Neues Berliner Hundegesetz hat Lücken
Verschärfte Regelungen greifen nicht in Wohnungen der Besitzer, aber 70 Prozent der Vorfälle spielen sich in Räumen der Halter ab
von Hans H. Nibbrig
Ein American Staffordshire Terrier
Foto: dpa
Berlin - Versicherungs- und Meldepflicht für alle Hunde, Leinenzwang in Parks sowie auf Straßen und Plätzen, ein Eignungsnachweis für Halter von Kampfhunden und bis zu 50 000 Euro Bußgeld für Verstöße gegen diese Vorschriften. Das geplante Hundegesetz des Senats, das im Herbst in Kraft treten soll, enthält strengere und umfassende Regelungen als jedes andere diesbezügliche Gesetz zuvor.
Die Beißattacke eines Hundes gegen seine Besitzer am Sonnabend hat allerdings schonungslos die Defizite der neuen Regelung offen gelegt. Denn der Vorfall fand dort statt, wo das neue Gesetz nicht greift - in der Wohnung des Halters. Und er bildet bei weitem keine Ausnahme. 70 Prozent aller Beißattacken von Hunden ereignen sich laut Beißstatistik in Wohnungen und auf Privatgelände, darauf verwies Claudia Hämmerling (Grüne) gestern. Wie berichtet hatte der Schäferhundmischling "Apollo" am Sonnabend in Lichtenberg seinen Halter Thomas S. (31) und dessen Ehefrau Anke (29) aus heiterem Himmel angefallen und beide schwer verletzt. Außerdem war der Hund nach Angaben der Polizei zuvor schon aggressiv gegenüber seinen Haltern und fremden Kindern aufgetreten.
Claudia Hämmerling nahm den Vorfall zum Anlass, das geplante Hundegesetz erneut heftig zu kritisieren. Sie fordert einen "Hundeführerschein" für die Besitzer aller großen Hunde, statt wie in dem Gesetz verankert nur für die Halter von Kampfhunden.
Im Visier hat die Politikerin auch die so genannte Rasseliste der als gefährlich eingestuften Hunde. "Von den in dieser Liste aufgeführten Hunden gingen im vergangenen Jahr gerade mal sechs Prozent aller registrierten Beißattacken aus. Die nicht in der Liste aufgeführten Schäferhunde gehören dagegen zu den Rassen, die am häufigsten zugebissen haben", kritisierte Hämmerling. Insgesamt wurden 2003 in Berlin 1020 Hundebisse registriert.
Oppositionspolitiker kritisieren nicht nur Inhalte des Gesetzes, sie hegen auch Zweifel an der Durchsetzung, weil es an wirksamen Kontrollen mangelt. Die Polizei, die lange Zeit verstärkt die Einhaltung von Maulkorb- und Leinenzwang kontrollierte, habe entsprechende Streifen inzwischen eingestellt, sagte ein Sprecher gestern. Künftig sind, so will es der Senat, die Ordnungsämter der Bezirke verantwortlich. "Für die Kontrollen wären dann unsere Kiezstreifen zuständig. Ob die das leisten können, ist allerdings fraglich", meinte gestern ein zuständiger Beamter des Bezirksamtes Mitte.
Die Abgeordnete Claudia Hämmerling sieht das ähnlich: "Wir müssen mal abwarten, wie stark die Kiezstreifen personell besetzt sind. Nach derzeitigem Stand sollen sie in einigen Bezirken ja wohl aus zwei Personen bestehen. Da kann ich allerdings nur lachen."
Artikel erschienen am Di, 17. August 2004