WHeimann
Der Tages-Anzeiger am 11.04.2001
Hundezucht im Wohnzimmer
Einer Dackelzüchterin aus Glattfelden wurden alle 21 Hunde weggenommen - die Tiere hatten kaum Auslauf.
Von Chris Winteler
Am 27. März fuhr Ruth Baumgartner vom Zürcher Veterinäramt zusammen mit vier Beamten der Kantonspolizei und sieben Tierambulanzen bei Karin Schuler (Name geändert) in Glattfelden vor. Wie der "Zürcher Unterländer" gestern meldete, durchsuchten die Beamten das Einfamilienhaus der Hobbyhundezüchterin, fotografierten jedes Zimmer. In der Zwischenzeit führte die Tierärztin alle Hunde - 17 Zwergdackel, darunter einige Welpen, und 4 Bernhardiner - in die Autos. Der Vorwurf: Verstoss gegen das Tierschutzgesetz. Gemäss dem "Unterländer" lebten die Dackel im 16 Quadratmeter grossen Wohnzimmer - es habe bestialisch gestunken. 7 Hunde mussten gar in einer 90 mal 60 Zentimeter grossen Box ausharren. Spazieren ging die Frau laut Beobachtern nie, Auslauf hätten die Hunde einzig während einer Stunde täglich im Zwinger gehabt.
Heinrich Binder, stellvertretender Kantonstierarzt, darf wegen der laufenden Untersuchung weder bestätigen noch dementieren. Nur so viel: Meistens genüge es, mit den Hundehaltern zu reden. Dass jemandem auf der Stelle die Hunde entzogen werden, komme höchstens einmal jährlich vor. Ein Bernhardiner muss in der Wohnung mindestens 4,3 Quadratmeter zur Verfügung haben, im Zwinger 8,6 Quadratmeter - das absolute Minimum gemäss Tierschutzgesetz. Ginge es nach dem Veterinäramt, müsste ein Hund zweimal täglich spazieren geführt werden. Die beschlagnahmten Hunde befinden sich nun im Tierheim. Ob noch alle leben, ist ungewiss: "Wenn ein Tier in sehr schlechtem Zustand ist, wird es gleich eingeschläfert", sagt Binder. Karin Schuler wird die Hunde nur zurückbekommen, wenn sie die Auflagen des Veterinäramtes erfüllt: beispielsweise mehr Platz, weniger Hunde, regelmässige Spaziergänge.
Alles Lüge, sagt die Züchterin
Die Hobbyzüchterin ist aufgebracht. "Alles erlogen, alles an den Haaren herbeigezogen", schreit sie in den Telefonhörer. Der Vorwurf, Sie gingen nie mit den Hunden spazieren, stimmt also nicht? "Nein." Sie gehen täglich spazieren? "Ja sicher." Mit jedem der 21 Hunde? "Ja sicher, mit jedem einzeln." Wie lange gehen Sie denn spazieren? "Schaue nicht auf die Uhr." Täglich, mit jedem Hund einzeln und daneben sind Sie berufstätig - wie schaffen Sie das? "Ich gehe in Gruppen spazieren." Im Übrigen hätten sich die Hunde überall frei bewegen können - im Zwinger und im Haus. "Meine Hunde hatten einen riesigen Auslauf, etwa 400 Quadratmeter." Im Hintergrund ruft ihr Mann: "Nein, 800 bis 1000 Quadratmeter." Und natürlich fehlen ihr die Hunde, "man hat schliesslich zu jedem eine Beziehung wie zu einem Kind". Ungewöhnliche Mischung, Bernhardiner und Zwergdackel. "Früher habe ich Bernhardiner gezüchtet, heute wegen eines Rückenleidens nur noch kleine Hunde, voilà." Frau Schuler, wie viele Dackel verkaufen Sie im Jahr? "Kein Kommentar."
Offizielle Hundezucht
Karin Schuler züchtete ihre Hunde unter der Schirmherrschaft der Schweizerischen Kynologischen Gesellschaft (SKG). Ginge es nach Peter Lauper, Präsident des SKG-Arbeitsausschusses für Zuchtwesen, dürfte sie keine Hunde mehr züchten, "jedenfalls nicht mehr unter unserer Oberaufsicht". Im letzten Oktober hat die SKG auf Wunsch des Dachshundeklubs die Zucht in Glattfelden überprüft. Mitte März erhielt Lauper den Rapport - und er reagierte sofort. Postwendend habe er das Veterinäramt über die "unhaltbaren Zustände" informiert.
Die Mängelliste sei lang, sagt Lauper: Haltung, Platzangebot, Versorgung seien im Bericht kritisiert worden. Leider habe die Kynologische Gesellschaft keine gesetzliche Handhabe, um Hunde zu beschlagnahmen, "sonst hätten wir sie sofort fremdplatziert". Welpen müssen gemäss Lauper ständig betreut sein. Und sie sollten unbedingt Kontakt mit der Aussenwelt haben, nur so könnten sie wesensfest werden - und das sei im Interesse aller. Doch im Rapport sei auch vermerkt - und das entlastet die Züchterin - dass sich die Hunde "sehr angenehm aufgeführt haben, zutraulich waren". Mit Sicherheit jedoch hätten sie ihren Bewegungsdrang nicht ausleben können.
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