Hier musste ich ein wenig grinsen. Du gehst hier offenbar vom Hundeplatz aus, wenn du sagst, den Durchschnitt wird keiner zu sehen bekommen. Ich sehe auf dem Hundeplatz eher weniger Hunde, weil ich da nicht bin. Ich sehe Hunde beim Spaziergang, und mein Bild der verschiedenen Rassen bildet sich dort. Mein Bild von einem "guten Hund" ist folglich auch völlig unabhängig von seinen Leistungen auf dem HuPla, sondern macht sich im Großen und Ganzen an der Alltagstauglichkeit fest.
Und ich könnte mir vorstellen, dass das für einen Großteil der Normalhundehalter, also auch den typischen Labrador- oder Labradoodle-Käufer gilt. Für die dürfte ein guter Hund vermutlich ein wenig was anderes sein als für dich.
Ob du es glaubst oder nicht, ich habe weitaus mehr Zeit in irgendwelchen Hundeschulen, als auf Hundeplätzen verbracht - 5 von den 8 Jahren meines Hundes sogar mangels Angebot gar nichts. Sprich, der Großteil meiner Beobachtungen und Ansprüchen an eine Rasse oder speziell den Gebrauchshunden hat erstmal so gar nichts mit dem Sport zu tun.
Also mein Bild ist genauso "gassigeprägt" wie deins, mal abgesehen von den Hundeschulen, denn da zeigt sich massiv, wie aus "normalem Hundeverhalten" und erst recht "normalem Triebverhalten" von Gebrauchshunden plötzlich Problemhunde gemacht werden.
Aber einen Zahn hab ich bei der Beobachtung der Gebrauchshunde in Tütü-Hundeschulen gelernt - je besser der Hund auch für den Sport geeignet wäre (keine Ausreißer, keine Weltmeister - Sport für den normal bis überdurchschnittlich engagierten Hundesportler, der nebenbei auch noch ein Leben ohne Hund führt/führen muss), desto besser lassen sich seine Anlagen händeln und so alltagstauglicher ist der Hund, bei minimaler gezielter Auslastung. Denn die Probleme heute sind nicht, dass diese Hunde für einen ursprünglichen Gebrauch gezogen wurden, sondern die Probleme kommen, wenn die Hunde nicht mehr für diesen Gebrauch tauglich sind.
Nehmen wir den Dobi, denn dort hat man lange Zeit extreme Fehler in allen Lagern gemacht. Die Hundesportler und "Leistungszüchter" haben Hunde hervorgebracht, die einfach keine Nerven mehr haben/hatten. Auch ein gesundtheitliches Problem (SDU) hat sich infolgedessen genetisch sehr gut manifestieren können, weil dies für den "Sport" fast förderlich ist.
Ein Hund ohne gute Nerven (wesensfest) ist aber kein guter Alltagshund - egal bei welcher Rasse oder Mischling, weil ihn einfach zuviel, zu extrem reagieren lässt. Darauf hat der Zuchtverband aber falsch reagiert - es wurde nun vermehrt auf Optik gezogen und der Sport-/Gebrauchsbereich vollkommen außen vor gelassen. Dadurch wurden die Probleme aber nur verschleppt und schlagen alle naselang in allen Lagern durch. Der Dobermann hat eigentlich noch alle Anlagen für einen guten Sport-/sogar Gebrauchshund, aber sie sind nicht mehr homogen. Darum hast du teilweise richtig unsichere Hunde, die immer noch wachsam, "scharf" und beuteorientiert sind, die sich aber nicht mehr kontrollieren können.
Dann hat sich die Hundehaltung in Deutschland in galaktischer Geschwindigkeit gewandelt - der Hund wurde zum vollwertigen Familienmitglied, dass auch als solches behandelt wird. In meiner Kindheit - also vor gut 30 Jahren, war es absolut noch üblich, dass Vaddern sein DSH/Dobi/Rotti den ganzen Tag im Zwinger gehockt hat, bis Vaddern von der Arbeit kam. Da kam auch keiner auf die Idee, den Hund mal für eben Gassi und ein bisi mit den Nachbarshunden zum Spielen rauszuholen, dafür war der Hund nicht da. Heute unvorstellbar.
Der Sport hat sich auch gewandelt, neue Ausbildungsmethoden und vor allem Frauen haben Einzug gehalten, die Medien haben auch ihren Teil dazu beigetragen. Heute muss der Hund auch neben dem Platz funktionieren, denn der Hund ist voll in den Alltag integriert.
Und so ist es eben der DSH, der eigentlich positiv auffällt - überall wird geschrieben, wie krank die Rasse ist. Jeder Hundehalter, den man so trifft, kann dir eigentlich genau aufzählen, welche Macken diese Rasse hat (pro HH kannst du mind. einen Vorfall mit einem DSH hören), dass der DSH jede Beisstatistik anführt und HD hat er auf jeden Fall - unmöglich da einen gesunden Hund zu bekommen, etc.pp. Selbst die Hundesportler bzw. die Möchtegern-Sportler machen da mit. Es gibt unzählige Videos von den von mir oben genannten "schlechten" Hunden, die meines Erachtens einfach nur schlecht vorbereitet sind.
Ein akutes Beispiel für einen "richtig" guten Hund bei schlechten/normalo Haltern, hab ich leider bei mir auf der Arbeit fast täglich vor Augen. Da ist eine Familie mit einem jungen DSH (wunderschönes Tier - perfekter Körperbau) die jeden verdammten Tag für mehrere Stunden beim Bäcker gegenüber hocken und Kaffee trinken. Böse Zungen würden sie als Assis oder "Pack" bezeichnen - mir ist aber egal, wer für das Einkommen dieser Leute aufkommt, mir geht es nur um den Hund.
Dieser Hund bellt natürlich viel, weil es eben stinkenlangweilig ist, die ganze Zeit unterm Tisch zu liegen. Man hört aber allein an dem Bellen, dass dieser Hund ein "guter" Hund ist - keine Ahnung wie ich es beschreiben soll, aber man hört einfach, dass dieser Hund gerne was machen würde. Er hat einen wachen Blick, ist voll da, freundlich zu den anderen Menschen und ich wette darum, wenn man diesen Hund arbeiten würde, dann wäre der richtig gut.
Diesen Hund wird niemand zu sehen kriegen - wenn er sich nicht gerade von der Leine reißt und auf die naheliegende Autobahn sprintet wird es mit diesem Hund wohl zu keinem Pressevorfall kommen. Auch macht er dort keine Probleme, die irgendwie auf großartige Schwierigkeiten schließen lassen - er wird vielleicht irgendwann abstumpfen und (sich) aufgeben. Er ist ein richtig toller Vertreter für den DSH, aber über diesen Hund wird keiner reden, weil er eben bei Normalos versauert.