Procten, ich bin die letzte, die bei jedem Bericht aufschreit: "Wieder so ein Asi"...
Im Gegenteil - wenn ich nicht gerade zu wenig Zeit dafür hätte, könnte ich dir mindestens 3 Links hier hereinsetzen, wo ich ganz ähnlich argumentiert habe wie du.
Aber: Ich spekuliere nicht nur, ich bemühe mich, zwischen den Zeilen zu lesen.
Was gerade bei Pressemeldungen sehr gut geht, wenn man weiß, wie die gemacht sind. Und da ich davon lebe, selbst welche zu verfassen - wenn auch eher über gesundes Essen usw. - meine ich, eine gewisse Übung darin zu haben.
Und was lese ich hier?
Ein dreijähriges Kind, das offenbar mit seinem Vater
in dem Ort zu Besuch und
allein unterwegs war, wurde
im Vorbeigehen von einem Rotti gebissen.
Der Vater fragte nach den Personalien des Halters und dem Impfstatus des Hundes.
Der Besitzer des Hundes drohte ihm Schläge an und verschwand
mit seinen Begleitern.
Die Polizei machte ihn später ausfindig.
Quelle: Offenbar eine polizeiliche Meldung, sonst wäre nicht bekannt gewesen, dass die Polizei ihn ausfindig gemacht hat.
Die Polizei hat ein Presseportal, wo sie alle Arten von Vorfällen als Meldungen einstellt, und die Journalisten können sich davon welche für Ihre Arbeit aussuchen. Hier hat eine Meldung es mal in die NAchrichten geschafft, das ist leider oder gott sei Dank nicht immer so.
1)
Vater und Sohn waren offenbar allein unterwegs. Hier einen eventuell überforderten oder zumindest von der Grundtendenz gestressten Vater anzunehmen, ist einigermaßen naheliegend, es sei denn, er kümmert sich auch sonst permanent oder doch regelmäßig um das Kind. Tut er das nicht, ist er vermutlich eher überbesorgt und lässt das Kind sicher nicht zu weit vorlaufen, denn sie sind ja nicht in der eigenen Stadt unterwegs, und wenn der Knabe ihm hier verloren geht...
(So hätte es zumindest mein Vater gemacht, denn meine
beiden Brüder hatten die sehr starke Tendenz zum Verlorengehen...
)
Möglicherweise ist natürlich auch das Kind außer Rand und Band, rennt ständig vor, geht verloren, und der Vater ist darum noch viel genervter...
Aber irgendwie glaube ich, dass die Meldung (und der angerichtete Schaden) anders ausgesehen hätte, wenn das Kind vor- und quasi in den Rotti hineingelaufen wäre. "Biss in den Arm" und "im Vorbeigehen" passt schon durchaus zusammen.
2
"Biss im Vorbeigehen" finde ich nicht so unwahrscheinlich, und dafür muss das Kind sich nichtmal auffällig verhalten haben. Es reicht ja schon, dass Vater und Sohn einerseits und die Gruppe von Leuten mit Hund andererseits sich auf dem Gehsteig begegnet sind. Dem Hund mag es schlicht zu eng geworden sein.
Kenne mindestens einen Vorfall hier aus dem Forum persönlich, wo es genauso war. Biss auch etwa in diesem Bereich, Schäden etwa so, Jacke kaputt. (Differenzen mit den Eltern des gebissenen Kindes konnten einigermaßen ausgeräumt werden).
3) Gespräch zwischen Hundebesitzer und Vater:
Nein, ich glaube, der Vater war bestimmt eher nicht ruhig und sachlich. Also, zumindest mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht.
Der Hundebesitzer hat vielleicht nichtmal mitgekriegt, dass sein Hund gebissen oder geschnappt hat, wenn es denn im Vorbeigehen passiert ist, und fühlte sich dumm angemacht.
So. Er wollte keine Scherereien, da kann ich dir zustimmen. Die wenigsten Leute wollen Scherereien.
Aber er hat dabei nicht von Zwölf bis Mittags gedacht. Er war mit Freunden unterwegs, die bei einem Streitgespräch, wenn es eines gegeben hätte, hätten vermitteln können. Die ihm aber auch die nötige Rückendeckung gaben.
Wäre er allein gewesen, würde ich dir bei einer Panikreaktion vielleicht sogar zustimmen, aber so?
Welcher Mann, der mit seinen Kumpels unterwegs ist, kneift vor denen den Schwanz ein (metaphorisch) und sucht mit ihnen im Schlepp das Weite, um seinen Hund zu retten? Er hat doch Unterstützung dabei, da sollte es doch möglich sein, das anders zu regeln. Oder, wenn alle Stricke reißen, die Freunde einzuspanne, damit sie ihm helfen.
