Nadine, das war ein sarkastisches "du", aber eher auf die Situation bezogen als auf dich. Du musst dir nicht jeden Schuh anziehen, der auf dem Weg herumfliegt.
Das ist doch genau wie mit dem Trinken. Wenn es "so einfach ist", "zu merken, wann man überfordert ist" - warum gelingt es so vielen Leuten einfach nicht?
Ich würde vermuten, weil sie oft (natürlich nicht immer) infolge der Überforderungssituation eben
nicht mehr in der Lage sind, eben dieses zu bemerken und rechtzeitig die Notbremse zu ziehen.
Ich gebe dir völlig Recht:
Ja, man
sollte es merken, wenn man überfordert ist, vor allem, wenn man nicht nur Verantwortung für sich selbst hat, sondern für Kinder, die völlig von einem abhängig sind.
Ja, man ist als Mutter oder Vater in der Pflicht, für das eigene Kind zu sorgen, und wenn man das allein nicht kann, ist es besser, man sucht sich Hilfe oder gibt die Verantwortung sogar ab, als wenn das Kind darunter leidet, dass man es allein schaffen will.
In dem Fall ist es sinnvoll (und das einzig Richtige!), das eigene Ego zurückzustellen und zu schauen, was für das Kind am besten ist.
Darüber, dass es so sein
sollte, brauchen wir, glaube ich, nicht zu diskutieren.
Aber Fakt ist auch, dass der Alltag eben oft ganz anders aussieht.
Und - und das ist halt ein Punkt, der mir wichtig ist -
nicht nur bei "Asis" und "Totalversagern", über die man sich dann sehr leicht aufregen kann - und dann geht man halt zur Tagesordnung über, weil's einen selbst ja
niemals betreffen wird.
Ich versuch es jetzt nochmal ganz von vorn aufzudröseln, weil mir das wirklich wichtig ist. Mal sehen, ob ich es schaffe:
An dem Eingangsartikel sind mir zwei Dinge unangenehm aufgestoßen:
1) Der Leser wurde schon in die Richtung "Baby wurde (von der Mutter) gezielt und übelst misshandelt" gedrängt, als im Grunde noch gar nicht klar war, was eigentlich passiert war.
Seitdem wird eigentlich nur über aufgewühlte Emotionen diskutiert, und kaum über den Fall selbst.
Auch bei meinen Beiträgen wird eher über mein "Gutmenschentum" und meine Tendenz dazu, etwas Unentschuldbares zu "entschuldigen", gesprochen, als über das, was ich wirklich sagen möchte.
Das entspricht einer allgemeinen Tendenz:
2) Durch die Machart des Artikels wird von der eigentlichen Problematik komplett abgelenkt. Dabei ist diese keineswegs trivial oder kommt nur bei "Leuten vor, die besser sowieso keine Kinder haben sollten".
Wenn ich es jetzt richtig verstanden habe, hat die Mutter tatsächlich ihr schreiendes Kind geschüttelt und dann in die Babyschale "gepfeffert" (und ja, bei dieser Vorstellung wird mir auch ganz anders...) - und letztlich ist es an den Folgen verstorben.
Dazu möchte ich folgendes loswerden:
Ich hatte gleichfalls ein Baby, das phasenweise extrem viel geschrien hat, und mit dem ich ganz alleine war. Und ich "wusste" (natürlich!), dass man ein schreiendes Baby niemals, niemals schütteln darf. Ich wusste sogar, wieso.
Und trotzdem scheint es so zu sein, dass dieses "Schütteln" etwas ist, was man in solchen Momenten - obwohl man es "weiß", wie gefährlich das ist - rein intuitiv tun will.
Es hat Momente gegeben, da musst ich mich extrem stark bremsen, weil das Schütteln das Ding ist, was der Teil vom Hirn tun will, der nicht bewusst denkt, und der ist bei stundenlangem Dauergeschrei aktiver als der Rest.
Es hat auch Momente gegeben, da hab ich mit letzter Selbstbeherrschung (immerhin hatte ich die. Das ist gut. Aber eben keineswegs selbstverständlich) das Kind ins Schlafzimmer geschleppt und relativ unsanft auf dem Federbett abgelegt, weil die Landung auf dem Wickeltisch vermutlich nicht mehr ohne Kollateralsschäden abgegangen wäre.
Das ist einfach so. Ich bin da nicht stolz drauf, aber ich kann es auch nicht ändern. Ich habe mich nicht bewusst dafür entschieden, so zu reagieren, es war einfach so, und ich musste sehen, wie ich drauf klarkomme. (Ich hab mich auch nicht bewusst dafür entschieden, quasi alleinerziehend zu sein, aber das ist ein anderes Thema.)
So - und aus dieser Erfahrung heraus wäre mir bei so einem Vorfall wichtig, dass eben geschrieben wird, wie es war - dass die Mutter nämlich ihr Kind im Affekt geschüttelt hat, und betont wird, wie gefährlich das ist, und wie schnell sowas geht... ganz ohne Tötungsabsicht, oder überhaupt jede Absicht, seinem
Kind zu schaden.
Statt im Grunde die Mutter als "Monster" darzustellen, und den Fall damit zum bedauerlichen Einzelfall zu machen, über den man sich aufregen und den man dann beiseite schieben kann.
Ich seh es so: Es ist sicher kein Zufall, dass ich mein Kind nie verletzt habe, diese Frau aber schon: Ich bin älter, ich bin letztlich sehr selbstüberlegt, und an den Fakten "Schütteln ist Gefährlich" kam ich schlussendlich nicht vorbei. Außerdem trinke ich selten bis gar niemals Alkohol. Und ich hatte bloß ein Kind plus nervigen Hund zu versorgen.
Diverse Faktoren, die diese Entwicklung in dem Fall begünstigt haben, waren bei mir also nicht vorhanden.
Trotzdem ist die Ausgangssituation nicht so unterschiedlich.
Und mir wär es eben lieber, x Leute erkennen in so einem Fall, wie wichtig eine einzige Sekunde der Entscheidung hier sein kann, als sie zeigen mit dem Finger auf den Täter, und das war's.