Okay, ich versuche es heute nochmal. So als kurzer, ähm okay eher langer Überblick.
Keine Garantie, dass es vollkommen richtig formuliert und ganz ohne (auch rechtliche) Fehler ist
Rückgabe der "Sache" nach Ablauf von 6 Monaten
Nehmen wir einige Beispielsfälle:
Golden Retriever Ben, der dem X gehört, läuft auf dem Spaziergang weg und wird von Y eingefangen.
Y wollte schon immer einen eigenen Hund, meldet den Fund und ist auch sonst ganz der ehrliche Finder. Nach 9 Monaten entdeckt X Ben bei Y und will ihn wieder zurück.
Geht das?
Nach Ablauf der 6 Monate ist der Y Eigentümer von Ben geworden.
Das regelt § 973 BGB:
§ 973 Eigentumserwerb des Finders
(1) Mit dem Ablauf von sechs Monaten nach der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde erwirbt der Finder das Eigentum an der Sache, es sei denn, dass vorher ein Empfangsberechtigter dem Finder bekannt geworden ist oder sein Recht bei der zuständigen Behörde angemeldet hat. Mit dem Erwerb des Eigentums erlöschen die sonstigen Rechte an der Sache.
(2) Ist die Sache nicht mehr als zehn Euro wert, so beginnt die sechsmonatige Frist mit dem Fund. Der Finder erwirbt das Eigentum nicht, wenn er den Fund auf Nachfrage verheimlicht. Die Anmeldung eines Rechts bei der zuständigen Behörde steht dem Erwerb des Eigentums nicht entgegen.
X kann Ben nicht "einfach so" zurückfordern. Er hat sein Eigentum verloren und kann sich nicht auf die Herausgabeansprüche des Eigentümers berufen.
Warum ist das so?
Grund für den § 973 BGB ist vorrangig, dass der Gesetzgeber keine überlangen "Schwebezustände" wollte, in denen nicht klar ist, wer die Eigentümerstellung inne hat. An diese sind schließlich nicht nur Rechte gebunden, sondern auch Pflichten. § 973 regelt die Eigentümerstellung aber nicht endgültig.
Dies stellt § 977 BGB fest.
§ 977 Bereicherungsanspruch
Wer infolge der Vorschriften der §§ 973, 974, 976 einen Rechtsverlust erleidet, kann in den Fällen der §§ 973, 974 von dem Finder, in den Fällen des § 976 von der Gemeinde des Fundorts die Herausgabe des durch die Rechtsänderung Erlangten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern. Der Anspruch erlischt mit dem Ablauf von drei Jahren nach dem Übergang des Eigentums auf den Finder oder die Gemeinde, wenn nicht die gerichtliche Geltendmachung vorher erfolgt.
Einen wirklichen, echten "Rechtsverlust" erleidet nur der X.
Das Gesetz macht aus Y gemäß § 973 einen Eigentümer und entzieht dem X sein Eigentumsrecht, gibt ihm aber den Anspruch aus § 977.
MaHeDo schrieb:
Einen Rechtsverlust z.B. nach §973 erleidet der Finder, nämlich z.B. den auf Finderlohn, nachdem das Tier zu seinem Eigentum geworden ist.
In diesem Gesetz sind auch nur seine Ansprüche beschrieben, bzw. wann er nicht Eigentümer werden kann. Den Verlust eines Rechtsanspruchs für den Vorbesitzer kann man nur daraus ableiten, er ist nicht Bestandteil des Gesetzes.
Im Gesetz steht zwar nicht explizit drin, dass der frühere Eigentümer sein Eigentum verliert und damit einen Rechtsverlust erleidet, dies ist aber die logische Folge, weshalb es dort nicht stehen muss.
Der Finder verliert doch nichts, schon gar kein Recht, er gewinnt.
Unterstellt es wäre so, wie du sagst, käme man doch zu recht wirren Ergebnissen. Wenn ich 100€ finde und mir davon eigentlich 5€ Finderlohn zustehen, ich nach 6 Monaten die vollen 100€ bekomme, habe ich doch nicht gleichzeitig 5€ verloren?
