Plenarprotokoll 14/0112
112. Sitzung, Berlin, Freitag, den 30. Juni 2000
Vizepräsidentin Petra Bläss: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Cem Özdemir.
Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, dass es so lange gebraucht hat, bis Maßnahmen ergriffen werden können, die überfällig waren. Hätten die Länder, die Parteien und die Politiker früher reagiert, wären dem einen oder anderen Verletzungen erspart geblieben, die ihn ein Leben lang entstellen werden, würde der kleine Volkan vielleicht heute noch leben und anderen wären Angst und Schrecken, die sie in den letzten Jahren begleiteten, erspart geblieben. Insofern ist es gut, dass wir uns heute mit der Problematik Kampfhunde beschäftigen. Ich glaube aber, dass wir damit früher hätten anfangen müssen. Diese Selbstkritik steht uns allen gut zu Gesicht.
Ich möchte hier auch noch einmal die Länder ansprechen. Ich finde es gut, dass die Bayern vorangegangen sind und die Hamburger jetzt mit einem Maßnahmenpaket, bei dem man nichts mehr ergänzen kann, auf dieses Problem aufmerksam machen. Die anderen Länder sollten aber wenigstens in der Lage sein, bei diesen beiden Ländern abzuschreiben. Das kann man – bei allem Respekt vor dem Föderalismus – durchaus einfordern. Abschreiben muss möglich sein. Bitte setzen Sie die Regelungen, die die Bayern und Hamburger gefunden haben, um! Dabei handelt es sich um Regelungen, denen man im Grunde genommen nichts mehr hinzufügen muss. Insofern sage ich: Guten Morgen, liebe Länder! Jetzt ist es Zeit, dieses umzusetzen.
Meine Fraktion hat bereits vor zehn Jahren einen Antrag eingebracht, in dem sie ein Kampfhundeverbot gefordert hat. Hätte man diesen Antrag damals angenommen, dann hätten viele Kinder keine psychischen Schäden, die da- durch entstanden sind, dass sie Angst vor diesen Hunden hatten, wenn sie sie in der Fußgängerzone sahen, davongetragen und hätten Jogger keine Angst haben müssen, im Tiergarten zu joggen. Das alles wäre uns erspart geblieben. Ich finde es absurd, dass wir mittlerweile eine Situation haben, in der sich Eltern darüber Gedanken machen müssen, wie sie ihre Kinder auf Kampfhunde vorbe- reiten. Umgekehrt würde viel eher ein Schuh daraus: Wir wollen keine Kinder dressieren, sondern wir wollen, dass diese Hunde aus dem Stadtbild und aus unserem Land verschwinden. Ich sehe keinen Grund – und mir wurde bisher auch noch kein Grund genannt –, wofür man Kampfhunde benötigt. Ich bin mir sicher, dass wir uns alle darüber einig sind, dass diese Tiere der Vergangenheit angehören müssen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/
DIE GRÜNEN, der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)
Ich will aber auch nicht so tun, als ob wir die Einzigen sind, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Nein, meine Damen und Herren, auch die viertgrößte Fraktion des Hauses, die F.D.P., hat sich nicht erst im Rahmen dieser Aktuellen Stunde mit diesem Thema beschäftigt, Herr Kollege Westerwelle, sondern auch früher schon einmal. Ich möchte aus einer sehr bemerkenswerten Erklärung vom 4. Mai 2000 zitieren. Dort wird beispiels- weise gesagt: "Verbot von Kampfhunden wirkungslos – Leinenzwang in der Fußgängerzone". Angesichts der Forderung der Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen, Frau Bärbel Höhn, nach einem Verbot von Kampfhunderassen – man sieht, dieses Verbot war auch vorher schon im Gespräch – erklärte dieselbe Abgeordnete von der F.D.P.: "keine Ausrottung von Hunderassen".
Es wäre schon ganz gut gewesen, Herr Westerwelle, wenn Sie sich auch dazu geäußert hätten. Es wäre gut gewesen, Sie hätten das eine oder andere Wort dazu gefunden, dass es Ihre Fraktion war, die sich vor nicht allzu
langer Zeit genau gegen das ausgesprochen hat, was heute der Innenminister vorschlägt, was einige der Länder schon gemacht haben und was überfällig ist. Die Kampfhunde müssen weg. Wir brauchen kein falsches Verständnis für Kampfhunde oder für ihre Halter. Die Kinder und ihre Eltern müssen sich auf den Spielplätzen sicher fühlen. Sicherheit ist jetzt angesagt.
Ich möchte noch auf einen anderen Punkt eingehen. Die Forderung nach hohen Steuern ist nicht sinnvoll, da sich Zuhälter mit dickem Geldbeutel diese staatlich anerkannten Luxusköter leisten können. Der Charakter eines Halters hängt nicht von seinem Geldbeutel ab. Das Drehen an der Steuerschraube ist nicht die Lösung des Problems. Wir müssen andere Lösungen finden. Über einen Maßnahmen-Mix wurde ja schon gesprochen.
Auch die Reaktion der Versicherungswirtschaft hat mich sehr geärgert. Der Verband hat sich gegen eine Haftpflichtversicherung ausgesprochen. Es handelt sich meiner Meinung nach um ein unterentwickeltes Verantwortungsbewusstsein, das hier deutlich wird. Wenn schon die schlimmsten Verletzungen, die Menschen davon getragen haben, nicht rückgängig zu machen sind, dann müssen wenigstens die Angehörigen einen Anspruch darauf haben, schnell, unkompliziert und unbürokratisch Schmerzensgeld zu erhalten. Daher mein Appell an die Versicherungswirtschaft, ihre Haltung zu überdenken.
Der Streit – Herr Kollege Bosbach hat schon zu Recht darauf hingewiesen – angesichts der Frage "Was ist gefährlicher: die Hunde oder die Hundebesitzer?" ist ein Streit, den wir uns nicht mehr leisten können. Wir müssen auf beiden Seiten gleichzeitig ansetzen. Neben bestimmten Hunderassen, die wir nicht mehr dulden wollen, müssen wir uns auch die Hundebesitzer anschauen. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, eine Art Hundeführerschein einzuführen. Bestimmte Menschen sind nämlich schlicht und ergreifend charakterlich überfordert, bestimmte Hunde zu halten. Wir müssen durchsetzen, dass solche Menschen, die offensichtlich eine charakterliche Symbiose mit ihrem Hund eingehen, solche Hunde zu-künftig nicht mehr ihr Eigen nennen dürfen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)
Zum Schluss: Das Waffenrecht regelt bereits heute die Berechtigung für den Besitz beispielsweise eines Luftgewehrs oder eines Maschinengewehrs. Der Gradmesser ist eine mögliche Gefährdung, ein möglicher Schaden oder gar eine Kriegstauglichkeit. Ein "randalierender" Dackel kann – auch wenn er will – gar nicht so große Schäden anrichten wie beispielsweise ein Pitbull im Blutrausch. Wir müssen daher jetzt bei den besonders gefährlichen Tieren ansetzen. Die Maßnahmen liegen auf dem Tisch. Es wird Zeit, dass wir handeln.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Bosbach [CDU/CSU])
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Auszug aus seiner HP zu finden unter Reden
Das sollte nun genug Ansporn sein um die page mit Gästebucheintragungen übergehen zu lassen.
Also los gehts
Grüsse