Mit viel Glück findest Du dann irgendwo anders eine Promotionsstelle. Das habe ich an Kommilitonen auch gesehen und dann dauert es.
Ach, das war tatsächlich in Hannover gar nicht so schwer. Ich hatte zwei realistische in Aussicht und eine (die einzige sinnvolle) ist es dann geworden. Aber... das lag auch daran, dass der Studiengang so klein war, dass man sich kannte (dass ich zwischendurch fast nichts im FB Biochemie bekommen hätte, lag allerdings auch daran, dass "man sich kannte"... oder zu kennen glaubte. Zum Glück hatte der, der mich wirklich kannte, die besseren Argumente.
Mein erster Chef war Mediziner. Der war wirklich mit der Gesamtsituation (seiner beruflichen, der familiären, allem anderen) überfordert und hat mich glatt vergessen. Wir haben dann fast 3 Jahre nicht miteinander gesprochen (er witzigerweise auch nicht mit mir, er guckte immer stur anderswohin, wenn wir uns mal über den Weg gelaufen sind), und dann haben wir uns ausgesprochen, bevor ich Hannover verlassen habe.
Mein zweiter Chef galt so ein bisschen als (ehemaliges) Wunderkind und der Weirdo vom Dienst - in anderen Worten, mit uns beiden passte es wir A... auf Eimer...
Wie gut der als Chef tatsächlich war (also, abgesehen davon, dass er ein hochanständiger Mensch war) habe ich aber erst im Rückblick realisiert. Er hatte nur eine recht kleine Arbeitsgruppe, machte sehr spezielle Forschung mit klinischem Bezug (auch Humangenetik, zu meinem Glück), und hat einfach alle seine Studenten und Doktoranden massiv eingespannt. Wir mussten alles selbst machen. Nicht nur im Labor, auch die Korrespondenz mit Patienten und anderen Wissenschaftlern, Beantragung von Geräten, Drittmitteln, das Schreiben von Publikationen, wir mussten ihn bei irgendwelchen Koordinationsgesprächen für Sonderforschungsbereiche "vertreten", unsere eigenen Daten vorstellen, Tagungen und Kongresse mit organisieren. Er hatte da immer ein Auge drauf, aber er hat uns machen lassen, egal wie lange es gedauert hat.
Alle meine "Locker in Drei Jahren fertig" Kollegen brauchten das nicht oder maximal zu einem Bruchteil und haben uns immer sehr bedauert.
Aber: Ganz viele von denen sind als PostDocs in ein richtiges Loch gefallen und kriegten erstmal Panik, weil sie auf einmal alles allein machen mussten. - Bei uns ging das (also, bei meinen Kollegen/innen) nahtlos ineinander über, irgendwie - es hat sich gar nichts geändert für uns.
Als ich nach dem Studium erstmal nichts richtige gefunden habe - und weil ich sowieso aus dem Labor rauswollte - habe ich eine Weiterbildung zur Fach und Wissenschaftsredakteurin für Naturwissenschaftler gemacht. Da waren dann einige Doktoren und sogar Postdocs, und im Vergleich habe ich erst gemerkt, wie viel mehr als die ich an ganz praktikablen, außerhalb der Uni tauglichen Alltagsskills ich eigentlich nebenbei außerdem erworben hatte. Von denen ich in meinen ganzen Vorstellungsgesprächen nie was erwähnt hatte, weil ich dachte, das sei mehr oder weniger überall so, dass man sowas machen müsste.
Mir war davor gar nicht wirklich bewusst gewesen, wie selten das ist - viele Profs haben Angst um ihre eigene Reputation, wenn Veröffentlichungen zu lange dauern oder nicht hundertprozentig mit ihrer Arbeit auf Linie sind, oder, oder, und kauen ihren Mitarbeitern alles vor, um die Kontrolle zu behalten. Meinem Chef war das aber ganz (oder einigermaßen) egal. Dem war viel wichtiger, dass wir irgendwann auch alleine forschen und schreiben und arbeiten und unsre eigenen Praktikanten einarbeiten konnten. Der hatte aber auch schon einen guten Ruf und brauchte den nicht erst noch erwerben, vielleicht lag es daran.
Dafür, dass er als extrem (!) weltfremd galt, haben wir recht praktische Sachen gelernt. (Andererseits hat er immer geglaubt, ich würde irgendwann mindestens den Literaturnobelpreis kriegen oder wenigstens den nächsten Thriller nach Schätzing schreiben - und war total enttäuscht und wirklich traurig, als ich ihm (begeistert) erzählt habe, dass ich jetzt den ganzen Tag anderer Leute Manuskripte bearbeite und kaum noch selbst schreibe. Das sei doch keine Arbeit...