Wolfgang
KSG-Haarspalter™
„Jede Rasse hat Macho-Typen“
Gutachter Franz Breitsamer über das Wesen von Hunden
Der Ex-Polizeibeamte und langjährige Leiter der Allacher Hundeschule der Münchner Polizei, Franz Breitsamer, 63, ist Bayerns dienstältester Sachverständiger für Hundewesen und Sprecher aller von der Regierung von Oberbayern öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter. Außerdem unterhält er eine private Hundeschule mit Pension.
SZ: Wie stellt man fest, ob ein Hund potenziell gefährlich ist oder nicht?
Breitsamer: Durch eine so genannte Wesensanalyse. Zuerst wird abgefragt, wer den Hund hält oder ausführt und ob er schon mal auffällig geworden ist. Hat er schon mal ein Kind umgeschmissen oder jemanden gebissen? Dann folgt eine Überprüfungsrunde. Wenn der Hund im Anwesen des Halters herumläuft, zum Beispiel als Betriebswachhund, dann machen wir sie dort. Sonst gehen wir auf einen Spaziergang mit dem Halter, aber an einen Ort, wo was los ist. Wie reagiert der Hund auf Passanten, Jogger, Radler, ältere Gehbehinderte, Kinder? Wir prüfen das Verhalten von Tier und Mensch. Ist der Hund führig, wie man sagt, ist der Führer geeignet? In kritischen Einzelfällen habe ich den Hund auch schon zu mir mitgenommen und wochenlang beobachtet.
SZ: Sind die Ergebnisse denn sicher?
Breitsamer: Ja, die Runde dauert eineinhalb Stunden. Wir machen Notizen nach genau festgelegten ministeriellen Vorgaben, und oft kommt ein Zeuge mit, oder es werden Videoaufnahmen gemacht. Wir stellen „das Verhalten des Hundes unter den Reizlagen des täglichen Lebens“ fest, wie es amtlich heißt, machen also einen Negativ-Test. Bei jeder Rasse gibt es Hunde mit einer „niedrigen Reizschwelle bei abweichenden Wahrnehmungen“, die dann zum Beispiel bellen oder hochspringen. Und vereinzelt eben auch die Macho- oder Alpha-Typen, die beißen. Man muss auf das Wesen achten, nicht auf die Rasse.
SZ: Finden Sie es denn nicht richtig, dass der Gesetzgeber von einer speziellen Disponiertheit bestimmter Rassen ausgeht?
Breitsamer: Alle Hunde-Sachverständigen, wirklich alle, sind sich einig, dass diese pauschale Voreingenommenheit falsch ist. Wir begrüßen die Forderung der Tierschutzvereine nach einem neuen Heimtierzuchtgesetz. Das gibt es ja schon für Rinder und das sollte auch für kleinere Haustiere gelten. Rottweiler sind großartige Jagdhunde, darauf sind sie hingezüchtet worden. Natürlich gibt es auch unter ihnen vereinzelt Alpha- Typen, die bei falscher Haltung mitunter gefährlich werden. Wir vernachlässigen den Sicherheitsaspekt wirklich nicht. In unseren Sachverständigen-Gutachten für die Ordnungsämter oder das Kreisverwaltungsreferat geben wir oft konkrete Empfehlungen ab: Wenn nichts gegen das Ausstellen der Unbedenklichkeitsbescheinigung spricht, aber doch kleinere Störungen vorkommen, dann schlagen wir Auflagen vor. Etwa die Fernhaltung von bestimmten Personen, seltener auch Leinenzwang oder ein Training. Ich habe auch schon Einschläfern empfohlen. Und da habe ich etliche Male erlebt, dass das dann erst getan wurde, nachdem wieder Dinge passiert sind. Da wären wir sogar für eine Verschärfung bei der Durchführung. Die gefährlichen Tiere müssen rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen werden.
SZ: Wie viele Rottweiler oder Mischlinge müssen Sie denn zurzeit begutachten?
Breitsamer: Ich schaffe bis zu fünf pro Woche, mehr geht nicht. Wir arbeiten ja nicht nur für die Ordnungsämter, sondern auch für Staatsanwälte, Veterinärämter, Landratsämter, Anwaltskanzleien, Versicherungen. Oder für Privatkunden, häufig bei Nachbarschaftsstreitigkeiten. Den unglaublichsten Fall hatte ich vor zwei Jahren: Ein Allgäuer Unternehmer hatte sein zweijähriges Stiefkind schwerstverletzt, mit Bisswunden ins Krankenhaus gebracht, wo es starb. Er beschuldigte den Rottweiler des Nachbarn, die Presse berichtete natürlich entsprechend. Im Auftrag der Kripo hatte ich den Hund sechs Wochen bei mir, und er konnte es nicht gewesen sein. Nett, brav, kinderlieb, ein Ausnahmehund. Dann hat der Stiefvater zugegeben: Er hatte das Kind misshandelt und dann selber gebissen, um es auf den Hund zu schieben. Er bekam zehn Jahre.
