Das Lausitzer Revier dehnt sich nach Westen aus:
Wolf nahe A4 bei Kamenz gesichtet
Kamenz. Die Wölfe sind auf dem Weg nach Westen. Ein besonders kräftiges Tier wurde am Freitagmorgen an der Verbindungstraße von der Autobahn 4 in Richtung Kamenz entdeckt und sogar fotografiert. Es ist der erste Bildbeweis dafür, dass die Wölfe ihre Reviere von der Lausitz aus immer weiter gen Westen verlagern.
Erste Hinweise gab es schon vor einem Jahr. Im März 2010 hatten Jäger bei Großröhrsdorf in der Massenei ein totes Reh gefunden. Die Bißspuren am Hals deuteten darauf hin, dass ein Wolf das Tier gerissen hat, erklärte Jagdpächter Thomas Adler. Insgesamt leben in Sachsen derzeit fünf Rudel. (SZ/ik)
Foto unter
Der einsame Wolf
Von Ines Klein
Thomas Jordan hatte es eilig am Freitagvormittag, kurz vor neun Uhr. Der Termin bei dem Kunden ist gut gelaufen. Doch auf dem Schreibtisch wartet noch viel Papier. Thomas Jordan wollte so schnell wie möglich zurück in sein Büro bei der Bildungs- und Service GmbH in Großröhrsdorf. Doch es geht quälend langsam voran auf der neuen Verbindungsstraße von der Autobahn 4, Anschlussstelle Burkau nach Kamenz. Stoßstange an Stoßstange schiebt sich die Karawane voran, als plötzlich an der linken Straßenseite ein Wolf auftaucht. Thomas Jordan greift zum Handy mit Fotofunktion und drückt ab. „Mir war sofort klar, das ist kein Hund, das ist ein Wolf“, sagt der Familienvater. Den kannte er bisher nur aus Büchern oder aus dem Freigehege. „Aber meine Frau, die ist ein echter Wolfs-Fan“, sagt Thomas Jordan. Und das, obwohl sie vier Schafe hat.
Noch am gleichen Tage informierte er das Wolfsbüro in der Lausitz von der ungewöhnlichen Begegnung. Vanessa Ludwig hat das eine Foto gesehen und sagt, „das ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Wolf“. Das helle Fell rund um das als Fang bezeichnete Maul und der buschige, hängende Schwanz sprechen dafür. Schäferhunde und Wolfsmischlinge, so genannte Hybriden, sind an der Schnauze dunkler und haben eine ganz andere Fellzeichnung, sagt die Wolfsexpertin. Aus welchem der fünf Rudel der Wolf stammt, ist schwer nachzuvollziehen. Es könnte sich aber um einen im Mai vorigen Jahres geborenen Jährling handeln, der von seinem Rudel fortgebissen wurde und jetzt auf der Suche nach einem neuen Revier ist.
Auf den Täterspuren
Das Foto liefert den endgültigen Beweis für eine Vermutung, die die Jäger schon länger beschäftigt. Jagdpächter Thomas Adler wurde an einem Sonntag im März 2010 in die Massenei gerufen. Dort lag auf einem Feld, unweit des Arnsdorfer Weges, ein totes Reh.
Dem Tier war übel mitgespielt worden. „Großflächige Bissverletzungen im Trägerbereich (Hals), zwei Bisse in der linken Hinterkeule, Bisse in den rechten Oberarm, Krallenspuren auf der rechten Körperseite sowie Blutergüsse am linken Oberarmbereich“, wird später in dem Protokoll der Wolfsexperten stehen. Sie waren eigens aus der Lausitz angereist, um das tote Tier zu inspizieren und den Täter schnell zu überführen. Für Thomas Adler stand damals schon fest: Das Reh ist von einem Wolf gerissen worden. Nicht der einzige Jagderfolg. Vor wenigen Wochen erst ist bei Elstra-Prietitz südöstlich von Kamenz ein vermutlich vom Wolf gerissenes Reh gefunden worden. „Wir werden also jetzt sehen müssen, ob der Wolf weiter zieht oder hier sein Revier absteckt“, sagt Gernot Schweitzer vom Landratsamt in Bautzen. Hektisches Treiben löst das Wolfsfoto dort allerdings nicht aus. Fachleute werden das Bild noch einmal untersuchen. Die Begegnung mit Isegrim wird dann noch sorgfältig in der Datenbank vermerkt und das war es auch schon.
Leider. Vanessa Ludwig würde sich wünschen, dass der Wolfsbeauftragte des Landkreises und Jagdpächter jetzt ganz aktiv nach Spuren des Räubers suchen. Über sein Alter kann bisher übrigens nur spekuliert werden. „Das war ein ausgewachsenes Tier“, ist sich Thomas Jordan sicher. Er konnte am Freitag sogar noch im Rückspiegel verfolgen, wie der Wolf die vielbefahrene Straße überquert hat. Es könnte aber eben auch ein Jährling sein, sagt Vanessa Ludwig. Mit dem dicken Winterfell sehen sie schon neun Monate nach ihrer Geburt aus wie ein erwachsener Wolf. Nach ein bis zwei Jahren werden die Tiere geschlechtsreif und gründen ihr eigenes Rudel. Die Begegnung am Vormittag ist aber sehr ungewöhnlich. Wölfe sind nachtaktiv.
Thomas Jordan hat seinen Schnappschuss den Kollegen gezeigt. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Er hat den Wunsch, dass keine Panik ausbricht. Wölfe sind scheue Tiere. „Sie haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen“, sagt der Steinaer. Eben ganz anders im Märchen.
Auf ein Wort