Aber die Einstellung der Leute verändert sich ja nicht unbedingt von allein, man kann das schon steuern. Wenn in dem Fall der Rasseliste jemand/Presse/Gesetzesgeber die Sache damals eher auf die Halter als auf die Hunde konzentriert hätte, meinst du nicht dann hätte das anders laufen können?
Nein, glaube ich nicht. Die Presse hat sich auf die Hunde konzentriert, weil sich die Leute auf die Hunde konzentriert haben. Die Halter von den Hunden - also, von den Hamburger Hunden... da war sowieso Hopfen und Malz verloren. Irgendwie war auch jedem klar, dass du denen mit irgendwelchen Gesetzen nicht beikommen würdest - ist man ja
vorher auch schon nicht.
Und Fakt ist auch, dass es damals gerade ne Zeit war, als an allen Ecken und Enden diese Hunde herumliefen, und gerade in den "Klischeehalterkreisen" plötzlich jede Familie meinte, einen haben zu müssen, wobei noch munter weiter vermehrt wurde - nicht, weil es Kampfhunde waren, aber weil das halt damals teils einfach noch so war. "Eine Hündin muss mindestens einmal werfen, bevior man sie kastrieren kann" usw... - und die ließen sich ja auch ganz gut verkaufen.
In Großstädten war es ganz extrem. Ich war kurz vor dem Vorfall in Berlin, und jeder zweite Hund, den ich da gesehen habe, war ein "Kampfhund." - und lief entweder mit Klischee-Juntürken herum, mit Obdachlosen, oder Pulks von türkischen, jugoslawischen etc. Kindern ohne Plan vom Umgang mit Hunden - entweder der Hund zerrte die Kinder durch die Gegend oder die Kinder den Hund.
Die Sekretärin von meinem damaligen Chef - etwas jünger als ich, also so Mitte 20 vielleicht - hatte sich damals auch mit ihrem damaligen Freund (der wunderbar in diese Ecke passte), einen "Pitbullwelpen" geholt, weil "ein Kumpe von ihml" welche abzugeben hatte. Als jemand sie fragte, warum gerade diese Rasse, meinte sie: "Aber jeder hat doch jetzt so einen und die sind voll süß" - Wie gesagt, uin gewissen Kreisen stimmte das mit "jeder" augenscheinlich auch fast.
Und der meinte auch, die kriegt nachher nochmal Junge, der Besitzer der Mutter hatte sich schon nen Welpen reserviert. - In Endeffekt haben sie sich getrennt, er hatte den Hund behalten, und ich denke, als die Steuer so hoch wurde, hat er ihn abgegeben - Ist aber ja auch egal.
Sagen wollte ich damit eigentlich nur: Fehlentwicklungen auf diesem Gebiet gab es eigentlich in den Städten schon vorher. Gesagt hat noch keiner was - Hundehaltung war (und ist) ja so ne heilige Kuh in diesem Land. Aber ein ungutes Gefühl gab es schon, und als der Vorfall in Hamburg war, fand das ein Ziel und einen Kanal.
Aber ja, natürlich hast du Recht: "Man" (egal wer) kann auch die Einstellung der Leute ändern oder ein bisschen beeinflussen. Aber nicht (nicht mehr) aus leerer Luft und nem hohlen Zahn heraus.
Bei der Presse ist es genau wie bei den Gesetzen. Die Medien - Zeitungen, Fernsehen, Huxmichbrunz - greifen etwas auf, von dem sie sich Leser versprechen. Das sind aber nie Dinge, die die Leute GAR NICHT interessieren.
Und es sind im übrigen auch nie Dinge, die die Leute NICHT WISSEN WOLLEN.
Das konnte man sehr gut an der Flüchtlingskrise beobachten. Da konnten die Zeitungen noch so objektiv darüber berichten, dass das Abendland nicht auf der Stelle untergeht und sich nicht überall Massen krimineller Fremder durch die Straßen wälzen, es hat keinen interessiert - stattdessen wurde ihnen Manipulation vorgeworfen, weil die Leute, die sich aufregen
wollten, in den Berichten keine Gemeinsamkeit mit ihrem Weltbild fanden.
In anderen Worten: Wenn sich etwas nicht mit deiner Lebenserfahrung deckt, wirst du dich schwer damit tun, es nur durch Hörensagen zu glauben. Die Einstellung kann man also durch Medien etc. erst formen, wenn bereits Gemeinsamkeiten
da sind. Nicht auf blauen Dunst hin.
Mal ein anderes Beispiel: In unserer Tageszeitung stand kurz vor der Landtagswahl ein Artikel darüber, wie katastrophal die Inklusion an Grundschulen verläuft, als Reportage. Nun war sehr offensichtlich, warum und mit welchem Ziel dieser Artikel gerade dann veröffentlicht wurde. Jemand in der Redaktion, der den politischen Wechsel wollte, hat tatkräftig darauf hingearbeitet.
Der Artikel selbst war aber sachlich, um Objektivität bemüht, und deckte sich mit meiner eigenen Erfahrung mit dem hiesigen Schulsystem, er war nicht falsch odr auch nur "tendenziös". Er beschrieb die Sache einfach, wie sie war (was ich aber nur sagen kann, weil ich es eben ähnlich kenne).
Und hat mich also trotz des offenkundigen Versuchs der Einflussnahme bewogen, meine Wahlentscheidung zu ändern.
Hätte ich nicht machen müssen. Und wenn ich ganz andere Erfahrungen gemacht hätte, hätte es das auch nicht. Es hat funktioniert, weil es sehr gut zusammengefasst hat, was mich auch schon länger umtreibt. Nicht, weil es mir ganz neue Erkenntnisse verschafft hat.
In der Presse ist so etwas dann also oft auch so ne Art Selbstläufer: Es wird etwas gesucht, was viele Leute lesen (was also Auflage macht) - es lesen viele Leute, dadurch wird es zum Thema und noch interessanter für die Presse. In einem Journalistik-Seminar, das ich in einer Weiterbildung mal hatte, hieß das tatsächlich "der Pitbull-Effekt", weil durch einen schrecklichen Vorfall diese Hunde plötzlich zum Top-Thema wurden, die es vorher quasi gar nicht waren.
Wer nicht über Pitbulls berichtet hat, war journalistisch abgehängt. Und dann wurde halt das berichtet,. wonach die Leute gefragt haben. Nicht das, was "irgendeine Instanz" (außer eben die Leser) gedruckt sehen wollte.
Die Medien wirkten also wie ein Verstärker, aber aufgrund einer Eigendynamik, nicht, weil eine "Kampagne" (also eine geplante Aktion) dahinter steckte.