Gestern Nachmittag wollte Schildkröte Klara mal wieder raus aus dem Gehege, und da ich dabei war, dachte ich: warum nicht, und öffnete die Umrandung einen Spalt. Hunger hatte sie nicht, sie hatte gerade ausgiebig gefressen. Sie hielt sich also nicht mit weiden auf, sondern marschierte geradeaus. Zwischen dem Teich und dem Hügel entlang.
Ich schaute immer abwechselnd nach ihr und Pistazie, weil Pistazie sich vom Gewächshaus entfernte und ich ein wenig Sorge hatte, wenn ich sie aus den Augen verliere, übernachtet sie womöglich im Freien. Und das wollte ich verhindern, dafür war es zu kühl.
Irgendwann beschloss ich, es nicht weiter drauf ankommen zu lassen. Ich schnappte mir Pistazie und setzte sie in den Eingang zum Gewächshaus, schaute noch kurz zu, dass sie wirklich begann, hinein zu gehen, und sah dann wieder nach Klara.
Schock! Keine Klara in Sicht!
Ich hin, wo ich sie zuletzt gesehen hatte, und gesucht. Im den Ufer- und Flachwasserpflanzen fand ich sie nicht. Kurz über den Hügel geschaut, der frisch gerodet und vollkommen übersichtlich ist: nix!
Jetzt packte mich die Panik. Der schmale Flachwasserbereich mündet an dieser Seite des Teichs direkt in den Schwimmbereich. Nach einer Reihe Teichsäcke geht es 1,5 m hinunter. Kopfkino von einer wie ein Stein absackenden Schildkröte.
Von außen konnte ich nichts erkennen. Also raus aus den Klamotten und in der Unterwäsche in den Teich und getaucht. Nur um zu erkennen, dass ich nichts erkennen konnte. Nun ja, ich bin ziemlich kurzsichtig, und ich dachte, daran läge es. Also wieder raus, zum Haus gerannt, wo gleich beim Hinterausgang meine Schwimmbrille mit optischen Gläsern liegt. Bei der Gelegenheit nach meinem Mann geschrien, und zurück in den Teich, mit der Brille getaucht. Die ganze Zeit natürlich die Frage im Hinterkopf, wie lange eine Schildkröte unter Wasser überlebt.
Nun ja, auch mit der Schwimmbrille sah ich nicht wirklich was. Zu duster war es unter Wasser schon, und zu viele Schwebeteilchen hatte ich schon aufgewirbelt. Keine Chance.
Es blieb mir nichts anderes übrig, als Fuß für Fuß den Teichboden abzutasten. Nichts.
Inzwischen war auch mein Mann da und suchte noch einmal das Ufer ab. Und schließlich kam das erlösende: „Da ist sie!“
Sie hatte, während ich mit Pistazie beschäftigt war, gewendet, war wieder in Richtung Gewächshaus marschiert und hatte sich vor dem Teich unter die Rispenhortensie verzogen.
Mir fiel eine Zentnerlast vom Herzen. Ich hätte mir das nie verziehen, wenn sie wirklich ertrunken wäre. Aber bei aller Erleichterung haderte ich natürlich den ganzen Abend mit mir, wie ich so abgrundtief blöde sein konnte, sie dort neben dem Teich so lange aus den Augen zu lassen, dass sie verschwinden konnte.