Zu meiner Verteidigung
Bevor ich die Äußerung niedertippte, dass mir die Notwehr-Argumentation nicht schlüssig erscheint, habe ich den Wikipedia-Eintrag durchaus gelesen. Eben weil ich mir selbst die Frage gestellt habe, ob ich womöglich völlig falsch liege mit meinem Eindruck.
Okay, ich meinte nur, weil du was von ausweichen und Verhältnismäßigkeit geschrieben hast. Beides Dinge, die die Notwehr im Normalfall nicht verlangt.
Wo Du auf Wikipedia verwiesen hast, zitiere ich gerne einmal aus deren Definition:
Mit Notwehrhandlung bezeichnet man die Handlung, die der Verteidiger zur Abwehr des Angriffs vornimmt. Notwehr berechtigt nur zur erforderlichen Verteidigung (Erforderlichkeit). Eine erforderliche Verteidigung ist die mildeste aller möglichen, die geeignet ist, den Angriff sicher und endgültig zu beenden.
Zwei Faustschläge, welche die hier zur Folge gehabten Verletzungen herbei geführt haben, in das Gesicht einer praktisch bewegungsunfähigen Frau als Reaktion auf Spucken (was ja der "Notwehrgrund" sein soll, hinzu kommt - lt. Polizeisprecher - noch das schlagen wollen mit dem Kopf, was mir aber, aufgrund der Fixierung und Lage der Frau als herbeigezogen erscheint, da physiologisch kaum möglich) scheint mir - nach meinem Logik und Unrechts,-/Rechtsempfinden - nicht zu passen.
Man kann gerade bei Widersprüchlichem (Kopfstoß oder Spucken; richtig fixiert und gefesselt oder festgehalten, um fixiert zu werden) nicht einfach die Lieblingsversion annehmen, sondern sollte sich zurücklehnen und das Ergebnis des Verfahrens abwarten.
Übrigens kann ich den Sachverhalt so auslegen und unter das Notwehrrecht packen, dass es passt (ohne, dass dies meine persönliche Meinung oder Rechtsauffassung darstellt
)
Notwehrauslegung zugunsten des Polizisten sähe dann etwa so aus:
I. Notwehrlage: Gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff
Anspucken ist ein rechtswidriger Angriff gegen die Ehre und die körperliche Unversehrtheit.
Der Kopfstoß ist ein ein Angriff gegen die körperliche Unversehrtheit.
Dieser Angriff fand auch gerade statt, war also gegenwärtig und auch rechtswidrig.
II. Notwehrhandlung: Erforderlichkeit der Notwehrhandlung
Die Handlung ist erforderlich, wenn sie objektiv geeignet ist den Angriff abzuwehren und das relativ mildeste Mittel darstellt.
Objektiv geeignet ist sie, wenn sie die sofortige und endgültige Beseitigung des Angriffs erwarten lässt oder wenigstens den Angriff abschwächt.
Durch den Faustschlag (gehen wir von einem Faustschlag aus) wurde die Aktion der Frau beendet, die Handlung war objektiv geeignet.
Der Faustschlag müsste auch relativ mildestes Mittel sein.
Stehen dem Angegriffenen mehrere gleich geeignete Mittel zur Verfügung, muss er das mildeste wählen.
Hierzu gilt: Ausweichen ist kein milderes Mittel (Rechtsbewährungsprinzip: Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen). Auf unsichere Verteidigungsmittel muss sich der Angegriffene nicht beschränken. Das einzige Mittel ist stets erforderlich. Ein milderes Mittel muss immer "genauso effektiv" sein, wie der fälscherlicherweise gewählte.
Zurückweichen ist kein milderes Mittel.
Ein Schlag in eine andere Körperregion nicht genauso effektiv, weil dadurch das Spucken oder mit dem Kopf stoßen nicht sicher beendet worden wäre.
Den Kopf mit der Hand zu fixieren wäre ein riskantes Mittel, da hierbei die Gefahr des Gebissen-Werdens vorliegt.
Fraglich, ob ein Schlag mit der flachen Hand es auch getan hätte. Vielleicht. Aber auf der anderen Seite war die Frau vielleicht so aufgebracht, dass der Polizist annehmen musste, eine Ohrfeige hätte sie nur noch mehr aufgebracht. Oder es war aufgrund der umstehenden Kollegen nur möglich mit geschlossener Hand zu schlagen.
III. Gebotenheit der Handlung
Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung findet nicht statt.
Eingeschränkt wird die Notwehr nur in Ausnahmefällen:
1. Bei erkennbar schuldlos Handelnden
Die Frau war soweit klar, dass der Richter keine Blutabnahme anordnete. Sie war also aufgrund von Drogen oder Alkohol sicher nicht schuldunfähig.
2. Bei Bagatellangriffen (Drängeln in der Warteschlangen). Liegt nicht vor.
3. Bei einem krassen Missverhältnis zwischen den Rechtsgütern (Kriegsveteran der Kirschdieb vom Baum schießt). Liegt nicht vor.
4. Enge persönliche Beziehung. Liegt nicht vor.
5. Provokationsfälle. Liegen nicht vor.
6. Art.2 EMRK. Liegt nicht vor.
Demnach keine Einschränkung.
IV. Verteidiungswille
Lag vor.
Zuletzt wäre noch die Frage, ob die Polizei sich überhaupt auf § 32 StGB berufen kann, weil eben die Verhältnismäßigkeitsprüfung entfällt. Das nehmen wir zugunsten des Polizisten natürlich auch an.
Damit wäre die Notwehr gegeben, der Polizist gerechtfertigt.
Geht man davon aus, dass der Faustschlag zu krass war, der Polizist aber aus einem Gefühl des Bedrohtseins handelte, wäre er entschuldigt (rechtswidriges Handeln, aber ohne Schuld - Notwehrexzess).
Es geht ja nicht darum, dass man das anders sieht. Kann man alles. Ich kann im Notwehrparagraphen nur etwas anders argumentieren und plötzlich ist es keine Notwehr mehr. Was man unter den § 32 StGB fallen lässt und was nicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Aber den Einwand der Notwehr als "unangebracht" zu bezeichnen, wie helki das tat, finde ich eben daneben. Nur darum ging es mir