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Hier der Text des Fernsehbeitrags von heute Abend
Kampfhundechaos
Sendung vom 16.10.2000
Duisburg vor vier Tagen. Ein zehnjähriges Mädchen wird im Hausflur von einem Pitbull angefallen und schwer verletzt.
Peter Segermann
Nachbar
"Ich bin dann raus, stand auch gerade an der Tür, in dem Moment kommt das Kind mit dem Hund, kam quasi die Treppe heruntergefallen, hatte den Hund auch - der hatte sich verbissen, ich glaube im rechten oder linken Arm und denn auf jeden Fall bin ich darauf zu, wollte den Hund runterreißen habe den aber nicht losgekriegt."
Auch ein Taxifahrer versucht zu helfen, wird aber ebenfalls gebissen. Die Polizei muß die wütende Bestie erschießen.
Ungeachtet solcher Vorfälle demonstrieren in Deutschlands Hundehauptstadt Berlin jeden Samstag Hundehalter gegen die im Juli erlassene Leinen- und Maulkorbpflicht für Kampfhunde.
Kampfhundbesitzer
"Der Hunde brauchen auch ihren Auslauf mal, an der Leine kannst du ihn auch nicht immer laufen lassen, sonst wird er fett und träge."
Kampfhundbesitzer
"Ich habe den Hund vor einem Jahr von einem Türken geschenkt bekommen, der wollte ihn erziehen als Kampfhund Aber ich habe ihn kastrieren lassen, weil ich eine Schäferhündin habe. Er schläft im Bett wird abends mit der Gabel gefüttert, weil er sonst nicht frißt."
Der Appell der Veranstalter nicht wirklich überzeugend.
"Kehren Sie zu Vernunft und Verstand zurück. Benutzen Sie Ihren Kopf, schauen Sie sich die Tiere an, schauen Sie sich die Halter an."
Doch die so angesprochenen Passanten bleiben skeptisch Trotz der neuen Hundeverordnung.
Passant
"Ich meine, dass der Staat in letzten Jahren zu wenig gegen die großen Hunde getan hat und insbesondere Familien mit Kindern allein gelassen hat mit dem Problem. Klar ist leider auch, dass in Berlin ein Vollzugsdefizit besteht."
Dieses Vollzugsdefizit versucht die Berliner Polizei derzeit zu beseitigen. Trotzdem kommt es immer wieder zu Übergriffen. Siegfried Ott vom eigens gegründeten Einsatzteam gegen Hundeattacken wurde erst vor einer Woche verletzt.
Siegfried Ott
Interventionsteam
"Wir sind zum Alexanderplatz gerufen worden. Dort lag eine hilflose Person am Boden. Sie ist von einem Pittbull-Rottweiler-Mix gebissen worden. Wir haben versucht, den Hund einzufangen und ich wurde gebissen in mein Bein. Ein Schußwaffengebrauch war vor Ort nicht möglich wegen ndieser Menschenmenge und wir haben uns dann noch geholfen durch Unterstützung der Kollegen. Letztendlich haben wir den Hund einfangen können."
Seit die neue Hundeverordnung im Juli erlassen wurde, hat die Berliner Polizei alle Hände voll zu tun.
Harald Kussack
Polizeidirektor
"Wir sind 2000 mal mit Funkstreifenwagenzu entsprechenden Einsätzen gefahren. Wir haben drei Tiere erschießen müssen, sechs unserer Kollegen sind verletzt worden, wir haben insgesamt über 350 Anzeigen schreiben müssen und sind 193 Sondereinsätze unserer Interventionsteam für solche Lagen gefahren, wo wir fürchten mußten, dass unsere normalen Streifenbeamten überfordert sind."
Nadia Rouhani von der Elterninitiative Berlin-Charlottenburg kämpft seit Jahren für den Schutz der Kinder vor aggressiven Kampfhunden. Gegen die neue Verordnung wird ihrer Meinung nach permanent verstoßen. Offentsichtlich wird die Einhaltung noch immer nicht streng genug kontrolliert.
Nadia Rouhani
Elterninitiative Charlottenburg
"Ich beobachte, dass allenfalls die Hälfte der Kampfhunde, die auch wirklich den Maulkorb tragen müßten, diesen tragen. Manche haben so ein kleines schwarzes Riemchen um die Schnauzen, das ist bestenfalls ein Negligé zu nennen, aber kein Maulkorb. Eine Bekannte erzählte mir neulich, im Nachbarhaus wohnt ein Kampfhund - das ist bestimmt sehr symptomatisch - der trug zweimal den Maulkorb, danach hing der ihm nur noch lose um den Hals, heute trägt er ihn überhaupt nicht mehr. Und darauf mal angesprochen, reagierte der Mensch nur patzig, also ich glaube das Unrechtsbewußtsein, das Problembewußtsein tendiert bestimmt bei der Hälfte gegen Null."
Dafür gibt es gerade auch auf der Demo genug Beispiele.
Kampfhundbesitzerin
„Was ist das für ein Hund? Das ist ein American Staffordshireterrier. Der müßte einen Beißkorb tragen? Ja. Ist das ein Beißkorb? Ja. Aber der Hund kann doch das Maul ganz normal öffnen, das habe ich doch gesehen? Nein, kann er nicht." (Hund öffnet Maul)
Bundesweit gelten derzeit in den 16 Länder 16 unterschiedliche Verordnungen haben. Für die Kampfhundfreunde Anlaß zu Spott und zu inzwischen mehr als 1000 Einzelklagen, die nach angreifbaren Stellen in den unter Zeitdruck erlassenen Verordnungen suchen.
Timo Gansel
Rechtsanwalt und Experte für Hunderecht
"Die Eilverordnungen bieten natürlich auch eine Menge Schlupflöcher. Schlupflöcher für Personen, die eigentlich durch die Verordnungen angesprochen werden sollten. Das betrifft die Aggressionszucht, die Aggressionsdressur von Hunden. Diese Schlupflöcher entstehen zum Teil durch die unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern, durch den Transfer zwischen den einzelnen Ländern und durch die Übergangsregelungen, die noch nicht ganz zu Ende gedacht worden sind."
Juristisch wasserdichte Gesetze zu schaffen ist Sache der Innenminister. Die müßten sich aber erst auf einen einheitlichen Musterentwurf einigen. Doch Anfang September ist das wieder gescheitert gescheitert. Einer, der von Anfang an die Bevölkerung vor aggressiven Kampfhunden schützen wollte, ist Sachsen-Anhalts Innenminister Püchel.
Manfred Püchel (SPD)
Innenminister Sachsen-Anhalt:
"Je einheitlicher die Regelungen in den Ländern sind, bundesweit, desto je weniger angreifbar sind die Regelungen, desto mehr Erfolg haben sie auch. Also ich setze mich dafür ein, dass wir in den wichtigsten Punkten auch zu einheitlichen Regelungen kommen, denn gerade in der Frage Definition der Kampfhundrassen wird es kritisch, wenn ein Land nur wenig Kampfhundrassen auflistet, ein anderes aber viele, stellt sich die Frage, warum in dem einen Bundesland zwölf Kampfhundrassen gefährlich sind, in dem anderen Bundesland aber bloß vier."
Im November steht das einheitliche Vorgehen wieder auf der Tagesordnung der Innenminister. Ausgang ungewiß.