Ich hab vor Jahren sozusagen den umgekehrten Fall erlebt, also dann wohl quasi die 'Entwolfung'.
Mir war auf dem Weg zur Arbeit zufällig ein Minispitz auf dem Radweg aufgefallen - an zwei Tagen, jeweils ein paar Meter von jemandem entfernt, als liefe er frei, und wolle sich nicht gleich rufen lassen. Beim einen Mal fiel mir auf, dass er ein verrutschtes Geschirr anhatte. Ein paar Tage später sah ich ihn dann alleine, woanders. Mit immer noch verrutschtem Geschirr, und als er merkte, dass ich ihn gesehen hatte, haute er ab, ins Gebüsch.
Naja - ich hinterher, und da hinter dem Gebüsch ein Zaun war, hab ich ihn da festsetzen können
Anfassen ging aber nicht, der war völlig panisch, und ließ keinen Zweifel daran, dass ich ihn sofort sonstwo hängen haben würde, sollte ich es wagen, ihn anzufassen. Essen hätte er gern genommen, ausgerechnet an dem Tag hatte ich aber nur einen Apfel dabei. Den mochte er nicht.
Ansonsten saß da eine schnaufende, pustende, knurrende, zähneklappernde und -zeigende Viertelportion Hund mit weit aufgerissenen Augen vor mir, der gar zu gern geflüchtet wäre, sich an mir aber nicht vorbei traute.
Ich hab es dann geschafft, ihm ne Kordel von meiner Regenjacke wie eine Leine um den Hals zu legen - mit grooooßem Abstand... - und ich sag auch ehrlich, das hätte ich mich bei einem größeren Hund in diesem Geisteszustand vermutlich nicht getraut.
Und in dem Moment, wo er die Leine um den Hals hatte, sprang er freudestrahlend und erleichtert auf und ging mit mir mit, als habe er im Leben nie was anderes gemacht. Kein Zerren, kein gute Zureden nötig - da kam eher ein: "Komm schon, sag an, wohin gehen wir jetzt?"
Es ging dann leider nur in die nahgegelegene tierärztliche Hochschule, die ihn mir dankenswerterweise abgenommen hat, damit ich nicht mit Bus und Bahn und Hund ins ziemlich weit außerhalb gegelene örtliche TH fahren musste, und ich kann auch nicht sagen, was nachher aus ihm geworden ist.
Auf jeden Fall fand ich es ziemlich verblüffend, wie er von "total verstört, eigentlich jenseits von gut und böse" in dem Moment, wo die vertraute Situation "Leine" da war, auf: "Ich bin ein gut erzogener, ganz normaler Hund" umgeschaltet hat. (Tatsächlich hatte ich weder vorher noch nachher wieder eine Hund, der so gut an der Leine lief.)