Ein Hallo in die Runde,
eine sehr interessante und nette Diskussion habt Ihr hier angeregt, da klinke ich mich doch einfach mal mit ein
„Hundewelten (HW) haben das Rad nicht neu erfunden …“
……aber es bei vielen Hundehaltern sicher ein Stück weitergedreht. Die HW-Arbeitshypothesen müssen doch den unkundigen, jedoch ernsthaft interessierten Hundebesitzer ja geradezu reizen, sich gründlich mit Verhaltensbiologie auseinander zusetzen. Sich ggf. auch ernstzunehmende Literatur zu diesem Thema zu beschaffen und - wirklich hochwertige - Seminare zu besuchen. Das HW-Strickmuster jedenfalls ist zu großmaschig für meinen Jagdhund. Mein Barosch fällt dort durch. Schon allein deshalb, weil er die Endhandlungen einer Jagdsequenz beherrschen soll.
Ein jagdlich geführter Hund mit Therapiebedarf (Ihr Hund hat keinen Therapiebedarf) kann durchaus in der Verhaltensumlenkung gearbeitet werden, auch wenn er weiter jagdlich geführt werden soll. Wir haben bei Absolut-Hund bereits einige solcher Fälle gehabt und es macht überhaupt keinen Unterschied.
Letztendlich gehst es nur um Steuerung. Hunde, die eigenständig jagen gehen, sind unabhängig vom Menschen. Aber bei der Abhängigkeit geht es nicht nur darum den Bauch zu füllen. Da kommen noch ein paar Faktoren mehr dazu. Der Hund ist ein Rudeltier und kein Einzelgänger
)
Der Aspekt ein Hund mit Jagderfolg = Beute geschlagen, sei nicht therapierbar wenn er weiterhin Beute schlagen kann/soll ist ganz einfach zu dementieren: Rudelstrukturen in freier Wildbahn würden alle Nase lang auseinanderbrechen, da jedes einzelne Tier nach Bedarf einfach mal so losjagen müsste/würde heißen, wird zum gemeinsamen Beutefang aufgebrochen und ein Tier erspäht ein Maüschen, müsste dieses Tier die gemeinsame Jagd abbrechen und im Alleingang das Mäuschen jagen.... so ungefähr wie ... oh ich habe da hinten ein Häschen oder Mäuschen gesehen, das mach ich mal alleine, .... (so sieht es in der Kombination Mensch/Hund aus). Funktioniert also eine Verhaltensänderung nicht, fehlen einige Faktoren in der Ursache. Ursache bei der Verselbständigung ist ein Ungleichgewicht in der strukturellen Ebene zwischen Mensch und Hund. Hinzu kommt dann triebgesteuertes Verhalten und dadurch bedingt ein Mangel an Triebbefriedigung. Geht man nun hin und arbeitet an dem Jagdproblem ohne überhaupt im Ansatz die strukturelle Grundlage hergestellt zu haben, wird sich kein Erfolg einstellen können. Weiter muss dem Hund ein Alternativverhalten geboten werden. Heißt.... lässt er das eigenständige Jagen, sollte ein kontrolliertes Jagen gewährt werden, sonst kommt es zu einem Triebstau (hier käme dann bei einem jagdlich geführten Hund das Ansetzen zur z.B. Nachsuche in Frage) oder bei einem nicht jagdlich geführten Hund das "Mäuschenbuddeln" mit Erfolg durch/über den Hundehalter in Form von Futter.
Dies ist ein Beispiel und nicht zu verallgemeinern. Das Drumherum hat Priorität und dieses widerum muss individuell auf Hund und Halter abgestimmt und erarbeitet werden.
„non-verbales Arbeiten…“
Meinen ersten Hund sülzte ich auch zu, bis ich Bodenarbeit mit Pferden ohne Leine kennen lernte. Fluchtiere reagieren offenbar auf Körpersprache noch sensibler als Raubtiere. Allerdings käme von den Pferdeleuten heute niemand ernsthaft auf die Idee, das nonverbale Arbeiten in die Nähe einer eigenen, neuartigen Erfindung zu stellen. Nonverbales Arbeiten mit Pferden ist eine alter Hut und kulturelles Allgemeingut.
Bei Hunden wird das wohl auch so sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass nach dem Ende der letzten Eiszeit bis einschließlich anno 1999, als S.D.T.S. aufkam, niemand auf die Idee gekommen sein soll, seinen Dog spechless zu trainieren.
Dazwischen gab es sicherlich mindestens einen Ur-bzw. Neuzeitmenschen. Der, möglicherweise auch stumm war, es aber verstand, sich mit seinem Wolf/Hund beim Anpirschen an Wild lautlos zu verständigen. Dieser Mensch war einerseits vielleicht noch nicht in der Lage, solch anspruchsvolle Begriffe wie Methode und System zu verwechseln, andrerseits aber wohl noch bodenständig genug, sein Hunde-Wissen weiterzureichen bzw. zu vererben.
Sehr schön formuliert und beschrieben
) Meine absolute Zustimmung.
Die nonverbale Kommunkation ist als Grundlage zwischen Mensch und Hund zu sehen. In der therapeutischen Arbeit von besonderer Wichtigkeit, da Verhaltensweisen bereits vorhanden sind und diese nunmal oft einen Zusammenhang zur Sprache erkennen lassen. Verbale Verbote, auszuführende Kommandos etc. sind Aktionen des Menschen und nehmen dem Hund die Grundlage auf seinen Menschen zu achten.
„…Reiß-Zerrspiele…“
Wenn der Hund eine Beute nicht hergibt, trotz ernstgemeinter Aufforderung, ist Ursache dafür doch nicht die Beute ?! Insofern verstehe ich Deinen Ansatz nicht, in einem solchen Fall eine Alternative zu bieten. Ich kann mir aus Deiner Skizze kein richtiges Bild machen. Vielleicht gehst Du für mich noch mal näher darauf ein ?
