Ich will mal versuchen, dass "Wirrwarr" ein wenig zu entwirren. Ob mir das gelingt, weiss ich nicht. Und ich muss zugeben, dass man fast schon ein Jurastudium haben muss, um das richtig zu verstehen. Aber ist das nicht bei fast allem so, was von Behörden und Politikern kommt?
@Consultani und andere, die es nicht so ganz verstehen: Nun weiss ich, wo euer Verständnisproblem liegt, und das ist jetzt nicht böse gemeint
Ihr müsst unterscheiden zwischen Gesetzen und EU-Verordnungen. Zur Erklärung nehme ich jetzt einfach mal Wikipedia zur Hilfe:
Gemäß Art. 288 Abs. 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind die Verordnungen diejenigen Rechtsakte, welche allgemeine Geltung haben, in allen ihren Teilen verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gelten. Sie müssen von den EU-Mitgliedstaaten nicht in nationales Recht umgesetzt werden („Durchgriffswirkung“). Modifikationen der vorgegebenen Regelungen durch die einzelnen Mitgliedstaaten sind grundsätzlich nicht möglich („Umsetzungsverbot“). Allerdings können auch die Verordnungen einzelne Artikel enthalten, die ausdrücklich Anpassungen an nationales Recht vorschreiben oder gestatten.
Ein Gesetz ist eine Sammlung von allgemein verbindlichen Rechtsnormen, die in einem förmlichen Verfahren von dem dazu ermächtigten staatlichen Organ – dem Gesetzgeber – erlassen worden ist.
Es gibt in Deutschland nicht nur Gesetze sondern auch von deutschen Behörden erlassene Verordnungen. Bestes Beispiel ist die Strassenverkehrsordnung und auch eine Fahrzeug-Zulassungsverordnung. Und nur, weil alles, was in diesen Verordnungen vorgeschrieben ist, nicht genau so in einem Gesetz steht, ist es doch nicht erlaubt.
Der wesentliche Unterschied, mal abgesehen von dem unterschiedlichen Verfahren derer, die diese Gesetze und Verordnungen erlassen, ist die Folge der Nichtbeachtung. Wird gegen ein Gesetz verstossen, ist es eine Straftat und es droht eine Strafe, die nur von einem zuständigen Gericht ausgesprochen werden kann. Wird gegen eine Verordnung verstossen, ist das ein Verstoß bzw. eine Ordnungswidrigkeit. Da droht dann ein Bußgeld, welches von jeder die Verordnung durchsetzenden Behörde verhängt werden darf.
Beispiel: Fährst du ohne Führerschein, dann ist das ein Verstoß gegen das Strassenverkehrsgesetz und du bekommst eine Strafe von dem am Tatort zuständigen Gericht - Geldstrafe, Fahrverbot und sogar Haftstrafe sind möglich. Parkst du im Parkverbot, dann ist das ein Verstoß gegen die Strassenverkehrsordnung und du bekommst einen Strafzettel von der Behörde, die für den Ort des Verstoßes zuständig ist. Und du kannst nicht sagen, dass du den Strafzettel nicht bezahlst, weil es kein Gesetz für Falschparken gibt.
So ist es auch mit der EU und ihren Mitgliedsstaaten. Wobei die EU Verordnungen erlässt und ihren Mitgliedern rechtsverbindlich vorschreibt. Die Überwachung der Einhaltung dieser Verordnungen ist den entsprechenden Behörden der Mitgliedsstaaten überlassen. Tangiert nun ein Verstoß gegen diese EU-Verordnungen zusätzlich ein nationales Gesetz, dann ermittelt der Staatsanwalt. Betrifft der Verstoß "nur" die EU-Verordnung und/oder eine entsprechende nationale Verordnung, dann ermittelt die zuständige Behörde.
Für die Tierschutztransporte gilt also: wird ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz festgestellt, dann ermittelt der Staatsanwalt und kann das Verfahren nach seinem Ermessen entweder einstellen oder an ein zuständiges Gericht zur Durchführung eines Strafverfahrens verweisen. Dieses hat dann die Möglichkeit, nach seinem Ermessen das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen, wegen Erstverstoß einen Strafbefehl zu erlassen oder wegen Mehrfachverstoß oder schwere des Verstoßes ein Gerichtsverfahren einzuleiten und im Anschluss ein Urteil zu sprechen. Wird ein Verstoß gegen die für diesen Transport gültigen EU-Verordnungen oder die nationale Seuchenschutzverordnung festgestellt, dann ermittelt die Veterinärbehörde. Und die ist dann ermächtigt, Geldbußen anzuordnen.
