Hey, auch wenn Du Dich erklaertermassen ausklinken willst, moechte ich die Dinge, bei denen ich nicht mit Deinem Post uebereinstimme hier noch ansprechen:
Die Aussage, dass es eben Grenzen gibt, bezog sich auf Jagdverhalten, nicht allgemein auf die Arbeit mit pos. Verstärkung. Und ich bin der Meinung, dass einem hier genauso bei pos. Strafe Grenzen gesetzt sind. Man kann einen stark jagdlich interessierten Hund dieses Interesse nicht einfach "verbieten" - wenn es so einfach wäre, würde ja kein Hund mehr jagen gehen...
Voellig richtig.
Was mich an dieser Art der Argumentation auch in anderen Diskussionen immer stoert, ist die implizite Annahme, dass die Befuerworter von Strafe ausschliesslich diese benutzen und ansonsten nicht an dem Problem arbeiten.
1. Muss unterschieden werden, zwischen gelangweilten Hunden die was rennen sehen und denken "Oh! Party!" und echten jagdlich motivierten Hunden.
Die "Party"-Fraktion bekomme ich sicher mit einem oder wenigen gezielten Abbruechen (sprayer, Schleppleine, Pfiff, ...), wenn das Rueckrufkommando nicht umgesetzt wird, PLUS entsprechender allgemeiner Auslastung des Hundes gut in den Griff.
Je nach Hund (und dazu gehört meine Hündin) würde Strafe insofern nichts bringen, weil der Hund völlig dicht macht und nicht mehr kooperiert, das möchte ich nun mal gar nicht
. Was Strafen angeht, die sie nicht mit mir verbinden würde, müßten diese so stark sein, dass ich sie nicht anwenden möchte.
Etliche Jagdhunde sind darauf gezüchtet, während der Jagd alles auszublenden, es bringt schließlich keinem Jäger was, wenn der der Hund die Jagd abbricht, weil er in ein Dornengestrüpp kommt.
Was uns hierzu bringt:
2. Echte Jaeger sind ein anderes paar Schuhe. Bei diesen ist die Jagd ein zwingendes Beduerfnis, und bei diesen Hunden waere es noch mehr als bei den gelangweilten Quaelerei, das einfach abzubrechen ohne einene alternative zu bieten.
Bloch erzaehlt dazu auf seinen Vortraegen z.B., dass er seine jagdlich motivierte Huendin Eichhoernchen zeigt bzw. sie sich von ihr zeigen laesst
hallo: Tut-nix, Zeigen und benennen in "andresrum"
) und zwar bei jedem Spaziergang im Wald.
So kann der Hund in nicht gefaehrdenden Grenzen (das Eichhoernchen sitzt ja auf dem Baum) seinen Beduerfnissen nachgehen, das Jagderlebnis ist eines *gemeinsam* mit dem Hundefuehrer, die Motivation, bei Rueckruf des "Mitjaegers" zu reagieren steigt.
Ich finde das einen guten Umgang mit den natuerlichen trieben *dieses* Hundes. (Und bevor jetzt wieder diverse Leute aus dem Busch springen: Nein, das ist natuerlich kein Anti-Jagd-Trainingstip, nur EIN - wie ich finde, schoenes - Beispiel von dem Bloch erzaehlt hat, dass er das so mit DIESEM SPEZIELLEN Hund macht).
Cherry schrieb:
Arbeit, die die zugrundeliegende Emotion ändert, die das Erregungsniveau senkt oder Signale die ordentlich (also dem Schwierigkeitsgrad angepasst) aufgebaut sind, sind meiner Meinung nach wesentlich sicherer. Der Hund hat keinen Handlungsbedarf mehr und was könnte sicherer sein, als ein Hund, der einen Auslöser sieht und keinen Grund hat unerw. Verhalten zu zeigen.
Hmmmm, gerade wenn Du echte Jaeger als Beispiel benutzt, dann finde ich diesen Satz nicht passend. Den Ansatz zur Jagd wuerde ich eher mit einem Reflex als emotionsbasiert bezeichnen. Insofern ist da nicht viel mit "Arbeit an der zugrundeliegenden Emotion" zu machen.
Bei Reaktiven Hunden gebe ich Dir voellig Recht, was mich aber wieder zu meinem Eingangssatz fuehrt. NIEMAND der Leute, die hier aversive Abbruchsreize befuerworten, hat gesagt, dass diese alleine reichen. Sie sind ausschliesslich das: Ein Situationsbezogener Abbruch, punktuell um das jetzt gerade gezeigte Verhalten zu unterbrechen.
