Bagdad/Kairo - Acht Monate nach seinem Sturz ist der irakische Ex-Diktator Saddam Hussein von US-Truppen gefasst worden. Die amerikanischen Soldaten spürten Saddam am Samstagabend in einem Erdloch nahe seiner Heimatstadt Tikrit auf. "Meine Damen und Herren, wir haben ihn!", gab triumphierend der oberste US-Verwalter im Irak, Paul Bremer, am Sonntag vor der Presse in Bagdad bekannt. Saddam habe sich festnehmen lassen ohne Widerstand zu leisten, berichtete der Oberbefehlshaber der US-Bodentruppen im Irak, General Ricardo Sanchez, der Presse in Bagdad. "Es fiel kein einziger Schuss."
Videofilm: Saddam mit langem Bart
Die US-Armee zeigte in einem Videofilm, wie der festgenommene 66 Jahre alte Ex-Diktator von einem Arzt untersucht wurde. Er trug einen langen grauen Bart und wirres Haar. Der frühere Machthaber, der nach dem Einmarsch der US-Armee in Bagdad im April untergetaucht war, wirkte erschöpft und niedergeschlagen. Auf ihn hatten die USA ein Kopfgeld in Höhe von 25 Millionen Dollar ausgesetzt. Seine Söhne Udai und Kusai waren am 22. Juli von US-Soldaten getötet worden, als sie sich in Mosul ihrer Festnahme mit Gewalt widersetzten. Als letztes führendes Mitglied der früheren irakischen Führungselite ist noch Saddams Stellvertreter Isset Ibrahim el Duri auf freiem Fuß.
Diktator in gemauertem Erdloch nahe Tikrit
Saddam Hussein befinde sich an einem geheimen Ort in US-Gewahrsam, erklärte Sanchez. Hinweise aus der Bevölkerung, die Vernehmung von Verdächtigen und Geheimdienstaufklärung hätten zu seiner Festnahme in einem gemauerten Erdloch nahe der Ortschaft Ad Dawr, 15 Kilometer südlich von Tikrit, geführt. Mit ihm seien zwei weitere Iraker festgenommen worden. In dem Versteck wurden auch Waffen und 750.000 US-Dollar gefunden.
Saddam "gesprächig und kooperativ"
Saddam sei nach seiner Festnahme "gesprächig und kooperativ" gewesen, sagte Sanchez. "Er sah müde und resigniert aus", fügte der General hinzu. Die US-Armee zeigte auch Bilder des kleinen Erdlochs, in dem sich Saddam versteckt hatte. Er führte die Liste der von den USA gesuchten 55 Spitzenleute des Saddam-Regimes an und war das Pik Ass in der als Kartenspiel aufgezogenen Fahndungsliste.
"Staat der Angst endgültig gestürzt"
"Der Staat der Angst und des Geheimdienstes ist endgültig gestürzt", sagte Adnan Padschadschi, Mitglied des irakischen Regierungsrats. Saddam Hussein werde im Irak vor Gericht gestellt. Einige irakische Journalisten jubelten laut, als die Bilder Saddams gezeigt wurden und riefen "Tod für Saddam". Padschadschi schlug vor, den 14. Dezember zum nationalen irakischen Feiertag zu erklären. Er versprach, es werde bald eine "unabhängige irakische Regierung geben", die von keiner ausländischen Macht mehr kontrolliert werde.
Schröder beglückwünscht Bush
Bundeskanzler Gerhard Schröder beglückwünschte US-Präsident George W. Bush zur Festnahme Saddams. Dieser habe "unsägliches Leid" über sein Volk und die Region gebracht. Frankreichs Präsident Jacques Chirac erklärte, die Festnahme Saddams "dürfte erheblich zur Demokratisierung und Stabilisierung des Iraks beitragen". Der britische Premierminister Tony Blair sagte, Saddams Schatten sei nun endgültig vom Irak gewichen. Der Ex-Diktator solle vor ein irakischen Gericht gestellt werden.
Jubelfeiern im Irak
In vielen Städten des Iraks kamen die Menschen zu Jubelfeiern zusammen, nachdem sich die Nachricht von der Festnahme Saddams verbreitet hatte. Einige feuerten Freudenschüsse in die Luft. Vor dem Bagdader Hauptquartier der Kommunistischen Partei, deren Anhänger unter dem Regime des Ex-Präsidenten brutal verfolgt worden waren, schwenkten die Menschen Fahnen und verteilten Bonbons. "Es wäre besser, er hätte Selbstmord begangen, anstatt sich festnehmen zu lassen", sagte ein Gemüsehändler in der Innenstadt. Doch nicht alle nahmen die Nachricht mit Freude auf. Ein Stoffhändler in Bagdad sagte dem arabischen TV-Sender El Dschasira: "Es ist schmerzlich und traurig, dass unser Ex-Präsident gefangen genommen wurde." Andere erklärten, es sei ein Angriff auf die "Ehre" der Iraker, dass die Amerikaner Saddam gefangen hätten.
Trotzdem kein Ende der Gewalt abzusehen
General Sanchez erklärte, er glaube nicht, dass die Festnahme Saddams ein Ende der Angriffe auf US-Soldaten und Iraker, die mit ihnen zusammenarbeiten, bedeute. Am Sonntagmorgen kamen bei einem Autobombenanschlag auf eine Polizeiwache in der westirakischen Stadt El Chalidija mindestens 19 Iraker ums Leben. Rund 30 weitere Menschen wurden verletzt. Die meisten Opfer des Anschlags waren Polizisten, aber auch zwei Kinder, wie der arabische TV-Sender El Dschasira unter Berufung auf Krankenhausärzte in der Nachbarstadt Ramadi berichtete. Die verheerende Explosion ereignete sich während des Morgenappells. (pf/dpa/AFP)