Chris und ich sortieren, räumen und entsorgen und finden Sachen wieder, von denen wir gar nicht gewusst hatten, dass wir sie überhaupt haben. In der hinteren Ecke im Geräteschrank im Garten fand ich jede Menge alte Gartenscheren, schon leicht rostig und sehr stumpf. Ich erinnere mich dunkel daran, dass wir sie von den Vorbesitzern übernommen hatten, sie damals schon rostig und stumpf waren und ich sie eigentlich entsorgen wollte. Warum sie immer noch im Geräteschrank sind, erschließt sich mir daher nicht wirklich. Ähnlich ist es mit alten rostigen stumpfen Sägen im Gartenhaus.
In der Küche entdecken wir Küchengeräte, die wir ungelogen mindestens die letzten 4 Jahre nicht benutzt haben: Einen elektrischen Fleischwolf. Eine elektrische Brotschneidemaschine. Einen Flammenwerfer.
Ganz zu schweigen von viel zu vielen Kaffeebechern, Müslischalen, Auflaufförmchen, Schüsseln, Platten und Tabletts. Wie Chris heute meinte; "Wo zum Teufel kommt das alles her?" Ich überlege ernsthaft, ob ich, wenn das Wetter wieder gut ist, einen Tisch an die Straße stelle und die Sachen zum Mitnehmen anbiete.
Ein Quell der Überraschung waren übrigens auch zwei Kommoden mit Leggins, Socken, Strümpfen, Nylons, BHs, Pyjamas (von einem Krankenhausaufenthalt) und Schwimmsachen. Als Aufwärmübung habe ich zuerst die einzelnen Socken entsorgt, von denen ich nie herausgefunden habe, wie und wo der Partner verschwunden ist. Als nächstes habe ich fadenscheinige Sockenpaare aussortiert, die zwar in den Schubladen lagen, die ich aber schon lange nicht mehr angezogen habe, von denen ich mich aber auch nicht trennen konnte. Wohl falls mal alle anderen in der Wäsche sind und ich dringend ein Paar brauche - oder so. Danach ging ich tapfer daran, all das auszusortieren, was mir mittlerweile zu klein ist. Daraufhin passte der Rest in eine Kommode.
Ein bisschen Bauchgrummeln macht mir der Teil vom Schrank mit den zu kleinen Jeans. Ich habe die so gern, aber nur kurz getragen. Ob ich mich von denen trennen kann, weiß ich noch nicht. Da hängen so schöne Erinnerungen an 2017 dran.
Wir finden aber auch anrührende Sachen, die auf jeden Fall mitkommen. Chris hat wie ich eine "Heiligtumschublade". Eins seiner Heiligtümer ist ein Zeitungsbericht über die gelungene Landung von Apollo 13 von 1970, den er als 9jähriger liebevoll mit Plastik umklebt hat, nachdem er tagelang mitfieberte. Interessant finde ich, dass ich, obwohl ich 2 Jahre älter bin, überhaupt keine Erinnerungen an das Drama habe.
In der Schublade ist auch ein Spielzeugholzhammer von Solschenizyn. Der kinderlose Großonkel von Chris war der Vorsitzende der Schwedischen Akademie. Als Solschenizyn den Nobelpreis bekam, durfte er nicht ausreisen. Deswegen ist der Großonkel von Chris nach Russland geflogen, um ihm die Medaille und die Urkunde zu überreichen. Im Gespräch mit ihm erzählte Chris Großonkel von seinen Großneffen, was Solschenizyn veranlasste, drei Kinderspielzeuge zu besorgen und sie dem Großonkel für die Großneffen mitzugeben.
Meine Schublade ist da wesentlich profaner: Unter anderem die von Cleveland Amory und seinem Team bemalte Papiertüte, in der meine Abschiedsgeschenke waren. Mein alter Reisepass mit vielen Visa. Und - ich musste nochmal so lachen - ein Dreikantschlüssel, den mir meine verstorbene Freundin geschickt hat. Ich hatte ihr erzählt, dass die Kotbeutelspender bei uns immer leer wären, weil sich Leute einen Spaß daraus machen, die Beutel rauszuziehen und in die Gegend zu werfen. Ein paar Tage später kam der Dreikantschlüssel per Post mit dem Hinweis: "Falls Du mal einen vollen Spender erwischt, kannst Du den mit dem Dreikant öffnen und Dir einen guten Vorrat an Beuteln rausholen". Ich vermisse sie immer noch jeden einzelnen Tag
Nachdem ich mich am Anfang von der Vorstellung, alles auszusortieren und packen zu müssen, leicht erschlagen fühlte, macht mir das Sortieren mittlerweile richtig Spaß. Ich finde es erleichternd, sich von so vielen Sachen zu trennen und nur noch mit dem Wichtigen nach Frankreich zu ziehen.