Katzenschutz schrieb:
Mir tun Menschen wirklich LEID, die nicht in der Lage sind, (egal, WER letztendlich gerade das Opfer ist, ob es ein "Gesicht" hat / bekannt ist wie Whitney oder unbekannt), mitzufühlen, Mitleid zu haben.
Das kann ich durchaus nachvollziehen. Ich frage mich nur, auf wen konkret du diese Beschreibung beziehst?
Dass es Melanie
nicht darum geht, dass sie
gar kein Mitleid oder Mitgefühl hat, sondern darum, dass sie sich die "wirklich tiefen" Emotionen für diejenigen Leute aufhebt, die sie kennt und die ihr wirklich nahestehen, hat sie doch nun hinreichend dargelegt.
Das ist die eine Seite. Hat aber grundsätzlich nichts mit gefühlskalt oder oberflächlich oder "fehlender Empathie" zu tun.
So handeln in der Tat sehr häufig die Leute, denen sonst alles
übermäßig nahegehen würde.
Und im Grunde ist das auch sinnvoll, denn was nützt es, wenn man in der Zeitung mal wieder von einem schrecklichen Familiendrama liest, und aus lauter Empathie springt man gleich auch selbst von der Brücke (mal
sehr überspitzt ausgedrückt...)?
Meiner Erfahrung nach sind es oft die angeblich "gefühlskalten" Menschen, die bei einer Krise im Familienkreis es zwar auf den ersten Blick an angemessener Emotionalität mangeln lassen, dafür aber dann die einzigen sind, die noch handlungsfähig sind und wirklich etwas tun und bewegen.
Denn: Jemandem eine Eigenverantwortung für sein Schicksal zuzuweisen, heißt ja nicht, diesem im Zweifelsfall nicht zu helfen.
Das andere ist ihre Meinung über die Entstehung von Suchtverhalten - die ich nicht so harsch lese, wie viele von euch, der ich mich aber auch nicht völlig anschließen kann.
(Die ich aber übrigens auch eher unter "Selbstschutzmaßnahme" einordnen würde als unter Gefühlskälte...)
@KS
Zum Thema: "Was unterscheidet Verstorbenen A von Verstorbenem B" habe ich in dem besagten Fred schon einmal etwas geschrieben, und ich schreibe es gern nochmal:
Die Mehrheit der Menschen ist tatsächlich so gepolt, dass für sie etwas, das sie sieht und konkret vor Augen hat, "wirklicher" ist und sie eher erreicht als abstrakte Zahlen. Das mag bei manchen anders sein, es trifft aber auf die meisten Leute zu. Und diese können das auch genausowenig "abstellen", wie ein Farbenblinder seine rot-grün-Rezeptoren
anstellen könnte, nur weil das ja an sich sinnvoll wäre.
Darum geht dem Durchschnittsmenschen ein Video mit einem überfahrenen Kind deutlich näher als die Nachricht: "Jeden Tag sterben 1234 Kleinkinder im Straßenverkehr." Schon ein Ereignis in einer Umgebung, die einem
vertraut ist, die man also bei der Vorstellung vor Augen hat, geht den meisten Leuten näher als eine Nachricht von einem Ort, den man noch nie gesehen hat und vermutlich in seinem Leben auch nie besuchen wird. Das
ist so. Das kann man finden, wie man will, es ist aber einfach eine der Realitäten des Lebens. So tickt der Mensch, so verarbeitet er Emotionen.
Und genau darum geht es vielen Menschen auch näher, wenn ein Prominenter stirbt, als wenn im Nachbarort jemand bei der Gartenarbeit tot umfällt, den man nicht kannte - den Promi "kannte" man wenigstens vom Sehen, hat über Jahre zumindest seine Karriere verfolgt (bei Whitney Huston in den letzten Jahren nur mehr, wie offenbar ihr Leben immer mehr aus den Fugen geriet), und damit den Eindruck gehabt, der sei mindestens so ein Teil des eigenen Lebens wie der Nachbar, den man jeden Tag freundlich grüßt, auch wenn die Bekanntschaft natürlich eine einseitige ist.
Und damit und
genau aus diesem Grund geht dann vielen Leuten der Tod einer solchen Person A näher als der Tod einer völlig unbekannten Person B.
Rein rational betrachtet gibt es dafür
überhaupt keinen Grund. Möglicherweise hat Person XY ein viel tragischeres Leben gehabt und das Mitgefühl mehr "verdient" als Star Z. Da man Person XY aber nicht "über Jahre", sondern möglicherweise gar nicht gekannt hat, fehlt die emotionale Verbundenheit - es bleibt alles weiter weg.
Mit "Heuchelei" (wie ja besonders rationale Kritiker gern sagen) hat das aber mEn nichts zu tun. Die allermeisten Menschen
können tiefes, rein emotional bedingtes Bedauern nur empfinden, wenn sie persönlich eine emotionale Bindung zu etwas bereits hatten - und tun das
dann ganz automatisch. Und sonst eben nicht.
(Bei vielen geht es sogar
nur dann, wenn die Situation so beschaffen ist, dass sie selbst sich in derselben Situation sehen können. Nun hat der eine mehr Phantasie und erscheint darum empathischer, und der andere ist vielleicht Realist, und das Leben einer Whitney Huston scheint so weit weg von seinem eigenen, dass sie schlichtweg nicht realer für ihn ist als die Protagonisten in einem Roman oder einer Vorabendserie. Für deren Protagonisten und deren Schicksale sich das Bedauern üblicherweise ja auch in Grenzen hält, weil die eben irgendwie
nicht real sind...)
Insofern ist das eine sehr aufrichtige oder zumindest
unverfälschte Empfindung, die nicht dadurch schlechter (oder auch besser!) wird, dass sie - bedingt durch die Art ihrer Entstehung - nicht in
jedem theoretisch vergleichbaren Fall auftritt.
Sie ist nicht rational begründet, und darum ist es im Grunde sinnlos, sie anhand rationaler Kriterien zu beurteilen.
Ich persönlich finde es übrigens auch sinnlos, den
gesamten irrationalen Anteil einer Persönlichkeit anhand rationaler Kriterien zu bewerten, und etwa als klug oder dumm, vernünftig oder unvernünftig einzuordnen. Fakt ist: Jeder Mensch
hat solche Züge, die einen mehr, die anderen weniger.
Es gibt Gründe dafür, die darin liegen, wie das menschliche Gehirn aufgebaut ist, lernt und funktioniert.
Daran kommt man nicht vorbei.
Man darf es selbstverständlich nervig finden, wenn man selbst gerade darunter zu leiden hat.
Es ist aber kein Fehler im System, es ist die Regel.