Darüber sollte der eine oder andere Hundehalter tatsächlich mal nachdenken, aber "erforschen" muss man das an sich nicht.
Oder zumindest habe ich das Gefühl, dass es durchaus Hundekundige gibt, die dieses Rudelverhalten kennen, korrekt beschreiben und einordnen können (z.B. Suzanne Clothier).
Auch nach dem Vorfall in Hamburg wurde es ja durchaus korrekt benannt. Dass es (zumindest der Fachwelt) "unbekannt" ist, davon gehe ich also nicht aus.
Ich finde auch den Vorfall an sich weder rätselhaft noch unerklärlich (was nicht heißt, dass ich ihn nicht tragisch oder furchtbar fände - das eine schließt ja das andere nicht aus.)
Wir haben:
Eine
Gruppe von Hunden in Außenhaltung auf einem allein liegenden Grundstück, also große Teile des Tages
unbeaufsichtigt.
-> Diese Hunde sind es gewöhnt, ihre Angelegenheiten zu großen Teilen
selbst zu regeln. Es ist ja niemand menschliches da, der es für sie tut.
Auf der anderen Seite die zugehörigen Menschen, die die Hunde versorgen, sich auch gelegentlich um sie kümmern, sie (hoffentlich!) jeden Tag füttern... die Haltung enspricht etwa der von Pferden in Offenstallhaltung, oder Kühen auf der Sommerweide.
Der Halter schaut, wie gesagt hoffentlich, täglich nach den Hunden und füttert sie, und ab und an wird er auch seinen kleinen Bruder mal mitgenommen haben zum Helfen (bevor ich wusste, dass es der Bruder war, dachte ich, vielleicht gehören die Hunde einem Nachbarn. So passt es aber noch besser.)
Der Junge kennt also die Hunde, kennt das Füttern, und macht es, wenn er Langeweile hat, vielleicht auch verbotenerweise ab und zu alleine. - Wie Luzi schon sagte, Kinder sind so.
Vielleicht hat er dabei die Male davor das Grundstück nicht betreten, sondern die Hunde nur durch den Zaun gefüttert. (Vielleicht auch nicht, man weiß es net.)
Nun sind aber Welpen da. - Rudeldynamisch ist das unter Umständen fatal, vor allem, wenn die Hunde nicht sehr viel menschliche Gesellschaft gewohnt sind. Finde ich auch kein seltsames Verhalten.
Andererseits sind für ein Kind, das an Tieren interessiert ist, kleine Hunde natürlich ein besonders großer Anreiz. Das wäre mir in dem Alter ganz genau so gegangen.
(Ich war auch so ein "Heimlich-Fütterer angeblich unverträglicher Hunde", allerdings nie ohne Zaun dazwischen, und nie mit so schrecklichem Ausgang... - und wenn es wo Welpen gab, die zB in einem Garten im Auslauf waren, bin ich den Leuten quasi in den Garten gezogen - wir lebten ja auf dem Land, wo das damals nicht so ungewöhnlich war, dass fremder Leute Kinder aus dem Dorf in den Gärten anderer Leute einfielen...)
Vielleicht hat der Junge die Welpen mit seinem Bruder schon einmal besucht (da war der aber dabei) - oder er
wollte sie gern sehen, es hatte aber niemand Zeit und Lust, mit ihm dahin zu gehen...
Wie Luzi schon sagte: Kinder machen manchmal spontan solche Dinge, und er "wusste ja, wie alles geht..." - also ist er allein gegangen, und dann nahm das Unheil seinen Lauf.
Es braucht ja nur so gewesen zu sein, dass er mit den Welpen gespielt hat, und einer von denen wollte weg und er hat ihn festgehalten und der hat gequietscht .
Oder vielleicht hat die Hündin ihn gleich gar nicht an die Kleinen herangelassen.
Weiß man nicht. Ist auch egal, passiert ist dann jedenfalls das, was passiert ist.
Ist alles ganz furchtbar und schrecklich, aber
unerklärlich ist es bei den hier vorliegenden Informationen absolut nicht.
Zu der ganzen Raubtier-Diskussion kann ich nur sagen:
Habt ihr verdammt nochmal keine anderen Probleme, als ideologisch-philosophische Korinthen zu verteilen?