Die ganze Arbeit die da noch drum herum geschieht, da sind wir uns doch alle viel naeher, als das immer dargestellt wird. Desensibilisierung des Reizes, Alternativverhalten, Belohnung, das ist doch bei "uns" auch alles da.
Cherry schrieb:
Ich versteh auch ehrlich gesagt nach wie vor nicht, dass es in der heutigen Zeit immer noch rumgeistert, dass man Verhalten durch Strafe "absichern" muss...
Bei "Pfoetchen geben" muss ich das sicher nicht. Beim Rueckruf sieht's meiner Meinung nach anders aus, denn da kann es eben passieren, dass ich den einsetze, weil der Hund gerade die B27 kreuzen will.
Und im Grunde ist doch das Training von Abgerufenem Verhalten mit steigernder Ablenkung auch nichts anderes als das Absichern.
Ich bin erklaertermassen kein Freund des Wortes "Strafe":
Das Wort "Verhaltensabbruch" impliziert das Timing und enthaelt keine emotionale Komponente.
Das Wort "Strafe" hingegen suggeriert, in der Haupatsache folgt sie nach dem Fehlverhalten, aber sie setzt den Rahmen von "Danach" nicht. Beispiel, Hausmeister Krause kommt nach 3 Stunden von seiner "Alles fuer den Dackel, alles fuer den Club"-Sitzung heim und drueckt erstmal seinen Welpen mit der Nase in die Pieselpfuetze (der alte Drecksack
). Macht man natuerlich nicht, ist voellig daneben, fuer den Hund nicht zuordenbar, in der Auspraegung nicht angemessen, und die wuetende Emotion sorgt fuer einen zusaetzlichen Vertrauensbruch.
Cherry schrieb:
Lerntheoretisch funktioniert pos. Strafe natürlich, schöpft man allerdings erstmal alle anderen Möglichkeiten aus, ist sie in den meisten Fällen nicht mehr notwendig.
Voellig richtig, "in den meisten Faellen." Ich stosse mich hier aber an der kategorischen Ablehnung, die von einigen Personen als "moderne Erziehung" gefordert wird.
Cherry schrieb:
Ich finde halt die Häufigkeit mit der sie eingesetzt wird in keiner Relation dazu, wie man sie tatsächlich "brauchen" würde.
Da sind wir voellig beieinander.
Cherry schrieb:
Natürlich sollte man einen aggressiv reagierenden Hund bis dahin nicht wild toben lassen! Aber wie gesagt auch da gibt es bessere Alternativen als pos. Strafe (Geschirrgriff, Entspannungssignal, vorübergehendes Meiden der Situation -> nicht als Dauerlösung, sondern um ein Umlernen überhaupt möglich zu machen und um eine gute Trainingsgrundlage zu schaffen).
Hier stellt sich wieder die Frage, die eigentlich das Kernthema in saemtlichen Threads zu diesem Erziehungsdetail ist: Was ist besser fuer den Hund, dass ich einige wenige male (vorausgesetzt, meine Technik ist korrekt) den Hund in seinem Verhalten abbreche, ihn direkt danach auffange (z.B. einfach durch Lob wenn er Ruhe gibt, oder durch eingefordertes Alternativverhalten), oder dass ich ueber Wochen daran arbeite, den Hund auf Distanz zu desensibilisieren, immer mit dem Risiko, dass hinter der naechsten Ecke doch mal sein Erzfeind kommt und ich wieder 3 Rueckschritte mache?
Nochmal: Die gesamte Arbeit drum herum, heranarbeiten an den Reiz, steigern von Ablenkungen und dergleichen, da sind wir doch alle beieinander.
Cherry schrieb:
Würde pos. Strafe wirklich gut eingesetzt werden, müßte man sie auch nur ganz selten anwenden. Aber was ich im Alltag rumlaufen sehe, ist eben etwas anderes. Da strafen die Besitzer nach Wochen, Monaten, teils Jahren immer noch und genau da hat man dann natürlich besonders die Gefahr der genannten Nebenwirkungen (unerw. Verh. wird schlimmer, Hund verknüpft Unangenehmes mit dem Auslöser, Mensch-Hund-Beziehung verschlechtert sich).
Wo wir wieder voellig beieinander sind.