eine Situation so weit vorstellen kann, dass ich sagen könnte, was ich tun würde, wenn ...