Ich verstehe sogar, dass wenn immer wieder Menschen in den Medien zu Wort kommen, die negativ über ihre Arbeitgeber berichten, dass man sich schwer vorstellen kann, dass es auch eine andere Seite der Medaille gibt.
Kannst Du Dir nicht vorstellen, dass sich von den ca. 1 Millionen Leiharbeitnehmern nicht nur deshalb Einige melden, weil sie sich nicht trauen, sondern weil sie zufrieden sind? Oder glaubst Du ehrlich, dass sich Leiharbeitnehmer nur vereinzelt zu Wort melden, weil sie nicht organisiert sind und Angst haben, sich zu beschweren?
Kannst Du Dir denn vorstellen, dass ein Großteil der Leiharbeiter vor ihrer Anstellung "noch negativere" Erfahrungen mit Ämtern und "normalen" Arbeitgebern gemacht haben und wirklich froh und glücklich sind, bei der Zeitarbeitsfirma zu arbeiten?
Es fällt Dir schwer das zu glauben, aber ich weiß, dass es stimmt. Uns begegnen auch Mitarbeiter/ innen, die gefrustet sind, weil sie sich genötigt sehen, sich bei uns zu bewerben, aber das sind von 100 Bewerbern vielleicht eine Hand voll.
Ich kann nur aus meinen Erfahrungen sprechen und die sehen so aus, dass der Großteil unserer Arbeitssuchenden Menschen sind, die es schwer haben, sich direkt um eine Stelle zu bemühen und das nicht deshalb, weil ihnen die Zeitarbeit alles wegnimmt.
Wenn ich nur den heutigen Tag Revue passieren lasse, fällt mir das junge Mädel ein, dass sich für einfache Lagerarbeiten beworben hat. Als Qualifikation hat sie in der Schule eine 1,5 Jährige "Ausbildung" als Maßschneiderin gemacht ohne praktischen Teil. Ich sage es frei heraus: Vom Auftreten und Erscheinungsbild war sie das kleine, übergewichtige Mädchen, dass in viel zu engen Klamotten und total overdressed und geschminkt, als würde sie in die Disco gehen. Ich habe das Bewebungsgespräch selber geführt. Sie hat den Mund nicht aufbekommen und mir die ganze Zeit ihre Brüste entgegen gestreckt, weil ihr vielleicht irgendwer erzählte, dass sie damit punkten kann.
Im Gespräch wurde sie erst etwas entspannter und erzählte etwas von sich, als ich ihr zeigte und erklärte, dass mir bewusst wäre, dass sie nervös ist und deshalb nichts sagt, aber ich sehen würde, dass sie bemüht ist, weil sie sich hergerichtet hat und respektvoll auftritt.
Ich habe dann irgendwann wie ein Erwachsener mit einem kleinen Mädchen gesprochen, als ob ich ein Vater oder Verwandter wäre und ihr zu verstehen gegeben was wir uns vorstellen und dann erzählte sie etwas aus ihrer familiären Situation etc.
Als ich ihr erklärte, dass wir ihr eine Chance geben, sich morgen bei einer Firma vorzustellen, bei der sie, wenn alles super läuft, lange arbeiten kann und eventuell übernommen werden kann, ist sie fast ausgeflippt vor Freude.
Du und andere werden sagen, dass das arme Mädchen wegen der Zeitarbeit keine andere Wahl hat und wir die Not der Leute ausnutzen. Ich sage Dir, dass sie sich seit Längerem bei Firmen bewirbt und meistens nicht einmal bis zu einem Vorstellungsgespräch kommt und wenn, dann sind die Gespräche nach 5 Minuten zu Ende, was sie gar nicht versteht.
Das Unternehmen, bei dem sie sich morgen vorstellen darf, hätte sie übrigens auch nie zum Vorstellungsgespräch eingeladen, und macht das nur, weil ich dem Betriebsleiter Versicherte, dass sie auf den ersten Blick etwas schüchtern wirkt, aber meiner Meinung nach sehr motiviert ist und unbedingt will. So traurig das auch sein mag, aber allein ihr Aussehen hätte für den Kunden ein Ausschlusskriterium bedeutet.
Morgen hat dieses Mädel nun die Chance, sich ernsthaft um eine Stelle zu bemühen und hat sehr gute Aussichten, diese auch zu bekommen, weil der Kunde meinem Urteil vertraut. Auch wenn er morgen Zweifel haben sollte, wird er ihr ne Chance geben, weil er weiß, dass wir es besser draufhaben als er. Sie müsste schon nen Bock abschießen, was auch immer mal wieder vorkommt, aber bei doch sehr selten ist. Ja, und natürlich spielt es für den Unternehmer auch ne sehr wichtige Rolle, dass wenn sich die Mitarbeiterin nach einigen Wochen so entwickeln sollte, dass sie die Erwartungen nicht erfüllen kann, er die Möglichkeit hat, sie schnell und ohne Aufwand wieder los wird.
Natürlich werden wieder einige sagen, wie schlimm sie es finden, wenn Mitarbeiter einfach wieder weggeschickt und ausgetauscht werden, aber dazu kann ich nur sagen, dass Euch die reale Erfahrung mit diesen Situationen fehlt und ich gespannt auf die Alternativen bin.
Es ist nunmal so, dass der Großteil unserer gewerblichen Bewerber in besonderen Situationen sind und sich daraus Einstellungshemnisse für Arbeitgeber ergeben. Ob es nun die fehlenden Sprachkenntnisse sind, oder die Vorstrafen, oder der fehlende Schulabschluss, oder die Einstellung, oder das Äußere etc. Ab einem bestimmten Punkt bleiben nunmal vorwiegend Leute dauerhaft ohne Arbeit, die schwer zu vermitteln sind und da bietet die Zeitarbeit vielen eine Chance, wo sie sonst aussichtslos wären.
Nicht ohne Grund sind der Großteil der Leiharbeiter unter 25 bzw. 30 oder 35 Jahre alt und zum Großteil gering qualifiziert.