Meike schrieb:
Das ist für mich auf jeden Fall eine gewisse Schärfe, wobei das andere als normales Schutzverhalten sehen, andere sowas gar nicht mögen und wollen. Ich denke auch das es Hunde gibt denen man das nicht beibringen muss, die bringen das von Natur aus mit (wie andere eben andere Sachen wie hüten, jagen oder jeden toll finden).
Stimme Meike zu und denke, dass die (unbeeinflusste) Ausprägung vieler dieser Verhaltensweise angeboren ist und teilweise rassetypisch zugeordnet werden kann.
Ich kenne mich mit "Mannschärfe" zwar nun gar nicht aus, aber wenn wir mal den vorher genutzten Begriff "Raubzeugschärfe" nehmen (den ich auch eher Jagdtrieb nenne würde), würde ich nach 5 sehr unterschiedlichen Hunden auf dem Land, teilweise mit Freilauf (und teilweise in einer Zeit, als irgendwie noch nicht soo darauf geguckt wurde, was Hund macht) in meinem Besitz und diversen Hunden von Bekannten mal davon ausgehen, dass alle Hunde "irgendwie" Jagdverhalten zeigen, wobei die Verhaltensroutinen sich teilweise gleichen.
Aber da Hund nun schon seit bestimmt 1000 Jahren nicht mehr nur unbedingt zur Jagd verwendet wird, scheinen diese Verhaltensroutinen nicht mehr unbedingt vollständig vererbt zu werden. Je nach Rasse hat man vielleicht sogar versucht, auf unvollständiges Jagdverhalten (etwa Hütehunde) zu selektieren, oder auf wenig Hetztrieb (Retriever: Bitte erst loslaufen, wenn Wild schon platt im Wasser schwimmt. Vorher nicht, oder wwi.), auf extremen Verfolgetrieb (Windhunde)...
Genauso sieht es mit Hartnäckigkeit aus. Alle Terrier, Dackel usw., die allein auf sich gestellt arbeiten mussten, dürfen sich nicht einfach in die Flucht schlagen lassen, müssen ihre Arbeit auch gegen Widerstände zuEnde führen... das ist nicht nur Erziehung. Bestimmte Rassen wurden für diese Aufgaben selektiert und zeigen oft ein gewisses gemeinsames Repertoire an Grundverhaltensweisen (innerhalb eines gewissen Spielraumes).
Und genau das gleiche gilt vermutlich auch für "Mannschärfe". Petra hat geschrieben: "Der unprovozierte Angriff eines Hundes auf einen Menschen..."
Vermutlich ist der Unterschied zwischen einem Hund "mit" oder "ohne Mannschärfe" der, was dieser Hund als Provokation ansieht. Natürlich kann das mittels Erziehung, also über Lernen festgelegt werden.
Aber wie leicht das geht, und wie bereitwillig der Hund dann nach vorn geht, statt einfach auszuweichen oder "nur" zu verbellen, ist vermutlich Teil seines genetisch angelegten Verhaltensrepertoires.
Auch Dinge wie Wach- oder Schutzverhalten sind ja durchaus rassetypisch und also irgendwo im Erbgut verankert. Auch da waren "meine" letzten 5 Hunde alle sehr unterschiedlich, ohne dass wir es irgendwie darauf angelegt hätten.
Der erste war extrem wachsam und ließ sogar gute Bekannte/Hundesitter ohne Familienangehörige nicht ins Haus (und auch den Vater meiner besten Freundin nicht in
sein Haus, weil er ihn nicht kannte.) - Der knurrte und warnte dann, und wenn der Besucher darauf nicht achtete, ging er mit Gebrüll drauf und schnappte auch, wobei er allerdings nie etwas erwischte. (Er ließ also recht eindrucksvoll die Zähne zusammenklappen).
Blieb der Bedrohte stehen, blieb Hund auch stehen und knurrte permanent, bis jemand erschien und Bedrohten und Hund aus der Situation erlöste.
(Wir hatten genau einen solchen Vorfall in unserem Haus, und wie gesagt einen im Haus meiner Freundin).
Das haben wir ihm garantiert nicht beigebracht und wären sehr froh gewesen, wenn er das Verhalten nicht so ausgeprägt gezeigt hätte. Das machte er auch nur, wenn er allein war, also "im Dienst".
Der zweite (der Colliemix) ging lieber eher stiften, wenn wer Fremdes im Haus auftauchte.
Der dritte wurde leider nicht alt, zeigte aber schon als Junghund ein gewisses: "Ist es okay, wenn der hier reinkommt?"-Verhalten. Er hätte also geknurrt und gewarnt, wenn man ihn darin bestärkt hätte, orientierte sich aber eben an uns.
Der vierte begrüßte jeden Besucher überschwänglich, bewachte aber den Garten und alle angrenzenden Grundstücke mit großer Ausdauer. Er lag mit Vorliebe den ganzen Tag auf der etwas erhöhten Terrasse meiner Eltern und beobachtete die Umgebung. Er wusste genau, wer dahin gehörte und wer nicht. Und je nach Suspektheitsgrad wurden fremde Passanten mit mehreren gewichtig-gemessenen Bellern verwarnt, oder auch schon mal unfreundlicher. Wie etwa der neue Gärtner, der einfach aufs Grundstück der Nachbarn kam und anfing, im Gartenhaus und in der Garage herumzufuhrwerken (Nachbarn waren im Urlaub) - der muss gedacht haben, nebenan wohnt eine reißende Bestie.
(Das hatte im übrigen zur Folge, dass meine Mutter den Gärtner zur Rede stellte. War zwar unnötig, wäre aber im Fall eines dreisten Einbruchs bestimmt ganz nützlich gewesen.)
Der hat also sehr genau aufgepasst und gewacht - dass trotzdem jeder Fremde ins Haus oder aufs Grundstück kommen konnte, ahnte ja keiner.
Da unsere Hunde damals alle mehr oder weniger "für den Hausgebrauch unerzogen" waren, kann ich mit Sicherheit behaupten, dass wir ihnen weder ein bestimmtes Jagd-, noch ein bestimmtes Wachverhalten "anerzogen" haben. Das entwickelte sich einfach so, und zwar bei jedem unserer Hunde anders.
Von daher glaube ich wie gesagt, dass diese Verhaltensweisen in ihrer Ausprägung zu einem Gutteil angeboren sind. Was mensch am Ende daraus macht, ist wieder eine andere Frage.
Aber das Potenzial für die eine oder andere Aufgabe ist vorher bereits da - oder eben nicht.