Richtig, die Beute ist nicht das Problem, sondern auch hier das Ungleichgewicht/die Stimmigkeit zwischen Hund und Halter.
Hat man einen Hund, dem viele menschliche Privilegien überlassen werden und man macht Zerrspiele (Kampf um Beute) mit dem Hund, geht es im Symptom und der Situation um das Beanspruchen der Beute, ursächlich aber rührt die Beanspruchung und einhergehende Verteidigung der Beute aus dem wieder einmal unstimmigen Verhältnis zwischen Hund und Halter. Davon mal abgesehen macht es wenig sinn mit dem Hund um eine Beute zu "streiten" entweder ich nehme mir die Beute und beanspruche diese für mich, oder ich überlasse die dem Hund. Immer unter Einfluss aller anderen Faktoren. Besteht keine Verteidigungsbereitschaft und auch sonst existiert für den Hundehalter kein Prob mit dem Verhalten des Hundes, kann man durchaus solche "Spielchen" machen. Wenn auch aus Hundesicht nicht verständlich
)
„… hinter dem Ball herlaufen…“
Im Hundewelten -Script „Die größten Irrtümer in der Hunderziehung“ wird auf Seite 19 daran gezweifelt, ob ein Hund überhaupt unterscheiden kann zwischen einem sich schnell bewegenden Ball und einem sich schnell bewegenden Auto. Schlussfolgerung daraus: Für Hunde generell keine Ballspiele.
Bei Erik Zimen habe ich dazu gelesen (der Wolf) dass schnelle Bewegung ein wichtiges Beutemerkmal sind, dass Jagdverhalten auslösen kann. Zum Auslösen gehört aber noch mehr. Und natürlich muss im Groben und Ganzen auch die Physik stimmen. Zwischen einem Ball und einem Auto wird wohl fast jeder Hund unterscheiden können.
Ballspiele müssen nicht zwangsläufig zu Problemen im Alltag führen, auch bei Jagdhunden nicht. Obwohl wir gerne Fußballball miteinander spiel(t)en haben meine eigenen 3 Jagdhunde noch nie dazu angesetzt, einem Auto oder Fahrradfahrer hinterher zu rennen, obwohl es Gelegenheit dazu reichlich gab. Meinem jetzigen Hund habe ich gut 20 mal auf (krankes) Rotwild und Damwild zur Hetze loslassen müssen. Einige Stücke hat er dabei auch selber umgebracht, weil ich nicht schnell genug hinterherkam. Nie aber hat er dazu angesetzt, einen Fahrradschlauch würgen zu wollen oder ein Auto zu stellen. Den Jagdtrieb kann der Mensch doch aussteuern ?!
Deine Vorbehalte gegen das Ballspielen mit Hunden, die zum Hetzen/Jagen neigen, sind meines Erachtens unangemessen, weil zu undifferenziert. Vielleicht sind diese Vorbehalte auch nur Rudimente Deiner HW-Vergangenheit. Dem HW- Anspruch nach soll ja unerwünschtes Verhalten (richtigerweise) schon im Ansatz (und sicher auch maßvoll) begegnet werden.
Aber ist der Zeitpunkt dafür richtig, wenn der Hebel bereits angesetzt wird, lange bevor der Hund überhaupt den ersten Gedanken zu einem bestimmten unerwünschten Verhalten fasst? Der Hebel also quasi schon bei der Triebanlage greift, und nicht, wie wohl beabsichtigt, erst beim Ansatz des unerwünschten Verhaltens ?
Und ist das Vorenthalten/Wegnehmen des Balls das angemessene Mittel für alle zukünftigen, und überdies noch weitesgehend unbekannten Situationen?
Ich würde nie alle Hunde in Bezug auf das Ballspielen über einen Kamm scheren, auch nicht die zum Jagen/Hetzen neigenden. Diese Theorie, Hunde nicht mit dem Ball spielen zu lassen, halte ich für grobes Handwerkzeug. Vergleichbar mit einem Rasenmäher, mit dem man rechtzeitig, bevor die Orchideen sich öffnen, eine gesamte Wiese platt machen kann, anstatt mit dem Spaten die paar Disteln auszugraben, die vielleicht irgendwo hochkommen könnten.
Auch hier muss man wieder schauen.... gibt es Verhaltensauffälligkeiten, oder eben nicht.
Fakt ist allerdings, betreibt man das Ballschmeißen, entwickelt/forciert/weckt man den Hetztrieb. Kommt der Mensch der Triebbefriedigung nicht nach, kann sich der Hund schnell verselbständigen und sich eigenständig die Triebbefriedigung verschaffen. Hier entgleist oftmals bei Hüte- und Jagdhunderassen die Steuerung durch den Menschen. Der Hund fängt an zu manipulieren indem er seinem Menschen ein zu werfendes Objekt vor die Füße spukt, oder sucht sich eben die Triebbefriedigung unter Umständen bei der Hetz durch sich bereits bewegende Objekte wie z.B. Jogger, Fahrradfahrer, rennende Kinder, Auto´s etc. sucht.
Also sollte solch ein "schmeiss weg" Spielchen immer unter Vorbehalt und mit Bedacht umgesetzt werden.
Die Frage ist in diesem Zusammenhang eigentlich nur: Will ich das Risiko, dass der Hund unkontrolliert hetzt eingehen um es dann später unter Umständen wieder herausarbeiten zu müssen?
Nicht verallgemeinert, aber leider mit ein Hauptbestandteil unserer therapeutischen Einsätze.
Gruß
Heike