Das ist aber nicht passiert (diesen Teil der Meldung halte ich für glaubwürdig), und das passt für mich absolut nicht zu einer Panikreaktion.
Sondern eher zu dem hier:
Er hatte seine Kumpels dabei, der andere Mann war alleine und musste sich noch um ein weinendes Kind kümmern. Also fühlte er sich stark und dachte, am einfachsten bügelt er dieses Problem aus, indem er den Vater abbügelt und sich vom Acker macht. Der wird sich schon nicht anstellen, ist ja gar nichts passiert.
Und
dieses Verhalten ist rücksichtlos, dreist und unglaublich dumm, und es ist hochgradig verantwortungslos.
Aber hauptsächlich dumm.
Nein, ich weiß genauso wenig wie du, was tatsächlich passiert ist. Aber das ist meine Interpretation der Ereignisse - aufgrund von dem, was im Text steht. Und durchaus in gewisser Weise auch aufgrund von dem, was dort
nicht steht.
Ich musste aber nichts dazu erfinden, oder darüber nachdenken, wie wer vielleicht warum reagiert hätte - ich habe einfach nur alle Fakten aus dem Artikel mit einbezogen und in einen sinnvollen Zusammenhang gestellt.
Für
mich ist danach wesentlich wahrscheinlicher, dass der Hundehalter aus Dreistigkeit und Egoismus oder einfach aus Bequemlichkeit so gehandelt hat, wie er's getan halt, als aus Liebe zu seinem Hund. (Dem er damit eh einen Bärendienst erwiesen hat, denn danach waren die Betroffenen halt so richtig sauer und haben sich offenbar an die Polizei gewendet.)
Und was das Lügen der Presse angeht: Ja, manchmal lügt die Presse auch, aber meistens kriegt sie es einfach nicht so ganz auf die Reihe mit der korrekten Berichterstattung. Es beruht ja auch da viel auf Hörensagen, muss schnell gehen, wird gekürzt, sonst passt es nicht mehr auf die Seite... und der, der kürzt, ist meist nicht der, der den Originaltext geschrieben hat. Und dann kommen manchmal gewisse Merkwürdigkeiten heraus.
Aber diese Merkwürdigkeiten gehorchen idR gewissen Gesetzmäßigkeiten. Besser kann ich es auch nicht erklären. Aber man kann schon sehen, was in etwa stimmt, und was nie im Leben, oder was schlicht auf einem klassischen Redakteursmissverständnis beruht. (Vielleicht muss man dazu wissen, wie Journalisten - also oft verkrachte Germanisten...
- ticken und also schreiben, keine Ahnung.)
Ich glaube zB sehr fest, dass die Meldung vom Rotti und dem Kind ursprünglich aus dem Polizei-Presseticker stammte. Und dort steht sehr - sehr - nüchtern drin, was passiert ist.
(Quasi wörtlich. Habe die
übrigens gerade ausfindig gemacht... der Text ist von der Zeitung fast eins zu eins übernommen und nur noch etwas gekürzt worden.)
Die Polizei hat ja den Halter ausfindig gemacht und überprüft nun den Hund... hätte er Halter sich dann in die Brust geworfen, seinen Hund verteidigt und erstmal behauptet, in Wahrheit hätte der Vater ihm Schläge angedroht, und Anzeige erstattet - hätte das in der Meldung der Polizei auf jeden Fall gestanden, weil dort immer der komplette Vorgang in korrektem Amtsdeutsch aufgeführt werden
muss... - Die Medien mögen lügen, verzerren oder betrügen, die Polizei darf das in ihren Meldungen nicht und hat idR zumindest in einem Fall wie diesem auch garantiert kein Interesse daran.
Ach ja, man sollte noch bemerken: in der Polizeimeldung steht: "Der Vater bekam
nach eigenen Angaben Schläge angedroht". Zumindest das scheint der Hundebesitzer also abgestritten zu haben, und die Polizei konnte in der Kürze der Zeit auch nicht herausfinden, ob es stimmte oder nicht, hat sich damit aber auch nicht länger aufgehalten. Zur vollständigen Schilderung des Vorfalls gehört es aber aus Polizeisicht dazu.
In die Meldung in der Zeitung nach meinem Empfinden aber nicht unbedingt, aber das ist auch wieder Geschmackssache.
Und ich glaub, nun hör ich hiermit einfach auch auf und pflege meine Erkältung weiter.