1. Warum invalidiert das meine Aussage, dass der Westen ebenfalls an einer Isolation Russlands froehlich arbeitet?
Für mich sind das zwei paar Stiefel. Weil irgendwann der Westen, die USA oder wer auch immer auch mal was inkorrektes getan hat, setzt das Russland nicht ins Recht, die Krim zu annektieren. Und damit, jenseits aller Vorgeschichte, betreibt - in meinen Augen - Russland selbst seine Isolation. Ich wollte nicht behaupten, dass niemand außer Putin je Fehler gemacht hat. Aber ich kann es beim besten Willen nicht so sehen, dass Russland sich in der Ukraine-Krise korrekt verhält.
Du verdrehst hier was. Mein Argument war keine legitimation fuer Russland, sich die Krim zu krallen. Es ging ausschliesslich um die Behauptung, Putin alleine wuerde Russland isolieren. Ich denke, der FAZ-Bericht belegt ziemlich deutlich, dass diese Aussage falsch ist.
Meine Behauptung war nicht, Russland allein, sondern "in erster Linie". Den FAZ-Bericht hatte ich nicht auf dem Schirm, sondern allein meine Wahrnehmung des russischen Verhaltens in der Ukraine-Krise aus den Nachrichten. Ich finde, dass Russland sich mit diesem Verhalten isoliert.
Es ist ja nicht so, als ob es nicht genuegend echte Gruende geben wuerde, an Russland Kritik zu ueben. So eine freche Luege, wie die FAZ sie hier praesentiert, das ist doch billigste Agitation. Da geht es darum, ein Narrativ zu schaffen, spaeter jegliche Massnahmen gegen Russland zu begruenden. Mehr nicht. Oder hast Du fuer die absurde Darstellung in dem Artikel eine bessere Erklaerung?
Grundsaetzlich werde ich immer dann misstrauisch, wenn Leute zusaetzlich zu einer ohnehin schon schlimmen Wahrheit ploetzlich noch Dinge hinzu fantasieren, damit selbst der duemmste erkennt, wer die Guten und wer die Boesen sind. Hat das jemand noetig, der selber aufrichtige Interessen hat?
Nein, für diesen FAZ-Artikel habe ich keine vernünftige Erklärung. Wird so sein wie du sagst.
Allerdings trifft das mit dem hinzu fantasieren auch auf Putin zu, wenn er behauptet, die russischstämmige Bevölkerung der Krim sei gefährdet gewesen und Russland habe sie schützen müssen. Mir ist jedenfalls nichts von einer realen Gefährdung bekannt.
Siehe Punkt 3. Das aeussert sie auch im Interview. Wie kann es sein, dass fuer die "Guten" im Westen ein Referendum eine Supi Sache ist, aber sobald das Ergebnis eines Referendums nicht den westlichen Wuenschen entspricht, ist es ein Verstoss gegen Voelkerrecht?
Mir ist zumindest kein Artikel aufgefallen, der ueber Unregelmaessigkeiten beim Referendum berichtet hat (z.B. im Gegensatz zur Wahl in der Tuerkei neulich). Das war wohl ziemlich eindeutig.
Hier bin ich tatsächlich im Zwiespalt. Einerseits neige ich dazu, so ein Referendum anzuerkennen, andererseits ist die Ukraine ein souveräner Staat, und es ist fraglich, ob sie anerkennen muss, dass ein Bevölkerungsteil sagt, wir wollen nicht mehr dazu gehören. Unabhängig vom Ost-West-Konflikt ist es ja nicht so, dass Staaten so was zu akzeptieren pflegen. Beispiel Basken.
PerlRonin schrieb:
3. Es gibt wohl einen Entscheid vom IGH, der zumindest damals im Kosovo, ein Referendum als legal akzeptiert hat. Darauf beruft sich wohl Russland. Ob die Situation vergleichbar ist, darueber streiten sich ja die Geister, und ich als Nicht-Jurist bin nicht in der Lage, das zu bewerten. Aber zumindest so ganz eindeutig ist die Situation ja wohl nicht.
Zum Fall des Kosovo sehe ich den Unterschied, dass es dort ein zerfallender, ehemals künstlich errichteter Vielvölkerstaat war.
Gut, bei der Krim könnte man auch sagen, sie gehörte ursprünglich nicht zur Ukraine und somit das Recht der Ukraine anzweifeln, sie zu behalten. Aber was ist mit den Ostprovinzen, um die es jetzt geht?
Welchen Unterschied macht das? Die Bevoelkerung hat ueber die Zukunft des Landes abgestimmt. Im Kosovo haben sie entschieden, sich von Serbien zu trennen. Glaubst Du, das Urteil des IGH waere anders ausgefallen, wenn sich der Kosovo z.B. an Mazedonien angeschlossen haette (nur so rein als Gedankenspiel)?
Ich habe jetzt leute gefunden, die mir erklaeren, dass das nicht zwingend eine Annektion war (Krone Schmalz und andere). Die Erklaerung finde ich plausibel.
Mir erklaert aber bisher niemand, warum es doch eine war, warum dieses Referendum jetzt was voellig anderes ist, als das im Kosovo. Da bruellen alle "Voelkerrechtsbruch", aber keiner sagt warum denn ueberhaupt.
Daher neige ich dazu, das Gebruell anzuzweifeln.
Wenn Du hier Klarheit schaffen kannst, immer her damit.
Ich kann mit Sicherheit keine Klarheit schaffen. Ich beziehe "Völkerrechtsbruch" aber nicht auf das Referendum, sondern auf die Rolle Russlands dabei. Wenn die Bevölkerung der Krim mehrheitlich den Anschluss an Russland will, ist das eine Sache. Ob völkerrechtlich möglich ist, dass sie aus dem Staat, dem sie angehören, austreten dürfen, ist ja anscheinend ungeklärt, denn der von dir verlinkte Artikel zum IGH-Urteil weist ja darauf hin, dass dies gar nicht entschieden wurde, sondern nur, ob das Referendum als solches zulässig war.
Dass Russland aber unter dem Vorwand, die russischstämmige Bevölkerung sei gefährdet, dort mit der eigenen Armee schon vor dem Referendum faktisch Hausherr gespielt hat (so sehe ich es jedenfalls), halte ich mit meinem absolut laienhaften Verständnis für einen Völkerrechtsbruch.
Und wenn ich heute z.B. höre, dass Russland sagt, die Ukraine dürfe nicht mit Armeeausrüstung (Panzer etc.) gegen die Aufständischen vorgehen, denn diese haben ja nur Gewehre, dann rollen sich mir die Zehennägel auf.
Setzt Russland in seinen aufständischen Randprovinzen fairer Weise auch nur solche (und womöglich nur so viele) Waffen ein, wie die Aufständischen haben?
Gar nicht zu reden von der Frage, warum es diese Provinzen, die die Unabhängigkeit wollen, nicht gehen lässt.