Das ist interessant, toubab. Dann fühlt man sich als "Mischling" womöglich eher der jeweiligen Minderheit zugehörig?
Ich denke, das kommt darauf an, wie sehr das auffällt -
wenn es auffällt, wird es ja durchaus aus der Umgebung auch wieder an einen herangetragen, dass man einer
ist.
Ich seh das hier bei uns schon so. Der GG und ich haben beide insofern einen "Migrationshintergrund", als jeweils ein Elternteil im Zuge der Gastarbeiter-Welle nach Deutschland gekommen ist (und das andere Elternteil deutsch ist).
Meine Mutter ist Slowenin, der Vater vom GG war Türke.
Wir haben beide von Anfang an einen deutschen Pass und wurden (aufgrund verschiedener Umstände) so deutsch sozialisiert, dass wir die Sprache des betreffenden Elternteils bestenfalls rudimentär sprechen und das zugehörige Land nur aus dem Urlaub kennen - der GG überhaupt nur von einem Besuch als Kleinkind, und einem Pauschalurlaub mit mir im frühen Erwachsenenalter.
Bei mir (und allen meinen Geschwistern und Cousins und Cousinen von der Seite) hat sich rein optisch klar die väterliche Seite durchgesetzt, und rein typmäßig geht das eher in Richtung Nord- bis Mitteldeutschland. (Wozu ich allerdings sagen muss, dass die Slowenen als solche auch nicht besonders 'mediterran' aussehen und hierzulande rein optisch meistens nicht besonders auffallen, zumindest nicht durch andere Haar- oder Hautfarbe. - Wenn man mehrere kennt und öfters dort war, erkennt man sie mit einer gewissen Chance auch, sonst aber eben nicht.)
Beim GG war das trotz eher norddeutsch aussehender Mutter anders - der hat nicht nur einen exotischen Vornamen, er sieht auch zumindest "irgendwie mittelmeerartig" aus. Für den war die Wohnungssuche zu Studentenzeiten schon immer etwas schwieriger, und er wurde doch immer mal wieder mit Fragen konfrontiert, wie, ob er mal nach dem Studium in seine Heimatstadt zurückwollte (sehr witzig, weil er damals dort noch wohnte...
) - oder ob er Schweinefleisch essen darf, oder, oder...
Während er sich Türken gegenüber regelmäßig dafür rechtfertigen musste, warum er fast gar kein Türkisch spricht und es auch nichtmal versteht... wenn er dann erklärt hat, dass sein Vater früh gestorben ist, und er dadurch keinen Kontakt zu seiner türkischen Verwandtschaft mehr hat, hatte er bei den Türken sowas wie einen Mitleidsbonus ("Ach das arme, unter lauter Deutschen ausgesetzte Kind"...) - Während die Deutschen meist spontan sagten: "Gott sei Dank!" oder irgendwas in der Art...
(Interessant in diesem Zusammenhang übrigens meine slowenische Verwandtschaft, als wir das erste Mal dort waren... die (älteren Tanten, Großcousinen etc.) begrüßten ihn recht freundlich, guckten aber etwas betroffen, und irgendwer fragte dann wohl mal meine Mutter ganz vorsichtig, ob er etwa
Italiener sei... - und als sie sagte, nein, zur Hälfte Türke, kam nur: "Türke? -
Gott sei Dank!!!"
Sowas war bei mir nie ein Thema, weil niemand, dem ich das nicht auf die Nase binde, davon ausgeht, dass ich nicht so richtig typisch deutsch deutsch sein könnte...
Und jetzt wiederholt sich das Ganze in der nächsten Generation. Der Fabi hat zwar meine eher braunen Borstenhaare geerbt, aber ansonsten sieht er so orientalisch aus, dass mich schon keine türkische Mädchen beim Kinderarzt gefragt haben, ob er wirklich mein Baby sei...
- Oder der Schwiegervater meiner Freundin (deren jetzt Ex auch ein eingedeutschter Türke ist) auf dem Gruppenfoto im Kindergarten, als er das einzige türkische Kind in der Gruppe erraten sollte, zielsicher auf Fabian tippte - und immerhin mit der Überzeugung "Aber der AUCH!" ja nicht ganz falsch lag.
Im türkischen Gemüsegeschäft unterbricht die dortig immer mal tagende Altherrenrunde regelmäßig ihre Gespräche, wenn ich mit Fabian dieses Geschäft betrete, denn es könnte ja immerhin sein, dass wenigstens einer von uns beiden sie versteht.
Und ich wurde früher (im Kindergarten oder von anderen Eltern) häufiger gefragt, ob er Schweinefleisch essen darf etc.
Kind 2 kommt witzigerweise eher auf meine Seite der Familie und meine früher hellblonde Schwiegermutter (also, die Mutter vom GG) - da mutmaßt trotz gewisser Ähnlichkeiten beider Kinder
niemand orientalische Wurzeln. Also fragt auch keiner, was Jakob essen darf, auch vorsichtige Fragen nach unserem Eheleben und ob mein Mann religiös sei, bleiben bisher noch aus... (Obwohl ich dann jedesmal mit großem Vergnügen antworten könnte - ist er, er ist gut katholisch...
- Wobei er nicht übermäßg religiös ist, aber katholisch.) - Ach ja, und wenn ich den Kleinen dabei habe, unterbricht auch im Gemüsegeschäft niemand seinen Vormittagsplausch...
Wenn überhaupt, wird also nur eins von meinen Kindern - und zwar das, was optisch als solches auffällt - mit seiner Herkunftsgeschichte konfrontiert und von außen dieser Gruppe zugeordnet (oder vielleicht auch nur, aus der anderen ausgeschlossen) - und nur das hat, wenn überhaupt, die Chance, sich auf diese Weise mehr damit zu beschäftigen und sich vielleicht irgendwann auch damit zu identifizieren.
Weißt du, wie ich meine?