Die Schwierigkeit ist, dass es Unmengen von nationalen Gesetzen gibt, aber mindestens genau so viele EU-Verordnungen. Und die deutschen Behörden brauchen anscheinend manchmal etwas länger, bis sich einzelne Dinge dieses Rechtsdschungels bis zu ihnen durchdringen. Außerdem sind sowohl Gesetze als auch Verordnungen oft so schwammig formuliert, dass sie für menschliches Ermessen einigen Interpretationsspielraum bieten. Es muss dann oft eine weitere Gerichtsinstanz zur Hilfe genommen werden, bis vielleicht irgendwann als allerletzte Instanz das Verfassungsgericht bemüht werden muss, um das Gesetz selbst zu prüfen. Bei Verordnungen kommt es daher vor, dass die einzelnen Behörden, je nach Mitglieds- oder Bundesland, sich entweder genau an die Verordnungen halten, eigene Auslegungen haben oder manches einfach übersehen oder auf das eine oder andere nicht so viel Wert legen, manchmal ist es schlicht und ergreifend Unwissenheit.
Doch auf die Unwissenheit oder individuelle Auslegung darf man sich nicht verlassen, denn das kann sich von einem Tag zum anderen ändern. Maßgeblich aber für die korrekte Einhaltung dieses ganzen Wusts aus nationalen Verordnungen zusammen mit den EU-Verordnungen ist in unserem Fall "Tierschutztransporte" die Auslegung des zuständigen Ministeriums (dieses hat die hier verlinkte und im Zergportal eingestellte Stellungnahme ja verfasst, die die Ministeriumsauslegung dokumentiert). Und wenn es irgendwann dem Ministerium zu bunt wird, weil eine zunehmende Zahl von Horrortransporten auffliegt, wird es vielleicht Maßnahmen zur weiteren offiziellen eindeutigen Klärung einleiten. Sei es durch Musterprozesse vor Gerichten oder durch Gesetzesvorlagen, die auf den Weg gebracht werden.
Die unterschiedlichen Auslegungen der EU-Mitgliedsstaaten haben auch zur Folge, dass solche Tierschutztransporte unterschiedlich bewertet werden. So hält sich ja Österreich bisher noch wortgetreu an die EU-Verordnung in Bezug auf Tiere jünger als 4 Monate mit den Ausnahmen für fehlende Impfungen, weil dort bisher wohl noch kein Gericht entschieden hat, dass der Tierschutz dem gewerblichen Handel zuzuordnen ist. In Deutschland ist das aber der Fall und das Ministerium scheint damit vorerst zufrieden zu sein, sonst hätte es in seiner Stellungnahme ja etwas anderes gesagt.
Also nochmal: aufgepasst, nicht alles, wofür es kein besonderes Gesetz in Deutschland gibt, ist legal. Vor allem muss man drauf achten, wenn in einem deutschen Gesetz oder einer deutschen Verordnung auf eine EU-Verordnung verwiesen wird. Man kann nicht sagen: EU geht mich nichts an, ich bin in Deutschland. Und darum die vielen Links zu den einzelnen Verordnungen, denn man darf nie eine allein sehen sondern muss alle zusammen betrachten und beachten. Nur dann ist man auf der sicheren, weil legalen Seite.
Das gilt im Fall Tierschutztransporte nach Deutschland sowohl für die Bestimmungen bezgl. Tiere unter 4 Monaten als auch für TRACES. Ob und wie andere EU-Mitgliedsländer das momentan oder künftig auslegen und inwieweit Flugpatenschaften verstärkt verhindert werden wird wohl davon abhängig sein, wie oft solche Transporte noch auffliegen. Zumindest auf einigen deutschen Flughäfen sind Flugpatenschaften ja schon sozusagen unter verstärkter Aufsicht. Und das wird sich noch eher verschärfen, wenn der Strom der Auslandstiere auf dem heutigen Niveau bleibt oder noch steigt.
Und sorry, das es so lang wurde, aber kurz fassen kann man sich bei solchen Sachen kaum, ohne weitere Verwirrung zu verursachen.