Ein Leben wie ein Hund - des Hundes wegen

merlin

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Am Samstag neue Proteste

Ein Leben wie ein Hund - des Hundes wegen

Wie sich die Besitzer von Vierbeinern durch die neue Verordnung in ihren Grundrechten eingeschränkt fühlen

Von Jutta Vossieg

Köln - Martina H. ist fassungslos. Als sie im Kölner Ordnungsamt ihren Hund "Lord" entsprechend der neuen Hundeverordnung anmelden wollte, sollte sie nicht nur ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, sondern auch eine Besichtigung ihrer Wohnung durch einen städtischen Beamten hinnehmen. "Wenn ich einen Stubengang bei einem Verdächtigen machen will, brauche ich eine richterliche Erlaubnis, und dafür muss ich eine ziemlich stichhaltige Begründung vorbringen", ärgert sich die Kriminalhauptkommissarin. "Aber für Hundebesitzer soll plötzlich das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nicht mehr gelten?"

"In vier Wochen redet keiner mehr über die Hundeverordnung", prophezeite NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn im Sommer auf dem Höhepunkt der Debatte über gefährliche Hunde. Getrieben von der öffentlichen Stimmung nach dem tödlichen Beißunfall in Hamburg - zwei scharf gemachte Hunde eines 17 Mal Vorbestraften hatten einen sechsjährigen Jungen zerfleischt - setzte sie binnen weniger Tage eine Hundeverordnung in Kraft, die zu der beispiellosen Spaltung der Bevölkerung in Hundefreunde und -hasser beitrug.

Kurz zuvor hatte Martina H. den American Staffordshire "Lord" aus dem Tierheim geholt. Nach einem dreiwöchigen Intensiv-Kursus in einer Hundeschule ist der braun-weiß gefleckte Hund Mensch und Tier gegenüber absolut verträglich und gehorcht aufs Wort. Durch die Verordnung aber gilt er aufgrund seiner Rasse als besonders gefährlich. Obwohl er sämtliche Verhaltenstests mit Bravour bestanden hat, bekam er bis heute keine Befreiung vom Maulkorbzwang. Wegen der tagtäglichen Anfeindungen in der Stadt werden Martina H. und ihr Lebensgefährte bald aufs Land ziehen. Sie mussten sogar ein Haus kaufen, weil sie auch dort wegen des Hundes keine Wohnung zur Miete fanden.

Sie sind ein Beispiel dafür, wie tief und nachhaltig die Hunde-Hysterie in das Leben unbescholtener Bürger einwirkt. Der tägliche Spaziergang gleicht in den Ballungsgebieten weiterhin einem Spießrutenlauf. Ein Dackel-Besitzer aus Köln, ebenfalls Kriminalbeamter, berichtet, er verabrede sich mittlerweile mit anderen Hundehaltern, die - wie er - Pöbeleien und Tätlichkeiten von selbsternannten Ordnungshütern fürchten. In Overath erwägen Lokalpolitiker allen Ernstes, die Hundesteuer zu erhöhen, weil Hundebesitzer öffentlichen Parkraum beanspruchen, wenn sie die von der Stadt ausgewiesene Freilauf-Fläche besuchen.

Winfried Südkamp von der Gewerkschaft der Polizei: "Die tägliche Umsetzung der Hundeverordnung hat nichts mehr mit dem Schutz der Menschen vor aggressiven Hunden zu tun. Wir als faktisch ausführende Behörde sind gezwungen, einen Feldzug gegen die Hundebesitzer im Allgemeinen zu führen." Landauf, landab finden deshalb nahezu täglich öffentliche Veranstaltungen zur Hundeverordnung und deren Auswirkungen statt, überall gründen sich neue Vereine, deren Namen - "Menschen, Tiere, Werte", "Mütter und Kinder für Hunde", "Bürgerinitiative gegen die Diskriminierung von Menschen und Hunden" - Ausdruck der "Gefechtslage" sind.

Jeder, dem die Nase des Nachbarn nicht passe, denunziere dessen Hund nun als "gefährlich", berichtet Polizist Südkamp aus der Alltagsarbeit. Ein Gegenbeweis sei schlichtweg nicht führbar, meint der FDP-Landespolitiker Stefan Grüll. Denn: Auch die Ausführungsbestimmungen, Monate nach Inkrafttreten der Verordnung nachgereicht, sowie die Vorschriften für Wesenstests enthalten keine konkreten Kriterien, nach denen ein Hund beurteilt werden kann. Grüll bemängelt außerdem, dass Hundebesitzer überhaupt gezwungen sind, die Harmlosigkeit ihres Vierbeiners nachzuweisen, während der Rechtsstaat für jedes andere Vergehen dem Verdächtigen seine Schuld nachweisen muss.

Die NRW-Datenschutz-Beauftrage Bettina Sokol hat überdies die Pflicht zur Vorlage eines Führungszeugnisses gerügt. Ein derartiger Eingriff in die Grundrechte sei nicht gerechtfertigt, es müsse zu mindest das Parlament darüber abstimmen. Der NRW-Landtag hat es aber abgelehnt, die Verordnung aus diesem Grund auszusetzen.

Und weitere gesetzliche Verschärfungen drohen: Der Bundesrat hat gefordert, im Führungszeugnis für Hundehalter auch verjährte Strafen einzutragen. Hundehalter müssten also schärfere Eingriffe in ihren Datenschutz hinnehmen als beispielsweise Waffenkäufer. Vom 22. bis 24. November findet in Düsseldorf eine Konferenz der Innenminister der Länder statt, auf der über eine bundeseinheitliche Hundeverordnung beraten werden soll. Die verschiedenen Vereine und Initiativen haben deshalb noch einmal zu einer Großdemonstration aufgerufen, die an diesem Samstag um 13 Uhr vom Burgplatz in der Düsseldorfer Altstadt vor den Landtag ziehen soll.

Eines hat die Debatte aber auch bewegt: Hundehalter sind erheblich sensibler dafür geworden, dass sie mehr zum Miteinander beitragen müssen. Hundetrainer Wolfgang Heck aus Merzenich: "Der Spruch »Der tut nichts, der will nur spielen« gehört nun wirklich auf den Index. Das heißt nichts anderes als »Ich hab ihn nicht im Griff und weiß nicht, was er als nächstes tut«." Heck plädiert für eine obligatorische, qualifizierte Ausbildung für jeden Hund und jeden Halter, die Alltagskonflikte erst gar nicht aufkommen lässt und Verhaltensstörungen verhindert, die einen Hund gefährlich werden lassen.

Allerdings - gegen absichtlich scharf gemachte Hunde hilft wohl nur eines: Ganz normale Arbeit von Polizei und Ordnungsbehörden. Martina H.: "Die Typen, um die es eigentlich geht, halten ihre Hunde weiterhin im Hinterhof und lachen sich über das Theater kaputt."

Quelle : Kölner Stadtanzeiger
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  • 30. April 2024
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Hi merlin ... hast du hier schon mal geguckt?
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Hallo Merlin,

ein sehr guter Artikel!
Langsam glaube ich wirklich, daß die Presse umschwenkt und das himmelschreiende Unrecht, das mit Hundebesitzern passiert, endlich anprangert!

Lieben Gruß
Alexis

asthanos.gif
 
hallo,

kann alexis da nur zustimmen.

und ich muss sagen, die fdp wird mir dank grüll immer symphatischer!

tja, frau höhn, in 4 wochen redet keiner mehr über die hvo, was???

Viel erfolg in düsseldorf, ich kann leider nicht kommen.


jester.gif

Marion, Tau & Tiptoe
 
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