"Raubtier" ist der korrekte zoologische Ausdruck - vielleicht sollte man mal anregen, einen weniger vorbelasteten zu wählen, aber im Moment ist das die richtige fachliche Bezeichnung, und damit wohl ziemlich abhold jeder moralischen Wertung.
Wenn ich meinem Kind erklären würde: "Ein Hund ist ein Raubtier" - dann würde ich damit meinen (und ich denke, das würde ich/ werde ich eines Tages genau so auch sagen, also konkret statt abstrakt
"In der freien Natur lebt er davon, dass er andere Tiere tötet und frisst. Er hat daher scharfe Zähne, mit denen er töten und verletzen
kann. Es ist also beim Umgang aus diesem Grund eine gewisse Vorsicht geboten."
Eine moralische Bewertung dieses Umstandes entfällt - sie würde auch an der Tatsache nichts ändern.
Allerdings muss ich Podifan in einem Recht geben: Ein Hund ist zwar zoologisch betrachtet ein Raubtier, aber der Junge hätte genauso gut von den Kühen, Pferden oder sogar Eseln seines Bruder getötet werden können. Vielleicht sogar von Schafen, wenn ein Widder dabei war, oder von Elefanten. Nur eben
anders.
Alle sind Tiere, und man kann ihnen letzlich nur vor den Kopf gucken, und es kann immer was passieren.
Er hätte aber auch umkommen können, wenn sein Bruder auf dem Grundstück Forellen gezüchtet hätte - er hätte nur allein dorthin gehen müssen, Fische füttern, hineinfallen, sich den Kopf anstoßen und ertrinken. Das kommt weiß Gott nicht selten vor.
Oder in der Autowerkstatt seines Bruders verbotenerweise den Wagenheber bedienen und von einem Auto erdrückt werden, oder, oder...
Damit meine ich: Dass Hunde beteiligt waren, machte die Sache grundsätzlich nicht
wesentlich gefährlicher als viele andere Aktivitäten, die Kinder verbotenerweise alleine unternehmen.
Man darf allerdings in diesem Fall auch nicht vergessen, dass diese Hunde, nach allem, was wir wissen, eben
nicht den größten Teil des Tages im Familienverband mit Menschen lebten, und Menschen quasi nur als Besucher kennen. - Es ist also nicht zu erwarten, dass sie den Jungen als "irgendwie zu sich oder der eigenen Familie gehörig" betrachten. Warum
sollten sie das? Sie haben doch einander.
Und wenn er dann noch den eigenen Nachwuchs "bedroht"... - dann zeigen sie möglicherweise sehr ursprünglich hundliches - und wenig "familienhundliches" Verhalten.
(Dazu gehört übrigens auch das Vergraben eventueller Beute. Darüber, ob sie wirklich ausgehungert waren, kann man ja nur spekulieren. Auf jeden Fall waren sie aber anscheinend zumindest phasenweise lange genug sich selbst überlassen, um diese ursprüngliche Verhaltensweise zu reaktivieren.)
Die Tragik sehe ich hier: Der Junge "kannte" die Hunde, sie gehörten für ihn irgendwie zu
seiner Familie - er für die Hunde aufgrund der Art, wie sie gehalten wurden, aber nicht zu
ihrer.
Das Ergebnis ist so schrecklich, dass ich über die Analyse hinaus darüber gar nicht nachdenken kann.
Aber, wie gesagt: Unerklärlich? - Absolut nicht.
Unvermeidlich? - Naja, unter den gegebenen Umständen vermutlich auch nicht, aber ich finde, man sollte Hunde nicht so halten.
Dann wäre der Vorfall aus zwei Gründen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit passiert:
a) Die Hunde wären hoffentlich den Kontakt mit Menschen mehr gewohnt gewesen
und
b) Sie wären hoffentlich nicht so lange völlig unbeaufsichtigt gewesen. Oder besser gesichert, weil man sie eben nicht "weitab, wo sowieso nie jemand hinkommt" "aufbewahrt" hätte.
Das sind jetzt mal meine unabgeschlossenen Gedanken zum Thema.
LG,
Lektoratte