Ähnlich gehandhabt wird das bei der Verbindung, Vermischung und Verarbeitung von Sachen. Auch dort verliert ein Eigentümer uU kraft Gesetzes sein Eigentumsrecht und bekommt dafür einen Anspruch aus Bereicherungsrecht. So geregelt in § 951 BGB.
Schau dir mal die Forumulierungen dort an:
(hier verliert jemand sein Eigentum, aufgrund von Verarbeitung, ohne dass dies ausdrücklich im Gesetz steht)
(hier erhält dieser jemand einen Bereicherungsanspruch)
X hat also einen Bereicherungsanspruch gegen den Y auf Rückübertragung des Eigentums an Ben.
Er muss ihn wieder rausgeben. Allerdings hat er seinerseits einen Anspruch gegen X auf Ersatz seiner Kosten und Aufwendungen.
Y hat Ben nach den 6 Monaten kastrieren lassen. X ist empört und verlangt den Minderwert erstattet.
Bekommt er das Geld von Y?
Im Regelfall nicht. Als Eigentümer durfte Y Ben kastrieren. Ein entsprechender Anspruch des X scheitert regelmäßig daran, dass der Y insoweit "entreichert" ist, § 818 III BGB.
Anders kann es wieder aussehen, wenn der Y vor Bens Kastration Kenntnis davon erlangt, dass X seinen Hund von ihm zurückfordert.
X entdeckt seinen verschwunenen Ben bei Y erst nach 4 Jahren. Er will ihn sofort zurück. Was nun?
Y ist wie gesagt ja Eigentümer geworden. Allerdings gibt es, wie gesehen, den Bereicherungsanspruch aus § 977.
Dieser Anspruch ist aber zeitlich auf drei Jahre begrenzt. Diese Zeit ist abgelaufen. Y kann Ben behalten.
Y hat mit Hunden nichts am Hut und verkauft Ben nach 6 Monaten an den Hundeliebhaber Z. X sieht Ben bei Z und will ihn zurück.
Geht das?
Der Bereicherungsanspruch aus § 977 wendet sich gegen den Finder. Z ist nur neuer Eigentümer, Finder war er nicht und ist es durch den Kauf auch nicht geworden. Der Anspruch aus § 977 richtet sich nicht gegen ihn.
Z darf den Hund behalten.
(Anders könnte es eventuell aussehen, wenn Z den Hund geschenkt bekommen hätte.)
Y hat den Hund sofort an Z verkauft, allerdings unter der Bedingung, dass sich innerhalb der 6 Monate kein Eigentümer findet. X entdeckt nach 1 Jahr Ben bei Z und will ihn zurück.
Y hatte als Finder eine Art "Anwartschaftsrecht" an dem Tier, dass er auch auf Z übertragen darf. Z ist also nach 6 Monaten Eigentümer geworden. Fraglich ist, ob er Ben nach § 977 herausgeben muss. Auch das ist nicht der Fall, denn Y überträgt nur sein Anwartschaftsrecht, nicht aber seine "Finderstellung" auf Z.
Z darf Ben behalten. Anders sähe es aus, wenn X den Hund nach 4 Monaten bei Z finden würde. In diesem Fall würde er ihn zurückbekommen.
MaHeDo schrieb:
Nach Ablauf der 6 Monate ist der Finder auch kein Finder mehr, sondern Eigentümer. Und § 977 bezieht sich auf den Zeitpunkt nach den 6 Monaten.
Doch das ist er noch. Nur weil er jetzt auch noch Eigentümer ist, ändert sich doch nichts an seiner Stellung als Finder.
Dass dort nicht "neuer Eigentümer" oder Ähnliches steht, erklärt das obige Beispiel. Der Finder, der Eigentümer geworden ist, muss dies nicht bleiben. Er kann die Sache verkaufen, verschenken, das Eigentum daran aufgeben etc.
Schaltet man die Gemeinde in den Fall ein, gibt es im Grunde keine wesentlichen Änderungen.
