Editorial
24. November 2000
Stur wie...
Welcher Mensch kam je darauf, Esel als stur zu beschimpfen? Eigentlich kann einem zu dieser neuerlichen und wiederholten Ignoranz gegen jede biologische Erkenntnis nichts mehr einfallen ausser Ver-Fassungslosigkeit. Egal, welche Hunde nun auf der Liste stehen: es sind immer die falschen. Es ist immer der Einzelfall bei Lebewesen zu beurteilen. Bei Schwerverbrechern jedenfalls. Bei Hunden nicht.
Die Verordner haben jede plausible Begründung entweder verdrängt, abgelehnt oder wahrgenommen. Unter Psychologen nennt man dies Wahrnehmungsstörung. Bei diesen nur in Deutschland in ganzen Human-Artengruppen auftretenden Ignoranzen handelt es sich aber um die nunmehr bundeseinheitlich vorgeschriebene Respektlosigkeit gegenüber dem nachweislichen Individuum. Der „angebliche Schutz der Bevölkerung" ist der nackte Zynismus, Teil der Wahrnehmungsstörung. Denn der Auslöser dieses selten unlogischen Aktionismus gegen alle pauschal vorverurteilten Rassen, entgegen jeglicher Kynologie oder einer lückenhaften Beweisvermutung à la Beisstatistik des Deutschen Städtetags, das war ein Schwerverbrecher in Hamburg, der von jeder Ordnungshüterei verschont an einem missbrauchten Hund wirken und morden lassen konnte. Dann mussten laut Ordnungspolitiker ganz schnell alle möglichen Hunde so sein. Unschuldsannahmen gelten nicht für Hunde.
Nur Diensthunde wurden in seltsam begründeten Ausnahmen nicht auf die Liste gesetzt. Vereinzelt wurden gar Dobermänner oder Rottweiler dazugeordnet. Dabei sind dies doch deutsche Rassen! Kann nur ein Versehen sein. Aber auch die dümmsten Fehler wurden nicht korrigiert. Dazu braucht man eine Wahrnehmungsstörung oder Sturheit oder Respektlosigkeit, wie es eben - es ist jetzt amtlich - nur deutsche Ordnungspolitiker haben können.
Es sind nicht die „menschlichen Fehler", es ist die abgrundtiefe Respektlosigkeit vor dem unschuldigen Mitgeschöpf.
Aber auch schon vor Jahrhunderten hat man schon Schweine verurteilt. Oder Eseln Sturheit vorgeworfen, wenn sie nicht so wollten wie der Treiber. Schlau, der Esel, dumm wie ein Mensch, der Pauschalrassenverurteiler.
Es wäre so schlüssig wie klug gewesen, bestehende Gesetze ohne unbegründete Pauschalierung einfach anzuwenden.
Kann gut sein, dass ich mich hier wiederholt habe - seit Bestehen der hundezeitung.de vor gut neun Monaten. Aber jetzt fällt mir langsam nichts mehr zu dieser Borniertheit ein. Wie erkläre ich das meinen vielen ausländischen Freunden? Das eigentlich zutiefst Traurige ist jedoch die zynische Respektlosigkeit gegenüber jedem unschuldigen Lebewesen.
A pro pos Pauschalierung: Bitte nicht jeden Politiker und Ordnungsbeamten so sachkundig beurteilen wie diese unsere Hunde. Auch jene nicht, die sich jetzt aus parteipolitischen Motiven an Demos hängen. Politikverdrossenheit? Auch da gilt das Verursacher-Prinzip. Gut, das ich kein Rettungshund bin. Ich würde vielleicht doch Unterschiede machen.
Passen Sie nun um so mehr auf Ihre Hunde auf!
Ihr Rainer Brinks
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merlin