Interview: E. Höfl-Hielscher
Gutachter Franz Breitsamer über das Wesen von Hunden
Der Ex-Polizeibeamte und langjährige Leiter der Allacher Hundeschule der Münchner Polizei, Franz Breitsamer, 63, ist Bayerns dienstältester Sachverständiger für Hundewesen und Sprecher aller von der Regierung von Oberbayern öffentlich bestellten und vereidigten Gutachter. Außerdem unterhält er eine private Hundeschule mit Pension.
SZ: Wie stellt man fest, ob ein Hund potenziell gefährlich ist oder nicht?
Breitsamer: Durch eine so genannte Wesensanalyse. Zuerst wird abgefragt, wer den Hund hält oder ausführt und ob er schon mal auffällig geworden ist. Hat er schon mal ein Kind umgeschmissen oder jemanden gebissen? Dann folgt eine Überprüfungsrunde. Wenn der Hund im Anwesen des Halters herumläuft, zum Beispiel als Betriebswachhund, dann machen wir sie dort. Sonst gehen wir auf einen Spaziergang mit dem Halter, aber an einen Ort, wo was los ist. Wie reagiert der Hund auf Passanten, Jogger, Radler, ältere Gehbehinderte, Kinder? Wir prüfen das Verhalten von Tier und Mensch. Ist der Hund führig, wie man sagt, ist der Führer geeignet? In kritischen Einzelfällen habe ich den Hund auch schon zu mir mitgenommen und wochenlang beobachtet.
SZ: Sind die Ergebnisse denn sicher?
Breitsamer: Ja, die Runde dauert eineinhalb Stunden. Wir machen Notizen nach genau festgelegten ministeriellen Vorgaben, und oft kommt ein Zeuge mit, oder es werden Videoaufnahmen gemacht. Wir stellen „das Verhalten des Hundes unter den Reizlagen des täglichen Lebens“ fest, wie es amtlich heißt, machen also einen Negativ-Test. Bei jeder Rasse gibt es Hunde mit einer „niedrigen Reizschwelle bei abweichenden Wahrnehmungen“, die dann zum Beispiel bellen oder hochspringen. Und vereinzelt eben auch die Macho- oder Alpha-Typen, die beißen. Man muss auf das Wesen achten, nicht auf die Rasse.
SZ: Finden Sie es denn nicht richtig, dass der Gesetzgeber von einer speziellen Disponiertheit bestimmter Rassen ausgeht?
Breitsamer: Alle Hunde-Sachverständigen, wirklich alle, sind sich einig, dass diese pauschale Voreingenommenheit falsch ist. Wir begrüßen die Forderung der Tierschutzvereine nach einem neuen Heimtierzuchtgesetz. Das gibt es ja schon für Rinder und das sollte auch für kleinere Haustiere gelten. Rottweiler sind großartige Jagdhunde, darauf sind sie hingezüchtet worden. Natürlich gibt es auch unter ihnen vereinzelt Alpha- Typen, die bei falscher Haltung mitunter gefährlich werden. Wir vernachlässigen den Sicherheitsaspekt wirklich nicht. In unseren Sachverständigen-Gutachten für die Ordnungsämter oder das Kreisverwaltungsreferat geben wir oft konkrete Empfehlungen ab: Wenn nichts gegen das Ausstellen der Unbedenklichkeitsbescheinigung spricht, aber doch kleinere Störungen vorkommen, dann schlagen wir Auflagen vor. Etwa die Fernhaltung von bestimmten Personen, seltener auch Leinenzwang oder ein Training. Ich habe auch schon Einschläfern empfohlen. Und da habe ich etliche Male erlebt, dass das dann erst getan wurde, nachdem wieder Dinge passiert sind. Da wären wir sogar für eine Verschärfung bei der Durchführung. Die gefährlichen Tiere müssen rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen werden.
SZ: Wie viele Rottweiler oder Mischlinge müssen Sie denn zurzeit begutachten?
Breitsamer: Ich schaffe bis zu fünf pro Woche, mehr geht nicht. Wir arbeiten ja nicht nur für die Ordnungsämter, sondern auch für Staatsanwälte, Veterinärämter, Landratsämter, Anwaltskanzleien, Versicherungen. Oder für Privatkunden, häufig bei Nachbarschaftsstreitigkeiten. Den unglaublichsten Fall hatte ich vor zwei Jahren: Ein Allgäuer Unternehmer hatte sein zweijähriges Stiefkind schwerstverletzt, mit Bisswunden ins Krankenhaus gebracht, wo es starb. Er beschuldigte den Rottweiler des Nachbarn, die Presse berichtete natürlich entsprechend. Im Auftrag der Kripo hatte ich den Hund sechs Wochen bei mir, und er konnte es nicht gewesen sein. Nett, brav, kinderlieb, ein Ausnahmehund. Dann hat der Stiefvater zugegeben: Er hatte das Kind misshandelt und dann selber gebissen, um es auf den Hund zu schieben. Er bekam zehn Jahre.
Interview: E. Höfl-Hielscher