Y findet den Hund und übergibt ihn der zuständigen Behörde, die Ben im Tierheim unterbringt. Etwaige Ansprüche interessieren Y nicht, er verzichtet darauf.
Nach 8 Monaten findet X seinen Hund im Tierheim wieder und verlangt ihn zurück.
Hier ist die Gemeinde nach § 976 Eigentümerin des Hundes geworden.
Allerdings wird § 976 auch vom Bereicherungsanspruch des § 977 erfasst. X kann den Hund nach § 977 herausverlangen, muss aber Versorgungskosten etc. tragen.
Es funktioniert also alles mehr oder weniger so wie oben.
Fazit: Alles hängt von der Fallgestaltung ab. Wandelt man meine Beispiele nur etwas ab, kann man mitunter zu ganz anderen Ergebnissen kommen.
Zum herrenlosen Tier
MaHeDo schrieb:
Ich hoffe, ich kann das richtig wieder geben.
Die Besonderheit der "Sache Tier" kann sowohl ein Tierheim als auch einen Finder schon vor Ablauf der 6 Monate zum Eigentümer machen und das Fundrecht ist dann (inkl. §977) irrelevant.
Komunen sind nur zur Aufnahme von Fundtieren verpflichtet. Nicht aber zur Aufnahme, Aufbewahrung und Versorgung von herrenlosen Tieren. Eine für Komunen verbindliche Unterscheidung gibt es nicht. Als herrenlose Tiere gelten Tiere, die z.B. ausgesetzt wurden, auch wenn das nicht erlaubt ist. Tiere ohne Besitzer darf jeder zu seinem Eigentum machen, für sie gilt das Fundrecht nicht.Es gibt sogar Komunen, die bereits 4 Wochen nach Auffinden ein Tier als herrenlos bezeichnen, wenn kein Besitzer dieses Tier durch eine Verlustanzeige Anspruch angemeldet hat.
Natürlich finden auf "herrenlose" Tiere, die Anordnungen über das Fundrecht keine Anwendung.
Aber eine solche Eigentumsaufgabe erfordert einen entsprechenden Willen beim Eigentümer.
Es ist keine Norm mit der man "auf die Schnelle" die Fundvorschriften umgehen kann. Also ein: "oh, da liegt ja ein armer, vollgepackter, ausgesetzter Geldbeutel, den nehme ich jetzt großherzigerweise bei mir auf und eigne ihn mir an", geht so nicht
Es müssen schon entsprechende Umstände für einen solchen Willen sprechen, z.B. wo und wie die Tiere gefunden wurden, was es für Tiere waren etc.
Pauschal zu sagen: "wenn sich nach 4 Wochen niemand meldet, dann war es ein herrenloses Tier", halte ich für gefährlich.
Thema Kastration von "Fundtieren"
MaHeDo schrieb:
Aus diesem Fall lässt sich daher nicht ableiten, dass die Kastration eines Tierheimtieres in keinem anderen Fall durchgeführt werden darf.
Da hast du sicher recht.
Ich habe mal gesucht und ein altes Urteil (von 1993) vom Kammergericht Berlin gefunden (Az.: 7 U 2938/93)
Dort ging es um die Sterilisation einer Zuchthündin (AmStaff).
Das Kammergericht hat die Sterilisation nicht als pflichtwidrig eingestuft, weil das Tier aggressiv war. Es hat aber festgestellt, dass "ein hinreichender Grund" vorliegen muss, damit ein solcher Eingriff nicht als Pflichtverletzung gewertet wird. Bezogen auf den Fall; wenn das Verhalten des Tiers die Sterilisation nicht gerechtfertigt hätte. Hier soll die Hündin ziemlich aggressiv gewesen sein, außerdem ein "Kampfhund", weswegen das insgesamt okay war.
Wer das gesamte Urteil lesen will, kann mir eine PN senden, ich schick es ihm dann zu.
OT: hat das alles eigentlich jemand ganz gelesen, ist ja ein halber, unverständlicher Roman geworden